Melea. Alexandra Welbhoff

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Название Melea
Автор произведения Alexandra Welbhoff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903861749



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musste lächeln, als sein Vater ihn so nannte, doch die Laune hielt nicht lange an.

      „Sagte die Königin, wann sie zu Lea möchte?“

      „Nein. Sie wollte noch etwas erledigen und mich dann abholen.“

      Es klopfte an der Tür. Beide sahen erwartungsvoll hin.

      „Herein“, rief Rion und seufzte leise, als Geralt hereinplatzte.

      „Ihr werdet es nicht glauben. Ich habe tatsächlich einen Bruder.“

      Rion musterte Geralt, der sich ebenfalls umgezogen hatte. Er trug ein weißes Hemd, das vorne mit Bändern zugeschnürt war, eine schwarze Lederhose und schwarze Lederstiefel. Seine langen, dunkelblonden Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz

      zusammengebunden.

      „Lass mich raten. Es ist General Halldor.“

      Geralt nickte Celvin grinsend zu.

      „Hat dir Rion davon erzählt?“

      „Nein, es war allerdings nicht schwer, das zu erraten.“

      „Hast du Halldor nie von seinem Doppelgänger erzählt?“, fragte Rion.

      „Sicher habe ich das. Aber Halldor dachte wohl, ich würde ihn auf den Arm nehmen.“

      Celvin drehte sich etwas, sodass er Geralt ansehen konnte, der sich zu ihnen setzte.

      „Wie hat er es denn aufgenommen, dass er nun einen Bruder hat?“

      „Es wird für ihn ebenso seltsam sein wie für mich“, meinte Geralt achselzuckend.

      „Aber sagt mir lieber, ob es Neuigkeiten von Lea gibt. Ist sie mittlerweile erwacht?“

      „Nein, wir warten auf …“

      Rion sprang auf die Füße, als Nalia plötzlich den Raum betrat. Nach einem kurzen Blick zu Celvin, der auf ein Knie ging, tat er es ihm nach. Geralt stand derweil vor seinem Sessel und wunderte sich ein wenig über das amüsierte Funkeln in Nalias Augen, bis Celvin ihm zuraunte: „Du stehst vor der Königin!“

      Hastig kam er zwischen den Sesseln hervor und wollte gerade auf die Knie gehen, als die Königin lächelnd abwinkte.

      „Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal“, meinte sie.

      Dann sprach sie zu Rion und Celvin gewandt.

      „Erhebt Euch!“

      „Ist meine Tochter erwacht?“

      „Nein, leider nicht. Deshalb werde ich gleich versuchen, in ihren Geist vorzudringen.“

      „Haben die Alchimisten etwas herausgefunden, Hoheit?“, fragte Celvin.

      „Bisher habe ich noch keine Rückmeldung erhalten.“

      „Darf ich Euch zu meiner Schwester begleiten?“

      „Schwester?“

      Nalia sah von Celvin zu Rion und wieder zurück.

      „Ich wusste zwar, dass Ihr Verwandtschaft auf Kalmar habt, aber nicht, dass es sich um Rion und Melea handelt. Wieso habt Ihr mir denn nichts gesagt, Hauptmann?“

      „Na ja … immer, wenn ich zu Euch wollte, um mit Euch zu sprechen, wart Ihr unterwegs.“

      Nalia seufzte kopfschüttelnd.

      „Ich wäre auch gerne dabei“, sagte Geralt.

      „Ich brauche absolute Ruhe. Daher werdet Ihr vor der Tür warten müssen. Vielleicht wäre es für Euch angenehmer, hierzubleiben. Es wird einige Zeit dauern.“

      „Ich warte vor Leas Tür“, sagte Rion direkt.

      „So wie ich“, setzte Geralt hinzu.

      „Und ich!“

      Nalia sah die drei der Reihe nach an und nickte.

      „Also dann, meine Herren. Lasst uns gehen!“

      Wenig später stand die Königin an Leas Krankenbett und atmete tief durch.

      „Bitte überanstrengt Euch nicht, Hoheit“, sagte Helimus.

      „Das sagt der Richtige. Ihr seht entsetzlich aus. Sobald ich hier fertig bin, werdet Ihr Euch mindestens einen Tag freinehmen. So, und jetzt setzt Euch und sorgt einfach nur dafür, dass ich nicht gestört werde. Es kann für die junge Frau und mich gefährlich werden, sollte ich aus der Trance gerissen werden.“

      Helimus stellte einen Stuhl direkt neben die Zimmertür und setzte sich.

      „Viel Glück, Eure Hoheit.“

      Nalia atmete noch einmal tief durch und legte dann die Fingerspitzen auf Meleas Schläfen. Sie konzentrierte sich mit geschlossenen Augen auf das zarte Pochen darunter und wisperte in Gedanken Meleas Namen.

      Nalia mochte es nicht, in den Gedanken anderer Menschen zu forschen, aber es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie musste Meleas Geist finden und wollte in den letzten Erinnerungen der jungen Frau forschen, weil sie sich dort wahrscheinlich verfangen hatte.

      Um in die Erinnerungen eines Wesens zu gelangen, musste sie sehr tief in dessen Geist eindringen. Für gewöhnlich benutzte sie dazu ein Geflecht, das einer stark verästelten Wurzel ähnelte. Und jede noch so feine Wurzel war eine Erinnerung. Doch in Meleas Geist gab es ein solches Geflecht nicht.

      Verwundert schaute Nalia einen langen Flur entlang, der sich irgendwo im dämmrigen Licht verlor.

      „Was ist das hier?“

      Zögernd ging sie los, blieb jedoch schon bald wieder stehen und hielt den Atem an. Dabei beobachtete sie verblüfft eine Tür, die sich in der rechten Wand manifestierte.

      Langsam berührte sie das helle Eichenholz und tippte gegen den silbrig leuchtenden Türknauf.

      Sie schaute noch einmal den Flur hinauf, aber es blieb bei dieser einen Tür.

      „Bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als nachzusehen, wohin sie führt“, dachte sie und drehte den Knauf.

      Prompt erlitt sie Atemnot. Panik ergriff Nalia, als sie einen großen Hai erblickte, der auf sie zu schwamm. Zudem überkamen sie heftige Schmerzen in Augen und Schläfen, sodass sie eiligst in den Flur zurück flüchtete. Schwer atmend starrte sie die Tür an, dann ihr triefend nasses Kleid.

      „Bei den Göttern“, wisperte sie.

      Etwas Vergleichbares hatte sie noch nie erlebt. Aber ihr war bewusst, dass sie soeben in einer von Meleas Erinnerungen gewesen war. Rion hatte ihr von der Geschichte mit dem Hai berichtet. Auch Mowanye wusste etwas darüber zu erzählen, da sich Melea ihm anvertraut hatte. Allerdings hätte Nalia diese Erinnerung als Außenstehende sehen müssen und nicht als Melea. Wenn sie in Erinnerungen eintrat, schwebte sie neben der Person. So konnte sie alles beobachten und sogar die Gedanken des anderen auffangen.

      „Das gibt es nicht. Es ist einfach unglaublich“, murmelte sie.

      Als sie aus dem Augenwinkel ein Flackern bemerkte, schaute Nalia nach links. Und starrte eine weitere Tür an, die sich fünf Schritte von ihr entfernt manifestierte.

      „Da bin ich aber mal gespannt.“

      Vorsichtshalber holte Nalia tief Luft, bevor sie die Tür öffnete. Sie fand sich an einem wunderschönen Sandstrand wieder. Sie spürte Wasser und feinen Sand zwischen den Zehen, da Melea durch seichtes Gewässer ging. Und immer wieder schaute sie zu Geralt, der neben ihr herlief.

      „Was ist mit dir? Du bist so schweigsam“, fragte sie ihn schließlich.

      Geralt blieb abrupt stehen, kramte in seinem Beutel, den er am Gürtel trug, und holte etwas heraus. Allerdings hielt er den Gegenstand in seiner geschlossenen Hand, sodass nichts davon zu sehen war.

      „Ich habe auf dem Markt etwas entdeckt und musste direkt an dich denken. Aber jetzt bin ich mir nicht sicher, ob es dir gefällt.“

      Er