Ryloven. Manuel Tschmelak

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Название Ryloven
Автор произведения Manuel Tschmelak
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991076872



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      „Und was werden wir dort machen?“, fragte Keron und gab den Dolch an Sir Nicolas zurück.

      „Ich muss meinen Orden kontaktieren, um mehr herauszufinden. Außerdem ist es wichtig, dem König mitzuteilen, dass ein Nah’rane gesehen wurde. Aber primär werden wir uns um eure Ausbildung kümmern.“

      „Warum ist die Information eines gesehenen Nah’ranen so wichtig?“, wollte Will wissen.

      „Weil man, wie ich bereits sagte, dachte, dass es überhaupt keine mehr von ihnen gibt und es sicher nichts Gutes zu bedeuten hat, wenn sie wieder aktiv werden. Genug von der Rederei. Geht schlafen. Ich übernehme die Wache.“

      Erst jetzt bemerkte Keron, wie müde er eigentlich war. Ihn interessierte zwar noch, warum man die Nah’rane für tot gehalten hatte, aber Sir Nicolas hatte ziemlich klar gemacht, dass er keine weiteren Fragen beantworten würde. Deshalb schlüpfte er in sein Zelt und versuchte einzuschlafen. Es war nicht leicht mit all den neuen Dingen, die ihm durch den Kopf gingen. Er lag noch länger wach und hörte dem Gesang der Vögel zu, der immer wieder durch die Schnarchgeräusche von Will unterbrochen wurde, bis ihn seine Müdichkeit schließlich übermannte. Er schlief schlecht, denn Kerons Träume waren voller Monster und verschwommener Bilder, die ihn beunruhigten.

      Als er schließlich geweckt wurde und missmutig sein kleines Zelt wieder abbaute, war er kaum erholt. Seine Träume waren eine Folter für ihn gewesen. Wenn sie nicht gerade vom blutenden Leichnam Sir Francis handelten, rannte er um sein Leben, weil Gestalten, die er nicht genau sehen konnte, versuchten ihn umzubringen. Am späten Nachmittag erblickten die drei ein Dorf in der Ferne. Kurz bevor sie es erreichten, hatte Nicolas ihnen befohlen anzuhalten. Sie stiegen von ihren Pferden und führten sie ein wenig weg von der Straße. „Ich werde ins Dorf gehen und ein paar Sachen einkaufen, die wir noch benötigen, und ihr bleibt hier und wartet“, verkündete Sir Nicolas.

      „Warum können wir nicht mitgehen?“, fragte Will.

      „Weil ich nicht will, dass wir zusammen gesehen werden, falls jemand versucht uns aufzuspüren“, antwortete er und ließ es so klingen, als hätte Will sich das eigentlich auch selber denken können.

      Nachdem Sir Nicolas gegangen war, sprachen Will und Keron mit gedämpfter Stimme darüber, was sie von Sir Nicolas über die Nah’rane erfahren hatten. Aber da sie nicht sehr viel wussten, drehten sie sich mit ihren Spekulationen nur im Kreis und ließen das Thema schließlich ruhen. Es breitete sich eine Stille zwischen ihnen aus, keine unangenehme Stille, wie sie entstand, wenn man nicht wusste, was man sagen sollte. Nein, sie lagen einfach neben einander im Gras und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Es fühlte sich für Keron an, als ob es Stunden gedauert hätte, bis Sir Nicolas mit einem großen Sack auf dem Rücken wieder zurückkam. In Wirklichkeit konnte es allerdings auch nur eine Stunde oder sogar weniger gewesen sein.

      Nachdem Sir Nicolas den zusätzlichen Proviant bei seinem restlichen Gepäck verstaut hatte, setzten sie ihre Reise fort. Sie ließen das Dorf hinter sich und als sie sicher waren, dass man sie nicht mehr sehen konnte, verließen sie die Straße und folgten einem kleinen Feldweg, der gerade breit genug für ein Pferd war. Dieses Mal ritten sie nicht die ganze Nacht hindurch, sondern schlugen ihr Lager auf einer kleinen Lichtung auf, die sich einige Meter vom Weg entfernt befand. Gleich nachdem die drei ihr Nachtlager errichtet hatten, wünschte Keron ihnen eine gute Nacht und legte sich hundemüde in sein Zelt. Die Ereignisse der letzten Tage zehrten an ihm.

      Als Sir Nicolas ihn weckte, war es früh am Morgen und die Sonne noch nicht zur Gänze aufgegangen. Der unruhige Schlaf hatte ihn nur wenig erfrischt. Er setzte sich neben Will, der schon länger wach vor dem Feuer saß. Dankend nahm er ein Stück Brot und Käse an, die Nicolas ihm reichte. Nachdem sie alle etwas in den Magen bekommen hatten, machten sie sich daran, ihr Lager wieder abzubauen. Während Will und Keron damit begannen ihre Zelte behutsam auseinander zu nehmen, löschte Sir Nicolas das Feuer und machte sich dann selbst auf den Weg zu seinem Zelt. Keron fragte sich, ob Sir Nicolas überhaupt geschlafen hatte. Ihre Zelte abzubauen und zusammenzupacken erschien Keron viel einfacher, als das Aufbauen am Vortag. Seine Finger waren klamm gewesen und sein ganzer Körper hatte vom langen Reiten geschmerzt. Doch nun, da er sich nach dem Frühstück etwas besser fühlte, ging die Arbeit leichter von der Hand. Sie verstauten ihr Gepäck wieder in den Satteltaschen ihrer Pferde und ritten los. Immer in Richtung Norden.

      Will und Keron versuchten ihre Reise angenehmer zu gestalten, in dem sie sich über dieses und jenes Thema unterhielten. Sie stellten sich vor, wie es wohl so war, einem Nah’ranen im Kampf gegenüber zu stehen. Aber auch ihre bevorstehende Ausbildung war ein beliebtes Thema, das sie immer wieder diskutierten. Sie ritten immer sehr früh am Morgen los und hielten nur für eine Stunde an, wenn die Sonne am höchsten stand, damit sich ihre Pferde etwas ausruhen konnten. Ansonsten blieben sie kaum stehen. Außer bei den seltenen Gelegenheiten, wenn Sir Nicolas ihren Weg mit dem auf seiner Karte verglich. Keron fiel auf, das sie nie auf großen Straßen unterwegs waren. Die meiste Zeit ritten sie auf kleinen Wald- und Wiesenwegen, was natürlich dazu führte, dass sie kaum anderen Menschen begegneten.

      Vier lange Tage ritten sie hintereinander her, bis sie ihr Ziel endlich erreicht hatten. Neben einem kleinen Weiher stand eine alte Holzhütte. Keron vermutete, dass sie früher als Jagdhütte benutzt worden war, allerdings sah es nicht danach aus, als wäre jemand vor kurzem hier gewesen. Das komplett aus Holz errichtete Gebäude war zwar nicht besonders heruntergekommen, allerdings begannen einige Pflanzen bereits damit, sich ihren Weg die Außenwände hinauf zu bahnen. Auch das Innere der Hütte sprach dafür, dass schon einige Zeit niemand mehr hier gewesen war. Alles war verstaubt und verdreckt. Aber sie schien allgemein noch in einem soliden Grundzustand zu sein. Vor der Eingangstüre befand sich eine Holzveranda und im Inneren bestand die Holzhütte hauptsächlich aus einem größeren Raum, in dem sich ein Tisch mit vier Stühlen, eine Feuerstelle, die als einzige komplett aus Stein war, ein Kasten mit Töpfen und Holzschalen darin und ein alter Besen, der verlassen in einer Ecke lehnte, befanden.

      Durch den Hauptraum gelangte man zu zwei weiteren, viel kleineren Räumen. Beide waren so klein, dass darin gerade genug Platz für zwei Betten war. Keron hätte sich einen gemütlicheren Unterschlupf gewünscht, doch wenigstens hatte der letzte Bewohner für genügend Feuerholz gesorgt. Und an der Rückseite der Hütte fanden sie sogar einen beträchtlichen Vorrat an Heu für ihre Pferde. Will und Keron bekamen das eine Zimmer und Sir Nicolas trug seine Sachen in das andere. Kaum hatten sie ihre Sachen verstaut, teilte Nicolas ihnen schon weitere Aufgaben zu. Will sollte sich um die Pferde kümmern und Keron schnappte sich, wie befohlen, den Besen und versuchte die Zimmer so gut er konnte vom Staub zu befreien Es war mehr Arbeit, als er zu Beginn gedacht hatte. Doch als Will mit den Pferden fertig war, nahm er einen anderen Besen zur Hand, den er hinter dem Haus gefunden hatte, und half seinem Freund. Während die zwei sich abrackerten, holte Nicolas Holz und begann in einem der großen Töpfe einen Eintopf zu kochen. Schon bald war die ganze Hütte vom leckeren Geruch des Essens erfüllt, was Kerons Arbeit nicht gerade erleichterte, weil ihm bereits das Wasser im Munde zusammenlief. Doch nachdem die beiden schließlich auch mit der Veranda fertig waren, rief Nicolas sie hinein, um den köstlichen Eintopf zu verspeisen, den er zubereitet hatte. Keron und Will setzten sich an den Tisch und begannen ihr Mahl aus den Holzschüsseln zu essen, die Sir Nicolas zuvor mit Wasser aus dem Weiher gesäubert hatte. Sie genossen das Essen so sehr, dass keiner von ihnen etwas sagte. Sie saßen nur stumm am Tisch und löffelten sich die deftige Brühe eifrig in den Mund. Die Tatsache, dass die beiden einmal nicht unaufhörlich miteinander redeten, entlockte Sir Nicolas sogar ein kleines Lächeln, was die zwei aber nicht bemerkten, da sie in diesem Moment nur Augen für ihr Essen hatten.

      Ein unangenehmes Treffen

      Schnell, aber doch unauffällig, ging Dalion durch die schmalen Gassen von Edion. Er blickte nach rechts und erkannte den schattenhaften Umriss der Burg des örtlichen Grafen im Mondschein. Im Zentrum der Stadt waren die Straßen breiter und die Häuser größer und prachtvoller. Hier allerdings, an der Grenze im Westen, lebten nur Abschaum und Gesindel. In dieser Gegend hatte man kaum Probleme mit den Stadtwachen und selbst wenn einmal ein Hüter des Gesetzes zu neugierig wurde, musste man nur wissen, in welche Tasche das Geld zu fließen hatte. Denn die meisten