TREU. Sven Hornscheidt

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Название TREU
Автор произведения Sven Hornscheidt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750231382



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macht das lange Rumliegen nichts aus ...“, sagte Jakob zu ihr, doch sie verstand nur etwas von „lieg“ und „aus“, und wusste nicht so recht, was er ihr damit nun sagen wollte. Sie beobachtete, wie er zu seinem Rucksack hinüberstapfte und sich nach seiner Colaflasche bückte.

      Als würde ihr die Ansprache von eben nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen, stand Bella nun auf und tapste zu ihm hin, um ihn dann fragend anzusehen. Brav setzte sie sich auf ihren Allerwertesten, ihre Augen immer noch zu groß für ihren kleinen Welpenkopf. Langsam musste Jakob sich daran gewöhnen, dass sie nicht immer so drollig bleiben würde.

      Er öffnete den Reißverschluss seines Rucksacks und zog eine kleine Glasschale heraus, die er zur Sicherheit in ein Küchentuch eingewickelt hatte. Dann kramte er noch etwas tiefer und angelte sich eine Fahrradtrinkflasche, die nicht weniger bunt war als sein Rucksack, und goss etwas Wasser in die Schale. Bella begann zu trinken.

      Mit verschränkten Armen sah Jakob sich seine Baustelle an. Irgendwie war die Ausbeute hier nicht so toll. Er nahm ein paar handtellergroße Steinplatten von seinem Haufen und kniete sich wieder hin. Sie waren alle glatt. Er schlug eine Platte gegen die Felswand, bis sie sich wie Blätterteig in mehreren Schichten löste. Manchmal hatte man Glück und man fand zwischen den Schichten etwas Brauchbares, doch wieder wurde er enttäuscht.

      Nun startete ein Lied über einen Monsun. Das reichte nun wirklich. Er schaltete seinen MP3-Player aus und wickelte das Kabel der Ohrhörer darum. Mit einem geschickten Wurf traf er die Öffnung seines Rucksacks, in dem der Player dann verschwand. Wenigstens das klappt, dachte sich Jakob. Zu gerne hätte er noch ein paar versteinerte Zeugnisse einer vergangenen Zeit gefunden, doch er hatte einfach kein Glück. Er stopfte sich eins von seinen Kaubonbons in den Mund und begann zusammenzupacken.

      Der Wind wurde etwas stärker und der Himmel zog sich zu. Erste Tropfen fielen vereinzelt auf den trockenen Waldboden herab. Jakob verzog das Gesicht.

      In der Ferne hörte er ein Grollen.

      Das Licht verfärbte sich langsam grünlich und die Sonne fand keinen Weg mehr in den zimmergroßen Kessel, in dem er sich befand. Ein leises Tröpfeln erklang, und als würden die Blätter flüstern, verwandelte sich der Wald in eine angenehme Symphonie aus lauten und leisen Tönen. Die Schatten verloren ihre Schärfe und ein seichter Wind bewegte die Härchen auf Jakobs Beinen.

      „Ich glaube, wir sollten los“, sagte er zu Bella, die gerade damit beschäftigt war, an einem Ast herumzukauen.

      Er ging zum Rand des Kraters, wo eine kräftige Baumwurzel vom oberen Rand bis zu ihm herunterreichte. Er hatte sie eben schon als Leiter benutzt, als er in den großen Erdkessel hinabgestiegen war.

      Jakob strich sanft über das knorrige Holz und beobachtete, wie ein kleines Rinnsal versuchte, über die Erdkante zu laufen. Der Boden war noch staubtrocken und so versiegelte er sich gegen jede Feuchtigkeit. Wie eine Perle kullerten die Wassertropfen über den staubigen Rand und fielen dann hinab auf die Außenwand des Kessels, wo sie schließlich versickerten.

      Plötzlich hielt er inne.

      Bella spitzte ihre Ohren und machte ein paar aufgeregte Schritte näher an Jakobs Seite. Er lauschte, doch nur das Tröpfeln war zu hören.

      Wieder ein Grollen, diesmal näher.

      Er konnte sich nicht erinnern, wann das Unbehagen einsetzte, doch seine unbekünnerte Stimmung machte nun einer inneren Unruhe Platz.

      Auch Bella schien nervös zu werden. Sie machte gurgelnde Laute und schaute aufgeregt umher. Ihre Ohren hatte sie wie zwei hektische Radarschüsseln, die unentwegt die Umgebung abscannen, aufgestellt.

      Ein Rascheln. Dann ein brechender Ast.

      Jakob stockte der Atem. Er griff Bella an ihrem grünen Halsband und zog sie noch ein Stück näher zu sich, als er sich hinkniete. Unter seinem rechten Arm war der eingeklemmte Rucksack. Er fokussierte das andere Ende seiner Leiter und konnte über die Kuppe des Kessels nur das Walddach erkennen, das im immer stärker werdenden Wind unruhig tanzte, als würde es hämisch auf ihn hinabblicken.

      Wieder ein Knacken.

      Bella machte keinen Mucks mehr.

      Jakob verharrte in seiner Hockstellung und empfand nun große Angst. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten, doch er fasste all seinen Mut zusammen, setzte sich seinen Rucksack auf, nahm Bella unter seinen linken Arm und griff nach der Wurzel, um sich langsam hochzuziehen. Die hervorstehenden Steine in der Wand boten einen guten Halt für seine Füße. Als er die Kante erreichte, setzte er Bella wieder ab und schaute unruhig umher. Der ausgefahrene Lehmpfad vor ihm warf nun dunkle Schatten in jede Spur und der Ilex war zu dicht, um weit sehen zu können.

      Kalte Regentropfen fielen auf seinen Nacken.

      Wieder ein Knacken. Eine Bewegung.

      Diesmal näher.

      Jakob stand stocksteif da und hielt seinen Atem an.

      Nun regte sich auch Bella. Sie jaulte erst leise, dann bellte sie den kräftigsten Laut, den sie je hervorgebracht hatte. Sie fing an zu laufen. Schnell und zielstrebig. Um eine Ecke, hinter einen Haselstrauch. Dann ein lautes Krachen.

      Jakob wollte rennen, doch wie versteinert stand er da und sah vor sich in die grüne Leere.

      MARINA

      10

      Eine Popcorntüte knisterte neben Marina, als sie sich zur Seite drehte. Bläuliches Licht zeichnete Konturen auf Lukas’ Gesicht. Er konnte richtig hübsch sein, wenn er nur von der richtigen Seite und dem richtigen Licht angestrahlt wurde. Die Sitze waren sehr bequem, man konnte wunderbar in ihnen versinken. Sie schmunzelte. Naja, so ganz „ihr Typ“ war er ja eigentlich nicht, zumindest nicht optisch. Sein Gesicht war sehr markant und kantig, und obwohl er erst achtzehn war, wirkte er ein paar Jahre älter und auch irgendwie ernster. Seine Nase war relativ unspektakulär, in einer Broschüre für „Normnasen“ würde sie wahrscheinlich den ersten Platz gewinnen. Seine dichten, braunen Locken wucherten heute etwas wild, er sollte sich mal wieder die Haare schneiden lassen, dachte sie und musterte ihn weiter.

      In seinem schwarzen Kapuzenpulli versunken wischte er mit seinem Daumen über das Display seines Smartphones. Eigentlich hatte er sich nur überreden lassen, mit Marina ins Kino zu gehen, denn so richtige Lust hatte er nicht. Er hasste das ganze „Chi Chi“ ums Ausgehen und die Kartenpreise waren in den letzten Jahren in astronomische Höhen geschossen. In seiner linken Hand hielt er die zusammengefaltete Plastikbrille, die ihnen einen außergewöhnlichen Kinoabend bescheren sollte – oder einen Anflug heftigster Kopfschmerzen, je nachdem, in welcher Verfassung man sich gerade befand. Er verstand diesen ganzen Irrsinn mit den 3D-Kinofilmen nicht. Ging es nicht eigentlich um die Geschichte? Das geht doch auch ohne Kopfschmerzen. Die letzten 3D-Filme, die sie sich im Multiplex Kino angesehen hatten, waren alle relativ inhaltsleer gewesen. Er erinnerte sich an die Ausführungen seines Kunstlehrers, als er über die Anfänge des bewegten Bildes referiert hatte. Damals waren angeblich die Menschen scharenweise panisch aus den Kinos gerannt, weil sie das erste Mal das bewegte Bild einer sich nähernden Lokomotive sahen und Angst hatten, von ihr zermalmt zu werden. Da reichte ein banaler Film, um die Menschen zu faszinieren, doch dieser 3D-Hype in der heutigen Zeit zerstörte seiner Meinung nach das Genre. Video kills the radio star – die nächste Etappe.

      „Du könntest wenigstens so tun, als hättest du Lust auf’s Kino!“,

      sagte Marina mit einem enttäuschten Unterton.

      „Ich freu’ mich doch!“ Bei Lukas war es immer schwer, Sarkasmus und Ernst auseinander zu halten.

      „Der Film soll echt gut sein!“

      „Mir wird davon schlecht und das Bild ist immer so dunkel.“

      Marina verdrehte die Augen und griff in seine Popcorntüte.

      „Ey, meins!“, raunte Lukas.

      „Du hättest dir ruhig das Süße holen können, salzig ist voll widerlich!“ Marina verzog den Mund.

      „Damit DU