Melea. Alexandra Welbhoff

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Название Melea
Автор произведения Alexandra Welbhoff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903861749



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Stiefel.

      „So schlimm sehen die doch gar nicht aus“, dachte er.

      Wenig später wühlte er in den Kleidungsstücken und murmelte erstaunt vor sich hin.

      „Das sind ja alles neue Sachen.“

      Er entschied sich für eine dunkle Lederhose und ein Hemd in der gleichen Farbe. Seine vor Dreck und Blut starrenden Klamotten warf er auf einen Haufen neben das Bett. Dann begab er sich hinter die Abtrennung, wusch sich ausgiebig, und nachdem er sich auch noch rasiert hatte, zog er die neuen Sachen an. Verwundert stellte er fest, dass sie wirklich perfekt passten.

      Die anderen Sachen legte er ordentlich zusammen und verstaute sie im Schrank. Da er jetzt nichts mehr zu tun hatte, begann er damit, im Zimmer auf und ab zu gehen.

      „Hoffentlich kann ihr dieser Heiler helfen“, murmelte er vor sich hin.

      „Und was, wenn nicht?“, schoss es ihm durch den Kopf.

      „Wird die Königin dann wirklich in Leas Geist eindringen? Wie soll das vonstattengehen? Mit Magie? Oh Mann, bloß keine Magie. Ich hasse Magie, sie führt zu nichts Gutem.“

      Am Kamin blieb Rion stehen und schaute zur Tür.

      „Ich halte diese Warterei nicht aus. Ob Geralt schon zurück ist?“

      Er ging zu Geralts Zimmer, doch sein Klopfen blieb ungehört.

      „Verdammt, er ist bestimmt mit seinem Bruder unterwegs. Falls Halldor denn sein Bruder ist.“

      Missmutig kehrte er in sein Zimmer zurück, wo er von Lenas erwartet wurde. Er stand mitten im Raum, schaute ihn ernst an und reichte ihm ein zugeschnürtes Bündel. Rion nahm es entgegen und blickte Lenas verdattert nach, als der zur Tür hinausging.

      „Danke“, rief er ihm nach.

      „Seltsamer Junge“, dachte er und setzte sich auf einen Sessel.

      Dort packte er seine neuen Stiefel aus und bekam große Augen. Solche Stiefel hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht besessen. Sie bestanden aus schwarzem Büffelleder, waren unglaublich weich und passten wie angegossen. Rion ging ein paar Schritte auf und ab und schüttelte verwundert den Kopf.

      „Wie macht der Junge das nur? Nur durch Ansehen eines Menschen zu wissen, welche Kleidung er braucht … unglaublich.“

      Seufzend setzte er sich wieder und hoffte auf weitere Ablenkung, doch die kam nicht. So wurde das Warten zur Tortur.

      8. Mond, im 988. Jahr der Barriere

       Bewusstseinsstarre

      1

      Geralt schlenderte über das Deck der Seeschlange und blickte über die Reling. Von Halldor war noch nichts zu sehen. Sie hatten die Kiste an vier Soldaten übergeben, mit dem Auftrag, diese so schnell wie möglich in den Palast und zu den Alchimisten zu schaffen. Danach war Halldor direkt weitergeritten, um mit dem Flottenkommandanten zu sprechen. Nun wartete Geralt auf dessen Rückkehr.

      Unruhig ging er weiter und sammelte dabei ein paar Speere und Fackeln ein, die auf dem Deck herumlagen. Nach einem weiteren Blick über das Hafengelände öffnete er die Luke und verstaute die Sachen im Lagerraum. Eigentlich wollte er direkt wieder nach oben, ging dann aber doch in seine Kajüte. Der Schreibtisch stand noch in der Mitte. Er strich mit den Fingerspitzen über eine trockene Blutspur, bis seine Hand gegen die Holzschüssel stieß, aus der blutiges Wasser schwappte. Er packte sie und warf sie mit einem wütenden Schrei gegen die Wand. Kurz darauf ließ er den schweren Eichentisch folgen, der krachend in der Mitte auseinanderbrach.

      Schwer atmend ließ sich Geralt aufs Bett sinken und vergrub sein Gesicht in den Händen. Eine Weile saß er so da, bis er Schritte auf der Treppe hörte. Hastig wischte er sich übers Gesicht und atmete ein paarmal tief durch, als auch schon Halldor in der Tür stand. Der schaute sich ein wenig entsetzt um.

      „Was ist denn hier passiert?“, fragte er.

      Er musterte Geralt und bemerkte dessen gerötete Augen, überging diese aber. So wie Geralt die Frage nicht gehört zu haben schien.

      „Was meinst du? Bist du bereit dazu, einen großen Bruder zu bekommen?“

      „Denkst du wirklich, wir seien Brüder?“, fragte Geralt nach.

      „Gewissheit werden wir gleich erhalten, wenn wir den Sekretär am Waisenhaus treffen. Aber ich glaube, wir können uns den Weg sparen.“

      Er reichte Geralt seine Hand und zog ihn auf die Füße.

      „Frag mich nicht, wieso. Aber ich spüre einfach, dass wir Brüder sind.“

      „Mir geht es ebenso. Nur eine Sache siehst du absolut falsch.“

      „Und die wäre?“

      „Ich bin definitiv der Ältere von uns beiden“, meinte Geralt grinsend.

      „Ganz sicher nicht!“

      „Und ob!“

      „Um dies endgültig zu klären, werden wir wohl doch zum Waisenhaus müssen.“

      „Na, dann komm endlich.“

      Geralt griff nach einem Sack, der auf dem Boden stand. Seines Wissens nach gehörte er Mowanye. Der würde die Sachen darin mit Sicherheit noch brauchen.

      Wenig später saßen sie auf ihren Pferden und ritten auf schnellstem Weg zum Waisenhaus. Dort war vom Sekretär noch nichts zu sehen. Wieder einmal hieß es warten für Geralt. Jetzt fehlte nicht nur der Sekretär, sondern auch Halldor, der sich auf die Suche nach dem alten Mann begeben hatte.

      Er setzte sich auf die alte und verwitterte Steintreppe, die ins Gebäude führte. Seine Gedanken kreisten mal wieder um Lea.

      „Hätte ich doch nur den Mund aufbekommen, als ich ihr den Armreif schenkte. Ich Idiot!“

      Zusammen mit dem Geschenk wollte er ihr eigentlich einen Antrag machen, doch in dem Moment hatte er kein Wort herausbekommen. Jetzt war es dafür zu spät, denn nachdem Rion den Armreif entdeckt hatte, konnte der sich wohl denken, was Geralt mit diesem Geschenk bezweckte. Kaum war Lea einen Moment nicht dagewesen, hatte er ihn darauf angesprochen. Und letztlich war Rion ihm an den Kragen gegangen.

      „Wenn sie meine Tochter wäre, hätte ich wahrscheinlich auch so reagiert“, dachte Geralt missmutig.

      Es gab eine Zeit, in der er seine Wirkung auf Frauen schamlos ausgenutzt hatte. Und Rion wusste von den dutzenden Frauen, die in seinem Leben bereits eine Rolle gespielt hatten. Aber das war seit etlichen Monden vorbei, was Rion ihm jedoch nicht glaubte. Aus diesem Grund hatte er ihm verboten, Lea einen Antrag zu machen. Allerdings hatte er ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich zu beweisen.

      „Wie soll ich das nur anstellen?“, fragte er sich leise.

      „Was?“

      Geralt blickte erschrocken auf und sah Halldor an, der lächelnd vor ihm stand.

      „Wie lange stehst du schon da?“, fragte er misstrauisch.

      „Eine Weile.“

      Geralt erhob sich seufzend.

      „Mach dir keine Sorgen. Helimus ist der beste Heiler, den es in den Reichen gibt.

      Und unsere Königin hat ebenfalls unglaubliche Fähigkeiten. Melea wird es schaffen, Bruder.“

      Geralt nickte, geriet aber ins Stocken. Seine Augen weiteten sich.

      „Bruder?“

      „Ja, jetzt ist es amtlich. Ich habe einen kleinen Bruder.“

      „Ist bekannt, wer unsere Eltern sind?“

      „Nein. Man fand uns auf dieser Treppe, eingewickelt in einem weißen Bärenfell. Bei mir lag ein Zettel, auf dem stand Erstgeborener.“

      „Den hast du mir bestimmt abgenommen“, meinte Geralt.

      Halldor