Название | Ryloven |
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Автор произведения | Manuel Tschmelak |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991076872 |
Am Nachmittag nahmen sie dann wieder das Training mit den Holzschwertern auf und Keron merkte, dass ihm noch weniger gelang als am Vormittag. Während er bei einem Hieb von oben das Gewicht auf seinen anderen Fuß verlagern wollte, verlor er das Gleichgewicht und stürzte. Außer Atem und am Boden liegend schaute er zu Will hinüber, der einige Meter weit weg von ihm übte. Zu seinem Erstaunen stellte Keron fest, dass Will wirklich schon etwas Ahnung vom Schwertkampf hatte, denn er vollführte die gleiche Übung, bei der er gerade das Gleichgewicht verloren hatte, ohne einmal kurz innehalten zu müssen. Keron war beeindruckt. Vor ein paar Tagen hätte er noch erwartet, dass der Anblick seines Freundes, der eindeutig besser war als er, ihn entmutigen würde. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Er stand wieder auf und begann seine Übungen von neuem.
Immer wieder verbesserte Sir Nicolas sie, wenn sie zum Beispiel auf dem falschen Bein standen oder sie ihr Schwert nicht hoch genug hielten, um ihren Oberkörper zu schützen. Keron verlor noch drei Mal das Gleichgewicht, bis Sir Nicolas sie endlich zum Abendessen rief. Erschöpft, aber doch etwas zufrieden mit sich, weil er nicht aufgegeben hatte, stapfte Keron zur Hütte und setzte sich an den Tisch im Wohnbereich. Das warme Essen in seinem Bauch tat ihm unglaublich gut und seine Laune verbesserte sich schlagartig. Auch Will hatte nach den ersten paar Bissen wieder sein typisches Grinsen im Gesicht. Nachdem Keron seinen Teller bis auf den kleinsten Rest aufgegessen hatte, bedankte er sich bei Sir Nicolas für das Mahl und ging in sein Zimmer. Erschöpft und mit schmerzenden Gliedmaßen ließ er sich ins Bett fallen und fiel, kaum dass er sich hingelegt hatte, in einen tiefen Schlaf.
Als Keron am nächsten Tag die Augen öffnete, war er das erste Mal vor Will wach. Damit er seinen Freund nicht weckte, stand er so leise wie möglich auf und verließ das Zimmer. Fast jede Bewegung schmerzte. Allerdings versuchte er, es zu ignorieren, und trat hinaus ins Sonnenlicht. Keron blickte hoch und versuchte an dem Stand der Sonne herauszufinden, wie früh es wirklich war, und er schätzte, dass die Sonne seit etwa zwei Stunden aufgegangen war. Langsam ging er zum Weiher, um seine Glieder im kalten Wasser zu kühlen und sich zu waschen. Er zog sich sein Hemd über den Kopf und legte es zusammen mit seiner Hose am Ufer ab und stieg dann ins Wasser. Das Wasser war zwar eiskalt, aber es fühlte sich einfach himmlisch auf seinen schmerzenden Gliedern an. Vorsichtig formte er mit seinen Händen eine Schale und träufelte sich etwas Wasser über den Kopf. Nachdem er erfrischt war und seine Muskeln nicht mehr ganz so stark schmerzten, zog er sich wieder an und holte sein Holzschwert, das er auf der Holzveranda am vergangenen Tag liegen gelassen hatte. Einige Meter entfernt von der Hütte begab er sich in seine Grundposition und begann mit einer einfachen Folge von Schwerthieben. Nachdem er sie drei Mal hintereinander ohne für ihn bemerkbaren Fehler geschafft hatte, hielt er inne und blickte zur Hütte. Dort stand Sir Nicolas auf der Veranda und beobachtete ihn. Keron hatte ihn während seiner Übungen überhaupt nicht aus der Hütte kommen sehen. Sir Nicolas winkte ihn zu sich und Keron setzte sich in Bewegung.
„Verausgabe dich nicht zu sehr. Du hast heute noch einen langen und harten Tag vor dir. Komm rein und iss erst einmal etwas, dann machen wir weiter“, sagte er, als Keron nahe genug war, damit er nicht schreien musste.
„Ja, Meister.“
„Ach, sag einfach Nicolas“, sagte er mit Bestimmtheit und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Jetzt, wo ihr endgültig meine Schüler geworden seid und den ersten Schritt in Richtung Reichsschützen gemacht habt, können wir auf diese unnötigen Anreden wie Sir oder Meister verzichten. Wir werden noch eine ganze Weile hier auf engstem Raum zusammenleben und da sind solche Höflichkeiten nicht notwendig“, schloss er mit einem Lächeln und Keron glaubte kurz etwas Väterliches in seiner Stimme entdeckt zu haben. Keron folgte Nicolas ins Haus, in dem Will schon am Tisch saß. Er schaute noch etwas schlaftrunken aus und Keron vermutete, dass Nicolas ihn gerade erst geweckt hatte, denn er blickte ganz und gar nicht glücklich auf den Teller vor ihm.
„Tja, du könntest dir ruhig ein Beispiel an Keron nehmen, der ist schon seit einer Stunde auf und hat auch schon mit den Übungen angefangen“, schlug Nicolas Will vor.
„Wenn er keinen Schlaf braucht, ist das seine Sache“, gab er schnippisch zurück und wies mit dem Kopf in Kerons Richtung. „Ich hingegen laufe nur zur Höchstform auf, wenn ich genug Schlaf bekomme. Und weil wir gerade davon reden, es wäre nicht nötig gewesen mich aus dem Bett zu zerren.“
„Hättest du auf mein Rufen reagiert, wäre das überhaupt nicht nötig gewesen, da hast du recht.“ Keron versuchte sein Lachen zu unterdrücken, was ihm aber nicht besonders gut gelang und erntete deshalb einen bösen Blick von Will.
An diesem Tag begannen sie gleich mit einem Dauerlauf durch den Wald und trainierten erst danach mit dem Schwert. Nicolas zeigte ihnen neue Übungen und Angriffsmöglichkeiten, doch da Keron die vom gestrigen Tag noch nicht gut genug beherrschte, übte er zuerst diese, während Will schon mit den neuen beschäftigt war. Sein schmerzender Körper machte es ihm nicht gerade leichter. Seine steifen Beine und Arme reagierten einfach nicht so schnell, wie Keron es gerne gehabt hätte. Es wurde immer schlimmer. Umso mehr Keron sich anstrengte, umso weniger gelang ihm am Ende, was wiederum seine Laune verdüsterte. Es war ein Teufelskreis. Doch plötzlich wurden seine verärgerten Gedanken durch lautes Fluchen unterbrochen. Keron hielt in seiner Bewegung inne und sah zu Will hinüber, der gerade vom Boden aufstand und sich den Schweiß von der Stirn wischte.
„Gar nicht so leicht, eh?“, fragte ihn Will mit einem Lächeln im Gesicht, bevor er wieder in die Grundhaltung ging. Mit dem Gefühl, dass er nicht der einzige war, der Schwierigkeiten hatte, war es Keron irgendwie gleich wohler und er übte weiter. Zum Ende des Vormittages konnte Keron die ersten Übungen und Bewegungsabfolgen endlich ohne nennenswerte Fehler durchführen und machte sich nach einer kurzen Pause gleich daran, die heutigen Lektionen zu trainieren.
Nach der Mittagspause wollten Will und Keron schon wieder nach draußen gehen und mit ihrem Training weitermachen, als Nicolas sie zurückrief: „Wartet einmal. Wir machen mit etwas anderem weiter.“
Will und Keron setzten sich wieder an den Tisch und warteten, bis Nicolas mit einem Stapel von Papieren zurückkam. Es waren Karten. Karten von Ryloven, die ehemalige Reichsschützen selber angefertigt hatten. Nicolas zeigte ihnen die einzelnen Karten und erklärte ihnen, wo sich strategisch wichtige Punkte befanden oder welche Stellen man am leichtesten verteidigen könnte. Will und Keron hatten die Aufgabe, sich die Karten, so gut es ihnen möglich war, einzuprägen und zu merken. Keron faszinierten diese Karten sehr. Sie enthielten so viele Orte, von denen er überhaupt nicht gewusst hatte, dass es sie gab. Die beiden saßen fast den ganzen Nachmittag über die Karten gebeugt und versuchten sich die einzelnen Namen der Regionen und Städte zu merken. Nach einigen Stunden kam Nicolas wieder zu ihnen und fragte sie nach bestimmten Namen oder bei welchen Orten sie sich gegen mögliche Feinde verteidigen würden. Nach Wills Einschätzung sah ihr Lehrer nicht enttäuscht von ihren Leistungen aus, auch wenn sie viele Fragen noch nicht beantworten konnten.
„Na gut“, sagte Nicolas dann endlich. „Das war für den Anfang gar nicht so schlecht. Ihr werdet morgen weiter die Karten studieren. Es ist besonders wichtig für einen Reichsschützen, dass er sich im Königreich auskennt, falls er einmal losgeschickt wird, um eine Nachricht so schnell wie möglich zu überbringen. Aber jetzt geht bitte hinaus und nutzt die letzten Sonnenstrahlen noch für eure Schwertübungen.“
Ihr Training ging immer so weiter. Am Vormittag machten sie zuerst einen Dauerlauf durch den Wald, der mit der Zeit immer länger wurde. Dann trainierten sie mit dem Schwert bis zur Mittagsstunde, als es am heißesten war. Nach der Pause machten sie