Название | TREU |
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Автор произведения | Sven Hornscheidt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750231382 |
„Meine Schuhe!“, rechtfertigte sich Moritz.
Lukas zeigte ein verschmitztes Lächeln und machte eine Geste wie ein Pantomime, der zu verstehen geben wollte, dass er nicht wusste, was er sagen sollte.
„Spazieren, ne!? ... Hättest du dir nicht bessere Schuhe für einen ‚Waldspaziergang‘ aussuchen können?“
Er hob seine Finger zu pantomimischen Anführungszeichen.
„Das ist nicht witzig, die waren echt teuer!“
„Stell dich nicht so an. Wenn du weiter so lange brauchst, haben wir eh bald Sommer!“
Moritz verdrehte die Augen.
„Was willst du da oben?“
„Da oben ist nicht hier unten, also komm!“
Wieder streckte er die Hand aus.
Moritz ergriff sie und zog sich einen weiteren Schritt nach oben, dann schämte er sich ein bisschen und ließ sie wieder los. Lukas schüttelte den Kopf und ging weiter.
Nach ein paar Minuten durfte Bella endlich beide oben empfangen, Lukas in bester Laune und Moritz etwas griesgrämig. Er versuchte gerade mit einem Taschentuch seine Schuhe provisorisch zu reinigen, als Bella angerannt kam und anfing, an ihnen herumzuschnuppern. Bald verlor sie aber das Interesse und nahm wieder Lukas ins Visier, der gerade dabei war, einen handlichen Stock von einem etwas größeren Astkonvolut abzubrechen. Das musste sie sich unbedingt von nahem anschauen und begann ungeduldig zu scharren und zu winseln.
„Ist ja gut“, sagte Lukas und schaute über das weißmelierte Stoppelfeld vor ihm. Oben angekommen, versperrte zunächst ein Stacheldrahtzaun den Weg nach vorn. Links ging es leicht bergab. In der Ferne sah man dort das Haus von Körperklaus. Rauch quoll aus dem kleinen Schornstein. Hinter dem Stoppelfeld und auf seiner rechten Seite trennte weiterer Stacheldraht einen Wald und eine lange Wiese voneinander ab. Es sah so aus, als hätte ein mit einem Rasenmäher bewaffneter Riese in schwermütiger Laune versucht, aus einem großen Wald zwei kleine zu machen.
Lukas brach den Ast ab, stieg mit einem großen Schritt über den Zaun und bog die stacheligen Drähte nach oben. Dann warf er den Ast, so weit er konnte. Bella stürmte hinterher.
„Warum bist du gestern so früh weg?“, fragte er.
Moritz war überrascht über diese Wendung und wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Er biss sich auf die Lippen und es war unangenehm, wie Lukas ihn dabei musterte.
„Ich war einfach durch“, antwortete er zögernd.
„Du bist in letzter Zeit irgendwie komisch.“
„Wer? Ich? Wieso das denn?“ Lukas beobachtete seine Mimik und jede Augenbewegung. Moritz fühlte sich, als würde er in einem Schraubstock Limbo tanzen.
Bella kam zurück und ließ den schmierigen Ast auf seinen Schuh fallen.
Nicht die Schuhe, dachte er, doch er war froh, dass sie den unangenehmen Moment durchbrach. Lukas’ Blicke versuchten seine Mimik weiter zu ergründen. Moritz spürte das, als er den Stock aufnahm und Bella damit vor der Nase herumfuchtelte. Seine Blicke hielt er stoisch auf sie gerichtet.
„Naja, du redest kaum noch mit uns, verziehst dich immer in irgendwelche Ecken. Wir verstehen das nicht so ganz.“
„Wer ist denn ‚wir‘?“
„Na, die anderen halt. Bedrückt dich irgendwas? Hat es mit mir zu tun?“
„Nein, es ist alles gut!“ Moritz fühlte sich in die Enge getrieben. Er wurde unbewusst etwas lauter. Mit Wut im Bauch warf er den Ast quer über das winterliche Feld, krachend fiel er ins Geäst.
„Du weißt, dass du mit mir reden kannst.“
„Ich, ... es ist wirklich nichts. Ich habe einfach ein bisschen Stress gerade.“
„Wovon denn Stress? Vom Stöckchen werfen?“ Er schmunzelte und versuchte, die Stimmung etwas zu entspannen. Moritz bedeutete es viel, dass er sich um ihn sorgte. Eigentlich würde er es ungern missen wollen, doch er fühlte sich unter Druck gesetzt. Seine Angst schaltete seinen rationalen Verstand aus. Er wollte gar nicht über was wäre, wenn nachdenken, sondern einfach nur raus aus dieser Situation.
Konnte Lukas nicht einfach wieder seine Hand nehmen und nicht weiter nachfragen?
„Wir kennen uns jetzt so lange. Marina findet auch, dass du komisch geworden bist.“
„Was hat die blöde Fotze damit zu tun?“ Moritz erschrak vor seinen eigenen Worten.
Lukas war nun still und starrte ihn entsetzt an.
„Es, ... es tut mir leid, war echt nicht so gemeint, ich meine nur ...“
„Geh einfach!“
Moritz spürte, wie es ihm die Kehle zuschnürte und ein imaginärer Fausthieb seine Eingeweide spaltete. Lukas drehte sich um. „Komm, Bella!“
Kurz danach stand Moritz alleine auf dem tristen Feld. Er hatte Tränen in den Augen und spürte einen salzigen Geschmack hinter seinen zusammengepressten Lippen. Keine hundert Meter entfernt von ihm ein Herz mit den hölzernen Lettern ‚L+M‘ in einen Baum eingeritzt. Heimlich, im Sommer davor.
Er setzte sich auf den kalten Boden und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Die Feuchtigkeit suchte sich ihren Weg durch den Stoff seiner Jeans.
LUKAS – damals
8
Lukas stand vor seiner Haustür. Die Hälfte der Strecke hatte er schieben müssen, da seine Fahrradgabel durch den Sturz zu locker war und bei jeder Kurve anfing zu klackern. Noch einen Sturz hätte er wirklich nicht gebrauchen können.
Durch seine abgeschnittene Jeanshose drangen die ein oder anderen Blutflecken, doch das Zittern, das er noch ein paar Minuten lang verspürt hatte, nachdem er in den Busch gekracht war, war inzwischen verflogen. Die Luft war immer noch sehr drückend, doch die Sonne stand nun etwas tiefer und brannte nicht mehr allzu stark von oben herab.
Er suchte in seiner Hosentasche nach dem Haustürschlüssel, doch er war nicht mehr da. Also klingelte er, in der Hoffnung, jemand wäre zu Hause. Wahrscheinlich lag der Schlüssel irgendwo in den Dornenbüschen. Er würde das nächste Mal einfach nach ihm schauen, wenn er im Wald war. Dort würde ihn niemand finden und Hinweise auf den Besitzer gab es auch nicht. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen.
Von innen hörte er ein Bellen und ein aufgeregtes Tapsen. Bella hopste hinter der Sicherheitstür aus festem Glas umher und wartete darauf, dass ihr jemand die Tür öffnete, damit sie Lukas freudig empfangen konnte. Er konnte sie nur schemenhaft hinter der milchigen Scheibe erkennen, doch Bellas Hundesinne wussten zweifellos, wer vor der Tür stand.
Lukas klopfte, um sie ein bisschen zu provozieren, was sie auch anspornte, ihrem Bellen noch ein leises, freudiges Quieken hinzuzufügen.
Schritte auf der Holztreppe.
Die Tür öffnete sich und Jakob stand in seiner Fleecejogginghose vor ihm. An einem leuchtendgrünen Halsband hielt er Bella fest, die nicht erwarten konnte, ihren großen Menschenbruder zu begrüßen.
„Wie siehst du denn aus? Ich dachte, du wolltest in den Kraterwald?“
Sein Blick fiel auf die rotglühende Kniescheibe und seine verschrammten Arme und Beine.
„Hab’s mir anders überlegt.“
Bella war noch klein, doch ihre tapsiggroßen Pfoten verrieten, dass noch einiges an Körpermasse zu erwarten war. Sie stemmte sich gegen Jakobs Griff