Ryloven. Manuel Tschmelak

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Название Ryloven
Автор произведения Manuel Tschmelak
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991076872



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und blieb an ihrem Ende stehen. Dalion war zwar beschrieben worden, wo sich dieses Wirtshaus befand, allerdings wurde ihm in seiner Einladung nicht gesagt, in welches Zimmer er gehen musste. Kurz erwog er den Gedanken, noch einmal nach unten zu gehen und den Wirt nach dem richtigen Zimmer zu fragen. Doch dann verwarf er diese Möglichkeit und konzentrierte sich stärker auf sein verbessertes Gehör. Es war schwierig die richtigen Stimmen aus all dem Lärm herauszusuchen, aber Dalion machte das nicht zum ersten Mal. Zuerst unterdrückte er alle Geräusche, die vom unteren Teil des Gasthofes zu ihm heraufdrangen, und es wurde gleich ruhiger in seinem Kopf. Danach konzentrierte er sich auf die Stimmen im ersten Stock. In zwei Räumen hörte er Menschen schnarchen und in einem anderen vernahm er drei Männer, die miteinander scherzten. Diese Geräusche blendete er ebenfalls aus und suchte weiter. Nach wenigen Minuten hörte er plötzlich ein unverkennbares Lachen und wendete sich nach links. Dalion war durchaus etwas stolz auf sich, denn es brauchte einige Konzentration und Willensstärke, bestimmte Geräusche und Stimmen auszublenden. Er kannte sonst niemanden, von dem er sicher wusste, dass er über dieselbe Fähigkeit verfügte. Allerdings vermutete er sie bei mehreren. Dalion hörte damit auf, sich auf sein Gehör zu konzentrieren, behielt aber erneut seine geschärften Sinne. „Niemals werde ich diesen Leuten unvorsichtig und schutzlos gegenübertreten.“

      Er ging den Gang entlang und setzte seine Füße vorsichtig auf den Boden, wie er es immer tat. Dalion hatte schon früh gelernt, dass es ein Vorteil war, wenn man sich leise und fast unbemerkt bewegen konnte. Außerdem war es seiner Meinung nach so leichter unschuldige Opfer, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren, zu vermeiden. Dalion hasste das Töten eigentlich. Nach all den Jahren empfand er es immer noch als Verschwendung. Natürlich hatten ihn diese Gedanken niemals zögern lassen, wenn es darauf ankam. Trotzdem war es jedes Mal eine kleine Genugtuung für ihn, wenn er unnötiges Töten vermeiden konnte. Vor der letzten Tür des Ganges blieb er stehen. Dalion versuchte einen ausgeglichenen Gesichtsausdruck anzunehmen, aber es gelang ihm nicht so richtig. Mit einem Schulterzucken öffnete er die Tür. Das Licht im Zimmer blendete seine geschärften Augen und er musste sich erst ein paar Sekunden daran gewöhnen. Der Raum war nicht besonders groß, doch da er sich an der Ecke des Hauses befand, hatte er zwei Fenster, aus denen man die Straße sehen konnte. In der Mitte des Zimmers saßen drei Männer um einen runden Tisch. Sie alle waren in die gleiche Art schwarzen Mantel gehüllt, von denen auch er selbst einen trug. Als Dalion die Tür öffnete und eintrat, verstummten sie und blickten zur Tür. Keiner der drei machte Anstalten ihn zu begrüßen, daher setzte er sich einfach auf einen der zwei leeren Stühle, die der Tür am nächsten waren.

      Nachdem er Platz genommen hatte, streifte er die Kapuze seines Mantels vom Kopf und schaute die drei nacheinander an. Der rechte Mann war größer als er selbst und die anderen zwei. Er hatte breite, muskulöse Schultern, ein geschwungenes Tattoo unter dem linken Auge und kurze schwarze Haare. Dalion kannte ihn. Sein Name war Odrak. Er war ein Mann, der es liebte, wenn eine Sache schmutzig wurde, und im Gegensatz zu Dalion war es Odrak egal, wie viele Leute er erledigen musste. Er war nicht gerade der Gerissenste, aber er war vor allem für seine beeindruckende Stärke bekannt, die sich mit seiner Wut sogar noch steigerte. Der mittlere Mann war etwas kleiner als Odrak und von der Statur her bei weitem nicht so muskulös. Dalion konnte das Gesicht dieses Mannes nicht sehen, weil ein Großteil davon vom Schatten seiner Kapuze verdeckt wurde, die er immer noch auf dem Kopf hatte. Allerdings war Dalion sich ziemlich sicher, dass er diesen Mann noch nicht kennengelernt hatte. Der letzte der drei Männer war schon etwas älter, aber als Dalion ihm in seine dunklen, schwarzen, starren Augen sah, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Diesen Mann kannte Dalion natürlich, obwohl er nicht viel über ihn wusste, wie er sich eingestehen musste. Vor längerer Zeit hatte Dalion versucht mehr über diesen Mann in Erfahrung zu bringen, jedoch gestaltete es sich als äußerst schwierig und irgendwann hatte er es dann einfach aufgegeben. Der Mann nannte sich selber Aroc und Dalion hatte herausgefunden, dass dieses Wort in der alten Sprache so viel wie Krähe bedeutet. Er hatte während seiner Suche nach Informationen mehrere Geschichten über Aroc gehört, allerdings waren einige davon schon weit vor Dalions Geburt passiert und das konnte einfach nicht sein, denn so alt schaute Aroc gar nicht aus. Daher vermutete Dalion, dass Aroc diese Gerüchte selbst in die Welt gesetzt hatte oder er den Namen von jemandem übernommen hatte, der bereits verstorben war. Dalion glaubte nicht, dass dies sein richtiger Name war, doch er musste zugeben, dass ihm dieser Mann manchmal viel älter vorkam, als er aussah. Aber sicher nicht so alt, wie die Gerüchte es andeuteten. Eines wusste Dalion allerdings mit Bestimmtheit. Aroc war ihr Anführer und ein ausgesprochen gefährlicher Mann.

      Nachdem noch immer niemand der drei etwas gesagt hatte, fing einfach Dalion an. „Ich habe ein verängstigtes Mädchen die Treppe hinunterlaufen gesehen und ich nehme an, dass sie aus diesem Zimmer kam. Oder irre ich mich?“, fügte er mit einem Achselzucken hinzu. In Odraks Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab. „Wusste ich es doch“, dachte Dalion.

      „Ich habe nur einen kleinen Spaß gemacht“, gab Odrak betont gleichgültig zurück, ohne dass das Lächeln in seinem Gesicht verschwunden wäre. „Was kann denn ich dafür, wenn das Mädchen so schreckhaft ist?“ Nun konnte Dalion auch ein Lächeln unter der Kapuze des Fremden sehen.

      Doch bevor Dalion noch etwas sagen konnte ergriff Aroc das Wort: „Wie auch immer. Nun da wir endlich vollzählig sind, können wir ja anfangen.“ Dalion sah ihn verwundert an, blickte auf den leeren Stuhl rechts von ihm und dann wieder zu Aroc. Aroc entging Dalions Blick natürlich nicht und fuhr fort: „Irilia wird nicht kommen, weil sie in der Hauptstadt einen Auftrag zu erledigen hat.“

      „Ach ja. Hattest du nicht auch einen Auftrag dort Odrak? Wie ist es denn so gelaufen?“, Dalion kannte die Antwort auf seine Frage schon. Er hatte auf seiner Reise nach Edion allerlei Geschichten von einem Nah’ranenangriff in der Hauptstadt gehört, aber er wollte es von Odrak persönlich hören. Er hatte versagt. Es war Dalions kleine Revanche dafür, was auch immer Odrak der Tochter des Wirtes angetan hatte. Außerdem war es kein großes Geheimnis, dass Odrak und er sich nicht besonders mochten. Was in Dalions Augen noch eine große Untertreibung war, denn er hasste diesen Kerl.

      Nach Dalions Fragen verschwand Odraks Lächeln sofort. Doch da er keine Anstalten machte zu antworten, fragte Dalion einfach weiter. „Hast du den Jungen denn nun fangen können?“, fragte er und nahm dabei einen Ton an, als wäre es eine allzu leichte Aufgabe gewesen.

      Nun wurde Odrak langsam wütend. „Nein, ich habe den Jungen nicht, verdammt! Er wurde von einem Reichsschützen aufgenommen und ich wollte zuerst den erledigen, bevor ich mich um den Jungen kümmere. Allerdings …“, Odrak verstummte.

      „Was? Willst du mir sagen, der große Odrak wurde nicht mit einem kleinen Reichsschützen fertig?“, stichelte Dalion weiter.

      Odrak schlug mit seinen riesigen Fäusten auf den Tisch und stand auf. Der Fremde zuckte überrascht zusammen, aber Dalion blieb ganz ruhig auf seinem Platz sitzen und gab sich unbeeindruckt, griff dennoch sicherheitshalber zu einem der Dolche unter seinem Mantel, sodass niemand die Klinge sehen konnte. „Nein, das will ich nicht sagen! Du hättest ihn auch nicht so einfach erledigt, klar! Es war nämlich nicht irgendein unerfahrener Frischling der Reichsschützen!“, fügte Odrak zornig hinzu. „Wer hätte denn ahnen können, dass der Junge in Begleitung von Nicolas Tirion reist?“

      Aroc hob verwundert eine Augenbraue, als wäre ihm diese Information neu. „Tja, Nicolas verkompliziert die Sache natürlich“, stellte Dalion in sachlichem Ton fest und wendete sich dann wieder an den vor Wut schnaufenden Odrak. „Aber was ist nun mit dem Jungen? Bist du etwa nicht an ihn herangekommen?“

      Odrak starrte Dalion voller Hass an und Dalion konnte sehen, wie sich Odraks Augenfarbe für kurze Zeit in ein tiefes Rot veränderte. Odrak machte schon den Mund auf, allerdings schnitt Aroc ihm das Wort ab: „Das genügt! Odrak beruhige dich und nimm wieder Platz.“ Unter Arocs strengem Blick setzte sich Odrak wieder hin, aber er versäumte es nicht, Dalion noch einen wütenden Blick zuzuwerfen. Dalion merkte, dass er etwas zu weit gegangen war und dass, ganz egal was Aroc sagte, es für Odrak noch nicht vorbei war.

      Nach wenigen Minuten, in denen niemand etwas sagte, ergriff Aroc erneut das Wort: „Dalion, ich glaube du kennst unseren Mitstreiter noch nicht.“ Er deutete zu dem Mann zu seiner Linken.

      „Ich