Название | TREU |
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Автор произведения | Sven Hornscheidt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750231382 |
„Moritz! Ich leg’ gleich auf ... !“
„Ich bin schwul.“
Stille
Ihr fiel es nun wie Schuppen von den Augen. Das komische Verhalten in letzter Zeit, die launischen Gefühlsausbrüche, die Abneigung, die er sie immer spüren ließ. Alles machte auf einmal Sinn.
„Was?“, wollte sie sich noch einmal vergewissern.
„Sag’s bitte nicht Lukas“, flüsterte er, begleitet von einem Schniefen.
Sie überlegte kurz, was sie sagen sollte, und aus dem Bauch heraus gab sie in ihrer beruhigendsten Tonlage eine Antwort:
„Moritz, es spielt keine Rolle, wer das weiß und wer das nicht weiß. Du bist immer noch Du! Ich weiß, du magst mich nicht besonders, aber ich mag dich und alle anderen mögen dich. Es ändert sich doch überhaupt nichts. Aber ich habe das Gefühl, dass du es für dich akzeptieren musst. Nicht die anderen müssen dir Angst machen, du bist es doch selber, der es in der Hand hat, glücklich zu sein. Ich freue mich, dass du es gerade mir anvertraust. Danke. Ehrlich. Wie fühlst du dich jetzt?“
„Okay ...“ Er klang nicht sehr überzeugend.
„Pass auf, Lukas hat schon ganz miese Laune, weil er ohnehin nicht in den Film gehen wollte, aber ich sitze hier auf der kalten Treppe in einem zugigen Flur und muss ganz dringend auf’s Klo. Was hältst du davon, wenn ich nach dem Film vorbeikomme? Wir können quatschen, wenn du willst, oder wir können schweigen. Was dir lieber ist. Das dauert nur ein paar Stunden hier. So halb zwei, zwei. Ich komme auf jeden Fall. Deine Eltern sind doch noch im Urlaub?“
„Ja, ... aber ich will keine Umstände machen.“
„Ich will aber eine Flasche Wein haben! Roten. Und nicht zu trocken!“
„Okay“, Moritz hörte sich klarer an, was sie ein wenig beruhigte.
„Und, Marina?...“
„Ja?“
„Danke.“
„Bis gleich dann, und ruf’ jetzt nicht wieder Lukas an, sonst werden wir im Kinosaal gevierteilt.“
„Okay ...“
„Bis später ... ich freu mich.“
Nachdem sie aufgelegt hatte, blieb sie noch eine Weile sitzen. Den Oberkörper auf die Knie aufgestützt, sinnierte sie über das kurze Telefonat nach. Sie spürte eine Woge des Wohlbefindens. Es fühlte sich gut an, dass er ausgerechnet ihr vertraute. Auch Erleichterung schwang mit. Sie fühlte sich gut.
Sie ging noch schnell auf die Toilette und betrat dann wieder den Kinosaal. Lukas verriet sie nichts vom Inhalt des Gesprächs, auch wenn er sie, von Brilles Flüchen bombardiert, löcherte. Nun wollte sie wenigstens noch die letzte Hälfte des Films in Ruhe genießen.
Auch Moritz lächelte.
MORITZ
11
Moritz saß etwas verloren auf der Couch im Wohnzimmer seiner Eltern. Sein Herz pochte und seine Gedanken rasten. Er spürte eine leichte Euphorie, die sich abwechselnd mit tiefen Zweifeln vermischte. Draußen war es dunkel, der Schnee der vergangenen Tage hatte sich größtenteils verflüssigt, nur noch ein paar Schneehaufen türmten sich hier und da an den Straßenecken auf. Er war nicht mehr so schön weiß wie letzte Woche, eher graumeliert. Veränderungen lagen in der Luft.
Er wusste gerade nichts mit sich anzufangen. Also ging er in die Küche und machte sich einen schwarzen Tee, in den er einen großzügigen Schluck Pottrum goss. Er schaute auf die Uhr – 0:45. Ob sie wirklich kommt?
Er war etwas verwirrt über das Telefonat. Marina mochte er eigentlich nie, doch nun war ausgerechnet sie es, die ihm sein größtes Geheimnis entlocken konnte. Er schaute zu, wie der Teebeutel vor sich hin zog und warf ihn dann in den Mülleimer. Mit der Tasse in der Hand ging er wieder ins Wohnzimmer und stellte sie auf dem kleinen Couchtisch ab. Dann stapfte er in den Keller, um nachzuschauen, ob sich noch eine Flasche Wein für Marina finden ließe.
Dornfelder, halbtrocken. Das hörte sich doch gut an. Er war zwar kein großer Weintrinker, doch wusste er, dass er die Flasche öffnen sollte, damit sie etwas atmen konnte. Er ging wieder nach oben und stellte sie zusammen mit zwei Weingläsern auf den Tisch.
Er roch an seinen Achseln. Eine Dusche würde er noch dringend brauchen, also ging er die Treppen hoch ins Badezimmer, das Teeglas in der Hand. Er stellte den Tee auf der Spiegelablage ab und zog sich aus. Die stinkigen Klamotten warf er den Treppenschacht hinunter.
Mit einem dumpfen Schlag landeten sie in der untersten Etage. Um die Wäsche würde er sich morgen kümmern.
Er steckte seinen Finger in das Teeglas. Es war noch zu heiß zum Trinken, also öffnete er die Tür der Duschkabine und stieg hinein. Er stellte das Wasser an und wartete einige Minuten, bis sich das heiße Wasser vom Heizkessel im Keller einen Weg nach oben gebahnt hatte. Dann nahm er eine Flasche Shampoo von der Ablage und setzte sich auf den Boden der Duschwanne. Das dampfende Wasser tat gut.
Eine ganze Weile kauerte er so da und ließ sich das heiße Wasser auf den Rücken prasseln, die Arme um seine Beine geschlagen, den Kopf auf seinen Knien. Weinen musste er nicht mehr. Er war jetzt sogar ein bisschen stolz auf sich.
Nachdem er sich fertig gewaschen hatte, stapfte er aus der dampfenden Duschkabine heraus. Es war ganz schön kalt im Badezimmer. Er hatte vergessen, die Heizung aufzudrehen. Seine Schultern waren leicht gerötet von dem heißen Wasser. Der Tee hatte nun eine gute Trinktemperatur, fast schon etwas zu sehr abgekühlt. Er trank ihn schnell aus, der Rum wärmte sein Inneres. Im Spiegel betrachtete er sich. Eigentlich ist doch alles okay bei dir, dachte er sich.
Mit einem Handtuch um die Hüften gewickelt, wollte er sich gerade frische Klamotten aus dem Kleiderschrank holen, als es an der Tür klingelte.
„Oh, also, so hätte ich dich jetzt nicht erwartet.“
Marina umarmte ihn mit einem Lächeln, der kühle Wind aus der offenen Tür fröstelte ihn und er bat sie schnell herein.
„Sorry, ich habe noch eben geduscht, ich dachte, ich hätte noch etwas Zeit“
Sie musterte ihn.
„Also, ich könnte verstehen, wenn dir die Jungs hinterherlaufen!“
Das Eis war gebrochen.
„Ich zieh’ mir schnell was an, im Wohnzimmer steht schon der Wein.“
Er ließ Marina stehen und flitzte schnell die Treppen hinauf.
Vor dem Kleiderschrank sinnierte er noch kurz, was er sich eigentlich hier eingebrockt hatte. Doch er vertraute auf den Moment und zog sich schnell etwas an. Die Rollladen klapperten vom Wind, als würden sie ihm zustimmen wollen.
Wieder unten angekommen, saß Marina schon auf der Couch und nippte an ihrem Glas. Über den Schoß hatte sie sich eine Decke gelegt, die sie wohl irgendwo im Zimmer gefunden hatte. Auf der anderen Seite des Tisches stand ein volles Glas Wein für ihn bereit. Er setzte sich auf den Sessel gegenüber. Dann stand er wieder auf und ging zur Heizung, die er etwas aufdrehte. Es war wirklich kalt hier.
„Musik?“
„Ja, mach mal! Es ist doch etwas still hier.“
Er ging zum Regal und schaltete das Radio ein. Marina beobachtete ihn dabei und musste schmunzeln. Offenbar schaffte es heute niemand, einfach mal still sitzen zu bleiben.
„Was lachst du?“, fragte Moritz.
„Ach nichts – insider ...“
„Insider?“ Moritz verstand nicht so ganz.
„Du brauchst nicht so aufgeregt zu sein, es ist alles gut, Moritz.“
Er setzte sich hin.
„Also, willst du darüber reden?“, Marinas Stimme klang beruhigend.