Ryloven. Manuel Tschmelak

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Название Ryloven
Автор произведения Manuel Tschmelak
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991076872



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auf und machte sich auf den Weg ins Zentrum der Stadt, wo der Gasthof lag, in dem er sich ein Zimmer gemietet hatte. Dalion wechselte nun auf die Hauptstraße, um schneller voranzukommen. Die Grenze zwischen dem Viertel, in dem er sich befand, und dem Zentrum der Stadt, in dem die reichere Bevölkerungsschicht lebte, bildete ein Fluss. Als Dalion die große Steinbrücke gerade überqueren wollte, blieb er kurz stehen und blickte über den Rand der Brücke ins dunkle Wasser. Für einen Moment konnte er bei dem Anblick des fließenden Wassers im Mondlicht alle seine Sorgen vergessen. In den breiten Straßen im zentralen Bezirk war so spät so gut wie niemand mehr auf den Beinen. Dalion betrat den leeren Schankraum, nickte dem Wirt, der hinter dem Tresen stand und Gläser polierte, höflich zu, lehnte ein Glas Wein ab und ging dann auf sein Zimmer. Dort angelangt, legte er sich gleich in sein Bett, weil er wusste, dass er am nächsten Tag einen langen und anstrengenden Ritt vor sich haben würde.

      Im Norden des Reiches lebten nur wenige Leute, also würden Neuankömmlinge sofort auffallen, aber Dalion bezweifelte nach allem, was er über Nicolas gehört hatte, dass sie sich einfach in einem Dorf niedergelassen hatten. „Vermutlich sind sie in den Wald geritten, um sich dort im Schutz der Bäume zu verstecken. Die Wälder sind riesig und nach mehreren Tagen würde es ausgesprochen schwierig werden noch Spuren zu entdecken. Es gibt im Wald zwar genug Tiere, die man jagen und essen könnte, doch für andere Dinge, wie Brot oder Gemüse müssten sie in ein Dorf gehen. Vielleicht habe ich ja Glück und jemand kann sich an sie erinnern.“ Dalion schloss seine müden Augen und fasste den Entschluss, sich morgen darüber Sorgen zu machen, wie er sie finden sollte. Er würde nicht aufgeben, bis er den Jungen gefunden hatte.

      Training, Training, Training

      Als Keron aufwachte, befand er sich alleine im Zimmer. Schnell zog er sich an und öffnete die Tür zum Hauptraum der Hütte. Doch auch dort war niemand und plötzlich kamen ihm wieder die Geschehnisse der letzten Tage ins Bewusstsein. Erschrocken stürzte Keron aus der Tür auf die Veranda und blickte sich nach einem Feind um, konnte aber niemanden entdecken.

      „Guten Morgen“, sagte Sir Nicolas, der lässig rechts neben ihm auf der Veranda saß und Pfeife rauchte. „Was ist denn mit dir passiert, dass du hier so aufgeschreckt aus der Hütte rennst?“, fragte er und hob eine Augenbraue.

      Keron, der vor Aufregung an ihm vorbeigerannt war, machte einen erschrockenen Satz nach hinten und hob die Arme kampfbereit. Als er jedoch sah, dass es nur Nicolas war, ließ er sie wieder sinken und atmete erleichtert aus. Im Versuch, noch etwas Würde zu bewahren, versuchte Keron ihm so unbekümmert wie möglich zu antworten. „Ach, es ist nicht der Rede wert.“

      Sir Nicolas reagierte nicht auf diese Antwort, sondern gab nur ein amüsiertes Schnaufen von sich und blies einen Ring aus Rauch in die Luft. Keron bemerkte, dass sein Gesicht heiß wurde und versuchte diese Peinlichkeit zu vertuschen, indem er das Gespräch in eine andere Richtung lenkte. „Wo ist denn Will eigentlich?“

      „Er hat gemeint, es sei viel zu langweilig zu warten, bis du aufwachst. Also ist er losgezogen, um den Wald zu erkunden.“ Kerons Besorgnis wuchs erneut, was Sir Nicolas nicht entgangen war. Er musterte seinen neuen Lehrling eingehend und zog an seiner Pfeife. „Keine Sorge, der Bengel kann schon selber auf sich aufpassen. Komm, setz dich zu mir. Wir haben uns noch gar nicht richtig unterhalten, seit du bei mir bist. Kein Wunder bei allem, was passiert ist.“

      Keron setzte sich ihm gegenüber und wartete gespannt darauf, was Sir Nicolas mit ihm bereden wollte. Sein neuer Meister sagte zuerst gar nichts, sondern rauchte nur ganz genüsslich seine Pfeife und sah Keron an, dem langsam etwas unbehaglich unter seinem Blick wurde. Er verspürte den Drang, die Stille zu unterbrechen, aber gerade als er etwas sagen wollte, hob Sir Nicolas seine Hand, um ihm Einhalt zu gebieten. Keron schloss seinen Mund wieder und sagte nichts. „Ich wollte mit dir darüber sprechen, was mit Francis passiert ist“, sagte Sir Nicolas. Keron wich seinem Blick aus. Er hatte befürchtet, dass sie darüber reden würden. Der Name seines alten Meisters versetzte ihm einen Stich im Herzen und er entschied sich dazu, vorerst nichts zu sagen. „Er war ein alter Freund von mir. Es tut mir sehr leid, was mit ihm passiert ist, aber es ist bezeichnend für ihn. Streit, Brutalität und Unmoralität waren ihm ein Gräuel und er wollte möglichst alles mit Vernunft zum Guten wenden“, sagte Sir Nicolas und nun lächelte er. Kerons Kehle hatte sich bei der Erinnerung an Sir Francis zusammengeschnürt und er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Kurze Zeit sagten beide gar nichts und waren in ihre eigenen Gedanken versunken. „Bevor ich es vergesse, ich habe noch etwas für dich“, erinnerte sich Sir Nicolas plötzlich und holte Keron damit wieder in die Gegenwart zurück.

      Verwundert, was es wohl sein könnte, sah Keron zu, wie Sir Nicolas aufstand, in die Hütte ging und wenige Minuten später mit einem Blatt Papier wieder herauskam. Er setzte sich wieder hin und hielt Keron das Blatt vor die Nase. Keron nahm es und merkte, dass der Brief nicht an ihn, sondern an Nicolas adressiert war. Er wollte ihm den Brief schon zurückgeben, doch Sir Nicolas schüttelte den Kopf und sagte: „Lies.“ Keron tat, wie ihm geheißen und entfaltete das Stück Papier.

      Mein alter Freund Nicolas,

      Ich hoffe, du erfreust dich bester Gesundheit. Ich schreibe dir diesen Brief, weil ich dich um einen Gefallen bitten möchte. Ich habe schon seit längerem einen neuen Lehrling namens Keron Adrin. Er ist sehr wissbegierig und lernt alles, was ich ihm beibringe, sehr schnell. Vielleicht ein wenig zu schnell, wenn ich es recht bedenke, und das ist genau der Grund, warum ich dir diesen Brief schreibe.

      Kurz und gut, ich möchte, dass du ihn unter deine Fittiche nimmst. So ein Talent sollte nicht verschwendet werden und ich glaube, dass du ihm mehr beibringen kannst als ich. Außerdem werde ich schon langsam etwas zu alt, um nervigen Energiebündeln wie ihm etwas beizubringen. Ich habe vollstes Vertrauen zu diesem Jungen, dass er dich nicht enttäuschen wird.

      Ich komme in einem Monat in dringenden Angelegenheiten nach Reduna und ich hoffe, dass du dort vielleicht einen Blick auf den Jungen werfen könntest. Er ist etwas ganz Besonderes, du wirst sehen.

      In freudiger Erwartung dich bald zu sehen,

      dein Freund Francis

      Keron standen Tränen in den Augen, als er den Brief zu Ende gelesen hatte. Zu lesen, wie Sir Francis über ihn dachte, bedeutete sehr viel für ihn. Er las den Brief erneut und wollte ihn Sir Nicolas wieder zurückgeben.

      „Behalte ihn nur. Er gehört dir“, sagte er und machte keine Anstalten den Brief entgegenzunehmen.

      Nachdem Keron sich beruhigt hatte, wandte er sich wieder Sir Nicolas zu. „Also war es sein Wunsch, dass Ihr mich unterweisen würdet? Mir hatte er nie etwas von diesem Plan erzählt.“

      „Das hatte ich auch nicht erwartet“, antwortete Nicolas mir einem Lächeln, als hätte Keron ihm eine Frage gestellt. „Wie ich dir schon bei unserer ersten Begegnung gesagt habe, werde ich dich lehren und dir so viel beibringen, wie ich kann, aber es wird nicht leicht und du musst meine Anweisungen genau befolgen. Ob du so talentiert bist, wie Francis es vorausgesagt hatte, wird sich noch zeigen müssen, doch ich glaube, du bist vielleicht genau der Richtige, der Will anspornen kann, das Training etwas ernster zu nehmen. Wir werden sehen. Aber eins ist gewiss, ich muss dir sicher nicht sagen, was für ein Glück du hast, von Nicolas von den Reichsschützen zu lernen“, fügte er hinzu und Keron wusste nicht, ob er es sarkastisch oder ernst meinte, also beschränkte er seine Reaktion auf ein entschlossenes Nicken. „Na gut. Da Will immer noch nicht zurück ist, lass uns einen kleinen Spaziergang machen.“

      Daraufhin stand Sir Nicolas auf und Keron folgte ihm. Einige Zeit gingen sie nur nebeneinander her, bis Nicolas ihn etwas fragte: „Was weißt du über mich, außer, dass ich zu den Reichsschützen gehöre?“

      Keron überlegte kurz und erzählt dann, was er wusste: „Ihr seid ein Kriegsheld und habt an der Seite des Königs gekämpft.“ Sir Nicolas nickte und Keron fuhr fort. „Außerdem gibt es viele Gerüchte, die eure Person betreffen.“ Er machte eine kurze Pause, als wüsste er nicht so recht, ob er seinen Gedanken zu Ende führen sollte. „Allerdings muss ich sagen, dass mir einige von ihnen eher unglaubwürdig erscheinen.“

      „So? Was erzählt man sich denn über mich,