Ryloven. Manuel Tschmelak

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Название Ryloven
Автор произведения Manuel Tschmelak
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991076872



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hatte, was keine besonders gute Idee war.

      Ihr Anführer funkelte ihn etwas gereizt an. Dann räusperte er sich und fuhr fort: „Das ist Sleycer. Wir haben ihn als Berater des Königs von Almon eingeschleust, um den König …“, er machte eine Pause, als suche er nach dem richtigen Wort, „ … sagen wir, für unsere Sache zu gewinnen. Aber vielleicht solltest du selber berichten, Sleycer.“

      Der Mann nahm seine Kapuze ab und begann zu sprechen. Jetzt ohne Kapuze konnte Dalion ihn genauer sehen. Der Mann hatte ein schmales Gesicht und eine lange, kantige Nase. Doch das Merkmal, das am meisten hervorstach, waren seine dunkelroten Haare. Diese Haarfarbe war nämlich in Ryloven äußerst selten. Dalion bemerkte schließlich, dass er Sleycer überhaupt nicht zugehört hatte und konzentrierte sich darauf, was der Mann zu sagen hatte.

      „ … schwer den König zu beeinflussen. Er ist alt und hält an Traditionen und alten Bündnissen fest. Aber der Kronprinz ist ein wilder Mann und er hat den Drang, sich zu beweisen. Ich glaube, dass er unserer Sache besser dienen würde als sein Vater.“ Sleycer machte noch mehrere Ausführungen über die Lage des Königshofes und die Truppenstärke von Almon, was Dalion nicht wirklich interessierte.

      Als Sleycer seinen Bericht vollendet hatte, wurde Dalion von Aroc aufgefordert zu erzählen, was er herausgefunden hatte. Dalion berichtete von den Grenztruppen und deren Abwehrkräften, die im Falle eines Angriffes von Almon kampfbereit sein würden, und von möglichen Verbündeten sowie Unstimmigkeiten am Königshof von Ryloven, die sie ausnutzen könnten.

      Nach Dalion war Odrak an der Reihe und gab seinen Bericht ab. Während er erzählte, warf er Dalion immer wieder giftige Blicke zu, in Erwartung er würde etwas einwenden und so Odrak die Gelegenheit geben, ihren Streit endgültig zu beenden. Doch Dalion auf der anderen Seite des Tisches tat so, als würde er Odraks Blicke überhaupt nicht sehen und hörte ihm weiterhin ganz geduldig zu.

      Die Gespräche zogen sich bis tief in die Nacht. Sie saßen mehrere Stunden an diesem Tisch und wurden nur zeitweise vom Wirt gestört, der neue Getränke und etwas zu essen brachte. Die verstörte junge Frau, die Dalion gesehen hatte, war anscheinend wirklich die Tochter des Wirtes gewesen und hatte ihm erzählt, was passiert war, denn der Mann warf Odrak stets böse Blicke zu. Außerdem vermutete Dalion, dass der Wirt die Preise für sie etwas erhöht hatte. Es war nicht so schlimm, dass man es sofort bemerkt hätte, aber es wurde Dalion klar, dass er sie für die Frechheiten seiner Tochter gegenüber bezahlen ließ. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Dalion hätte sich gerne bei ihm und seiner Tochter entschuldigt, aber der Wirt verschwand immer, so schnell er konnte, und seine Tochter bekamen sie in dieser Nacht überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Das war vermutlich besser für sie.

      Nachdem alle mit ihren Berichten geendet hatten, erklärte Aroc den weiteren Verlauf ihres Planes: „Na gut. Wir werden unseren Plan nach den neuersten Entwicklungen etwas ändern. Dass Nicolas den Jungen beschützt und Odrak gescheitert ist, ist zwar bedauerlich, allerdings wird die Sichtung eines einzigen Nah’ranen den König kaum dazu bewegen seine Truppen zu sammeln.

      Allerdings, betonte er und hob mahnend einen Finger, sollten wir ab jetzt noch vorsichtiger agieren. Odrak, du wirst in unser Lager zurückkehren und unauffällig neue Söldner rekrutieren. Dalion wird versuchen den Jungen zu finden und ich selbst werde mit Sleycer nach Almon reisen, um mir den Thronfolger einmal mit eigenen Augen anzusehen. Wenn ihr nichts anderes hört, treffen wir uns zum vereinbarten Zeitpunkt wieder im Lager. Meine Herren, wir werden unsere Rache am König von Ryloven bekommen.“

      Alle vier Männer erhoben sich gemeinsam von ihren Stühlen. Odrak verließ den Raum als erstes und warf Dalion noch einen bösen Blick zu. Sleycer ging ebenfalls, um die Pferde für sich und Aroc vorzubereiten. Aber Aroc selbst machte keine Anstalten den Raum zu verlassen, sondern ging mit hinter dem Rücken verschränkten Armen zu einem der Fenster und blickte in die Finsternis der Stadt dahinter. Wenige Augenblicke später stellte sich Dalion neben ihn und blickte ebenfalls nach draußen auf die dunkle Straße. Sie standen einige Minuten einfach schweigend nebeneinander, bis Aroc zu sprechen begann:

      „Dalion, der König wird nicht auf der Hut sein, Nicolas jedoch schon. Möglicherweise weiß er nicht, warum ein Nah’rane ihn angegriffen hat und vielleicht ist er sogar nur zufällig mit dem Jungen unterwegs. Ich glaube nicht, dass er weiß, wer ihm da in die Hände gefallen ist. Wahrscheinlich weiß es der Junge nicht einmal selber, aber Nicolas wird jetzt bestimmt aufmerksam sein, Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und Nachforschungen anstellen.“

      „Wo soll ich mit der Suche nach ihnen beginnen?“

      „Irilias Informationen zufolge hat Nicolas eine Nachricht von einem Nah’ranenangriff hinterlassen, was eine Verdoppelung der diensthabenden Stadtwachen nach sich zog. Allerdings ist er selber nicht dort geblieben, sondern ist in Begleitung des Jungen nach Norden gereist. Die Reichsschützen haben einen großen Einfluss beim König und werden versuchen ihn von einer drohenden Gefahr zu überzeugen. Aber auch wir haben einigen Einfluss im Reichsrat. Mehr Wachen bedeutet mehr Kontrollen an den Grenzen, was wiederum mehr Unannehmlichkeiten für die Handelsgilden bedeutet. Die Macht des Königs ist in Zeiten des Friedens nicht mehr so allumfassend wie früher. Er wird nicht riskieren die Handelsgilden aufgrund von Gerüchten über einen längst vergessenen Orden zu lange zu verärgern. Denn er kann es sich nicht leisten, ihr Gold zu verlieren. Im Krieg haben der König und seine Armee die Macht, doch im Frieden regiert das Geld das Reich. Gehe zunächst nach Reduna und triff Irilia. Sie weiß bestimmt mehr über den Aufenthaltsort des Jungen.“

      „Gut, ich werde gleich morgen früh aufbrechen“, sagte Dalion und wollte das Zimmer verlassen.

      Er hatte schon die Türklinke in der Hand, als Aroc noch etwas zu ihm sagte, ohne sich dabei zu ihm umzudrehen: „Warte noch. Wenn du den Jungen findest, unternimm nichts auf eigene Faust, sondern erstatte mir zuerst Bericht.“

      „Wohin soll ich die Nachricht denn schicken, wenn Ihr in Almon seid?“, fragte Dalion.

      „Schicke sie einfach in unser Hauptquartier. Wenn ich wieder zurück bin, werde ich dort sein und wenn nicht, dann werde ich Odrak beauftragen dir genügend Truppen zu schicken, die dir helfen werden.“

      „Verstanden“, antwortete Dalion knapp und ließ Aroc alleine im Zimmer zurück. Er schritt durch den Flur zurück zur Treppe und dann schnell hinunter. Dalion blieb nicht, um noch etwas im Schankraum zu trinken. Am Fuße der Treppe setzte er seine Kapuze wieder auf und verschwand wie ein Schatten hinaus aus der Hintertür und hinein in die Finsternis der Nacht. Dalion ging, so schnell er konnte, ohne dabei Aufmerksamkeit zu erregen, durch die Straßen. Erst jetzt, als er sich von dem Gasthof entfernte, merkte er, wie angespannt er die ganze Nacht gewesen war. Dalion wollte einfach nur noch weg, weg von dem Gasthof und weg von den Leuten dort. Als er gerade um eine Ecke bog, dachte er etwas aus seinem Augenwinkel zu sehen und drehte sich um, aber in der leeren Gasse hinter ihm war niemand. Dalion ging einfach weiter und vermutete, dass ihm seine Sinne einen Streich gespielt hatten. Allerdings hatte er zwei Gassen weiter erneut so ein merkwürdiges Gefühl. Sein Herz schlug nun schneller, denn er befürchtete, dass Odrak vielleicht jemanden auf ihn angesetzt hatte. Doch als er sich erneut umdrehte, konnte er wieder niemanden entdecken, der ihn verfolgte.

      Nachdem er sich, seiner Meinung nach, weit genug vom Gasthof entfernt hatte und er sich nicht mehr beobachtet fühlte, lehnte er sich erschöpft und schwer atmend gegen eine Hausmauer in einem kleinen Hinterhof und gab seine verbesserten Sinne auf. Es wurde immer dunkler vor seinen Augen und umso dunkler es wurde, umso müder wurde auch Dalion. Es hatte ihn viel Kraft gekostet, sein inneres Feuer so lange zu benutzen. Dalion wusste nicht, wie lange er an die Hausmauer gelehnt am Boden saß. Er saß einfach nur im Gras des kleinen Hofes und versuchte sich über einige Dinge klar zu werden. In letzter Zeit tat er das öfters und er merkte, dass es ihm half. Er dachte an sich, an die Nah’rane, an das, was aus ihm geworden war, was er als Kind einmal machen wollte und an seine Eltern. Dalion konnte es nicht vergessen, er wollte es nicht vergessen. Ihn interessierte keine Revolution, nicht wirklich. Er war nur ein Mitglied der Nah’rane geworden, um es zu erfahren, um die Wahrheit zu erfahren. Doch bis dorthin würde er alles tun, was nötig war, und wenn er dazu diesen Jungen finden musste, würde er auch das tun. „Ich bin viel zu nahe an meinem Ziel, um jetzt aufzugeben. Ich