Geisel des Piraten. Keira Andrews

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Название Geisel des Piraten
Автор произведения Keira Andrews
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960894810



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hatte geschnaubt. »Nein, so machen es nur die Tiere. Frauen liegen auf dem Rücken. Aber sonst ist es das Gleiche.«

      Den Hengst zu beobachten, der sich die Stute zu Willen machte, hatte Nathaniels Blut auf eine Weise in Wallung gebracht, die er nicht gekannt und nicht verstanden hatte. Als er dann irgendwann morgens in feuchten Laken aufgewacht war und sein Schwanz scheinbar beschlossen hatte, ein Eigenleben zu führen, hatte er oft Hand angelegt, das Bild des Hengstes wieder und wieder vor Augen. Kohlrabenschwarz, mit kraftvollen Hinterläufen, hatte er die bebende Stute bezwungen. Sein Glied hatte, als er sie in die Enge getrieben hatte, ungeheuer groß und dick ausgesehen, und Nathaniel hatte sich vorgestellt, wie sich dieses heiße, eisenharte Fleisch im Inneren anfühlen musste.

      Als er von einem seiner älteren Cousins erfahren hatte, was Sodomie bedeutete, hatte das tief in ihm etwas Beunruhigendes aufgewühlt. Während seine Freunde der benachbarten Anwesen davon geträumt hatten, die Röcke einer Dame zu heben oder ihre sahneweißen, zarten Brüste zu berühren, war Nathaniel von den Reizen der Frauen unberührt geblieben. Nicht nur, dass er schwachsinnig war – er war obendrein ein Perverser. Es verlangte ihn nach einem Schwanz: hart, dick und unerbittlich. Manchmal reichten Regen oder Schlamm oder auch nur ein lebhafter Wind aus, um lebhafte Erinnerungen an diesen Hengst an jenem Frühlingstag wachzurufen. Da er in England lebte, war das ziemlich unberechenbar und oft geschehen.

      Ihn schauderte bei dem Gedanken, ein unglückliches Mädchen zu einem Leben mit einem Dummkopf zu verdammen, der kaum zwei Wörter lesen konnte, bevor er stockte, und außerdem ein Sünder mit einem unnatürlichen Makel war. Er wusste, dass er sich bemühen sollte, seine Veranlagung zu überwinden, aber alle Versuche hatten ihn an der Aussichtslosigkeit verzweifeln lassen. Vielleicht wäre es sowohl für die arme Elizabeth Davenport als auch für ihn besser, wenn die skrupellosen Piraten zu seinem Verhängnis würden.

      Sein sündhaftes Verlangen danach, sich mit Männern zu vergnügen, ja, von ihnen verzehrt zu werden, war nur umso stärker geworden, je mehr er versuchte hatte, es zu unterdrücken. Es hatte mehrere Male gegeben, als er sich Susanna voller Verzweiflung hatte anvertrauen wollen, aber er hatte ihre Zurückweisung stets zu sehr gefürchtet.

      Nathaniel blinzelte. Irgendwann hatte er die Augen geöffnet, und er war immer noch in der fremden Kabine. Wenn er doch nur auf der Proud William von Susannas Schnarchen aufwachen könnte. Seine Kehle zog sich schmerzhaft zusammen. Gott, würde er sie jemals wiedersehen? Er konnte nicht einfach nur hier sitzen. Er musste versuchen, etwas zu tun. Irgendetwas! Mit einem Auge in Richtung Tür schlich er auf Zehenspitzen über den quietschenden Boden. Wahrscheinlich würde der Pirat für einige Zeit fortbleiben. Er hielt inne, um seine Schuhe aufzuknöpfen und seine Wollsocken auszuziehen, und warf beides in die Ecke, in der er eigentlich bleiben sollte. Erleichtert spreizte er seine Zehen auf den ausgetretenen Planken.

      Als er in den Schubladen stöberte, fand er dunkle Kleidung – Hosen und Hemden. Und ein paar helle Leinenunterhosen. Keine Strümpfe oder Westen, denn was sollte ein Pirat schon damit anfangen? Nathaniel konnte einen kurzen Stich der Eifersucht auf diese Freiheit nicht leugnen. Er knöpfte seine eigene, verhasste Weste auf und warf sie ebenfalls in die Ecke. Ganz sicher war er sich nicht, wonach er suchte. Hatte er geglaubt, er würde über eine Waffe stolpern und dann … was? Am besten nicht nur den Piratenkapitän, sondern gleich die ganze Mannschaft erledigen? Trotzdem suchte er weiter.

      In der Truhe befanden sich nur noch mehr Wäsche und Krimskrams. Der dunkle Schreibtisch dominierte den größten Teil der Kabine und war der Tür zugewandt, die seitlich in der Nähe des Backbordrumpfes eingebaut war.

      Das Bett wiederum war in die Wand neben der Tür eingelassen. Rote Samtvorhänge waren mit gelben Troddeln auf beiden Seiten des Bettes zurückgebunden. Die einst leuchtenden Farben hatte die Sonne verblassen lassen. Dem Staub nach zu urteilen, der auf dem Samt lag, waren die Vorhänge schon seit einiger Zeit nicht mehr geschlossen oder ausgeschüttelt worden. Die Bettwäsche war zerknittert, wenn auch erstaunlich weiß. Nathaniel warf einen Blick auf seine eigene kratzige, muffige Decke.

      Gleichzeitig auf Schritte im Korridor lauschend, untersuchte er den breiten, dunklen Holztisch. Er hatte eine rötliche Maserung und war gut konstruiert worden. Das Holz reichte an der Vorderseite und an den Seiten bis zum Boden, was ihn zu einem einzigartig soliden Möbelstück machte. Der geschnitzte Stuhl dahinter war aus einem fast schwarzen Holz gefertigt. Die hohe Rückenlehne war in Form eines geflügelten Vogels geschnitzt, natürlich ein Adler, der über Schlangen schwebte. Der Hals einer Schlange war im Schnabel des Adlers gefangen, dessen Krallen sich in die Kreatur bohrten. Die Fangzähne der Schlange waren offensichtlich nutzlos, egal, wie sehr sie sich dagegen wehrte. Dieser Stuhl war mehr als ein Möbelstück. Er war eine unmissverständliche Aussage. Das Sitzkissen darauf, wiederum aus rotem Samt, wurde gern genutzt.

      Der Schreibtisch selbst war aufgeräumt. Eine Seekarte lag zusammengerollt neben dem dicken, zugeklappten Logbuch des Captains. Tintenfass und Federkiel standen daneben. Ein geschwungener silberner Leuchter mit fast ausgebrannten Kerzen diente als Beleuchtung, Wachstropfen waren auf den Schreibtisch gelaufen und dort getrocknet. Für einen etwaigen Gast gab es an diesem Tisch keinen zweiten Stuhl, vielleicht ein Zeichen dafür, dass der Pirat nicht viel Wert auf Rücksprache mit anderen legte. Der Schreibtisch selbst hatte natürlich noch ein paar Schubladen. In der untersten fand er ein paar Flaschen Rum und Portwein.

      Als Nathaniel die oberste Schublade herauszog, hörte er einen dumpfen Schlag und Stimmen vor der Tür. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und erneut schoss Panik pochend durch seine Adern. Er flüchtete in seine Ecke und drückte sich auf der furchtbaren Decke an die Wand. Dann wartete er, die Augen auf die Tür gerichtet, darauf, dass der Schlüssel sich im Schloss umdrehte.

      Es geschah jedoch nichts. Die Minuten vergingen, ohne dass jemand eintrat. Die Damned Manta segelte weiter, ihr Rumpf knarrte und schaukelte sanft. Würde das Handelsschiff Primrose Isle zu dem Zeitpunkt erreichen, den ihr Captain vorhergesagt hatte? Und würde er seinem Vater wichtig genug sein, sodass er versuchen würde, Nathaniel zu retten? Würde er die letzten Tage seines Lebens eingesperrt in diesem Raum verbringen, entweder allein oder mit einem Monster als Gesellschaft? Er war sich nicht sicher, was schlimmer war, und fuhr mit den Fingern über die zarte Haut an seiner Kehle, die nach Hawks grober Behandlung immer noch schmerzhaft pochte.

      Dann stellte er sich vor, wie er mit Susanna nachmittags über das Deck der Proud William geschlendert war, ihre schlanke Hand in seiner Armbeuge. Er konnte den Klang ihrer heiteren Stimme hören, die ihm eine Geschichte nach der anderen vorlas. Sinnlose Tränen brannten in seinen Augen. Er beugte den Kopf und betete dafür, dass sie und ihr Baby ihre Reise nach Primrose Isle unbeschadet überstehen würden. Wenn ihr Vater sie nur nicht auf diese Fahrt in die Neue Welt geschickt hätte. Nathaniel verdrängte seine Angst zugunsten des Unmuts. Vater hatte lächerlich hohe Beträge dafür ausgegeben, Primeln und andere Blumen von England aus auf die Insel zu importieren. Laut Susannas Mann war er wütend geworden, als sie keine Wurzeln entwickelt hatten, weil die tropischen Pflanzen sie mit ihren blühenden Ranken und leuchtenden Blüten erstickt hatten.

      Die Insel war zuvor unbewohnt gewesen, und Nathaniel hoffte insgeheim, dass sie für die nächsten Jahre auch wild und ungezähmt bleiben würde. Doch er wusste, egal wie widerstandsfähig die Vegetation war, wenn England dazu entschlossen war, sie zu überrennen, würde es das auch tun, ohne Rücksicht darauf, wie viele dabei leiden und versklavt werden würden.

      Vor ein paar Jahren, als Walter bei einem seiner seltenen Besuche zu Hause gewesen war, hatte Nathaniel mit ihm beim Frühstück über die gerechte Entlohnung der Arbeit in den Kolonien gestritten. Wenn das Gesetz besagte, dass ein Mensch in England kein Sklave sein durfte, wie konnte das dann in der Neuen Welt anders und richtig sein? Er sah immer noch die rotgesichtige Wut seines Vaters über diese radikalen Ideen vor sich. Die Spucke war ihm nur so aus dem Mund geflogen, als er hatte wissen wollen, ob Nathaniel diese Einfälle von seinem Hauslehrer hatte. Mr. Chisholm in Schutz nehmend, hatte Nathaniel gesagt, dass er sie aus einer Quäker-Flugschrift hatte, die er bei einem Ausflug nach London gesehen hatte.

      »Und wie konntest du das lesen, du Einfaltspinsel?«, hatte sein Vater gefragt.

      Nathaniel hatte darauf beharrt, dass ein Junge aus der Nachbarschaft sie ihm weitergereicht