Geisel des Piraten. Keira Andrews

Читать онлайн.
Название Geisel des Piraten
Автор произведения Keira Andrews
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960894810



Скачать книгу

hatte, aber das spielte jetzt keine Rolle. Tatsächlich war es so viel einfacher. »Du bist mir wie eine reife Pflaume in den Schoß gefallen. Mein Schatz, meine Belohnung, mein warmer Geldregen, mein Goldesel. Mehr bist du nicht, so lange, bis dein Vater das zahlt, was er mir schuldet. Ich würde dich am liebsten in den Frachtraum stecken, aber die Männer wären versucht, sich an dir zu vergreifen, und dein Vater würde das, was dann von dir übrigbliebe, nicht mehr haben wollen. Hast du das verstanden, du Junge?« Das war der einzige Name, den der Gefangene brauchte, abgesehen von seinem verfluchten Nachnamen.

      Eine Antwort nicht abwartend, öffnete Hawk eine Truhe, die im Schiffsrumpf Steuerbord stand, holte eine kratzige Wolldecke heraus, die er nur selten benutzte, und warf sie zu Bainbridge. Sie traf ihn an der Brust und fiel ihm zu Füßen. Hawk nickte in Richtung einer Ecke unterhalb der Fenster. »Du schläfst da.«

      Bainbridge nahm die Decke und richtete sich unbehaglich wieder auf.

      »Während dein Vater im nächsten Monat das Geld zusammenbringt, wirst du diese Kabine nicht verlassen. Wasser und Essen werden dir gebracht. Du wirst den Eimer benutzen müssen, der regelmäßig geleert wird, damit dein Schmutz mir nicht die Kabine vollstinkt. Du sprichst mit niemandem aus der Crew. Sprich mich nicht an, es sei denn, du wirst angesprochen. Nicke, wenn du verstanden hast.«

      »Die Kabine nicht verlassen?« Der Junge wurde blass, Angst stand ihm klar und deutlich in sein jungenhaftes Gesicht geschrieben.

      »Ganz eindeutig verstehst du nicht.« Hawk machte einen Schritt auf ihn zu und registrierte zufrieden, dass der Junge zurückzuckte.

      »Es … es ist nur … Bitte. Ich werde keinen Ärger machen.« Er atmete schnell, seine Brust hob und senkte sich. »Darf ich nicht mal nach oben aufs Deck? Und mir die Beine vertreten?«

      »Sei dankbar, dass ich dich nicht ans Bett kette.« Wieder ließ Hawk seinen Blick auf dem Gefangenen auf und ab wandern und jagte ihm mit einem lüsternen Knurren noch mehr Angst ein. »Nackt.«

      Die hellbraunen Augen des Jungen weiteten sich und richteten sich auf die Matratze.

      Hawk drehte sich auf dem Absatz um und holte den Schlüssel vom Schreibtisch. Jetzt, da sie das endlich geklärt hatten, würde er …

      »Ich könnte arbeiten! Oben an Deck. Der Crew helfen. Bei … bei allem. Was auch immer sie tun.«

      Ungläubig richtete Hawk sich zu seiner vollen Körpergröße auf und wirbelte herum, dabei achtete er darauf, dass sein Mantel eindrucksvoll hinter ihm her wirbelte. Er hatte sich den furchteinflößenden Ruf des Sea Hawk in nur vier Jahren nicht ohne ein wenig Dramatik erarbeitet. Doch unglaublich: Bainbridge redete weiter.

      »Ich würde mich freuen, zu arbeiten.« Seine Augen flehten ihn an, die Finger kneteten die Decke. »Ich würde alles tun, was Sie sagen.«

      Ganz verdammt eindeutig nicht, da der Befehl, den Mund zu halten, bereits einfach ignoriert worden war. Hawk schnaubte spöttisch. »Arbeiten? Du? Sag mir: Hast du auch nur einen einzigen Tag in deinem zarten Leben gearbeitet?«

      Zur Antwort starrte der Junge mit roten Wangen auf seine abgestoßenen Schuhe.

      »Du wirst in dieser Kabine bleiben und du wirst nur reden, wenn du angesprochen wirst. Aber ich bin nicht ganz grausam.« Großmütig winkte er in Richtung Bücherregal. »Lies' alles, was du willst.«

      Bainbridge betrachtete die Bände mit einer seltsamen Art von Verzweiflung, die an Geringschätzung grenzte, seine Schultern sanken noch tiefer.

      Zorn flammte in ihm auf und Eisen grub sich in seine Hand, als er den Schlüssel noch fester packte. »Ist meine Bibliothek nicht zu Eurer Zufriedenheit, Mylord?«

      »Nein, nein. Ich bin mir sicher, sie ist ganz ausgezeichnet«, antwortete der Bursche kleinlaut und wich einen Schritt zurück.

      »Die meisten Männer auf diesem Schiff können noch nicht einmal ihren Namen schreiben. Ich habe Jahre gebraucht, um es zu lernen. Jahre, in denen ich mich Wort für Wort verbessert habe. Du bist ein kleines privilegiertes Stück Scheiße, und du wirst dich hinsetzen, dein Maul halten und darum beten, dass deine Schlange von Vater das Geld bezahlt, dass er mir schuldet. Oder du wirst derjenige sein, der bezahlen wird. Du und deine Schwester. Ihr Baby.« Tatsächlich hätte Hawk niemals einer unschuldigen Frau oder einem Kind etwas angetan oder zugelassen, dass seine Crew so etwas tat, aber das musste Bainbridge nicht wissen.

      »Bin ich verstanden worden? Junge?«

      Mit gesenktem Kopf flüsterte er: »Ja.«

      Mit zwei großen Schritten durchquerte Hawk die Kabine. Er knallte die Tür hinter sich zu, steckte den Schlüssel ins Loch und … nichts. Eisen knirschte. Das sture Schloss wollte sich nicht drehen. Hawk rüttelte ein paar Augenblicke lang daran. Ausgerechnet dann, wenn er einem Gefangenen Angst einjagen wollte, musste sich das Schloss festfressen.

      Verdammt noch mal.

      Mit zusammengebissenen Zähnen drückte Hawk die Tür wieder auf. Der Bursche stand immer noch da, wo er ihn zurückgelassen hatte, und umklammerte die Decke.

      Grob packte er ihn am Arm, zog ihn mit sich aus der Kabine und brüllte dabei: »Mr. Cooper! Bringt das Schloss in Ordnung. Ihr habt zehn Minuten!« Humorlos lächelte er Bainbridge an. »Es scheint, als bekämst du eine kleine Gnadenfrist. Es wird die letzte sein.«

      Kapitel Drei

      Nicht gerade sanft zog Captain Hawk ihn über die Leiter mit sich hinauf zum Hauptdeck. Nathaniel erhaschte einen Blick in die Quartiere der Crew im Bug des Schiffes: ein beengter Raum, dunkel und nach Schweiß, Schimmel und wusste –der –Himmel –was –sonst noch alles stinkend. Ein Koch schuftete an einem Herd. Die Männer verstauten ihre Hängematten, während die Sonne höher stieg, und zogen lange Tische zum Essen heraus. Dann wurde Nathaniel grob die Leiter hochgeschubst.

      An Deck inhalierte er dankbar die kalte, frische Luft. Die Sonne, die gerade am Horizont aufging, blendete ihn. Er saugte alle Bilder und Gerüche um sich herum tief in sich ein, denn die Androhung eines ganzen Monats allein in der Kabine des Captains erfüllte ihn mit einer Angst, die ihn zu verschlingen drohte. Die Beengtheit eines Schiffes war schrecklich genug. Aber so lange in diesem einen Zimmer gefangen zu sein? Sein Magen verkrampfte sich.

      Er blickte sich um, sein Herz hüpfte, als er in der Ferne Segel sah. War das die Proud William? Es musste wohl so sein, denn niemand sonst beachtete das Schiff. Nathaniel schaute bedrückt zu, wie es langsam zu einem winzigen Fleck zusammenschrumpfte. Aber Susanna war in Sicherheit, und das war alles, was zählte. Er hasste es, dass sie für den Rest ihrer Reise allein sein würde, besonders in ihrem verletzlichen Zustand. Schuldgefühle stiegen in ihm auf, obwohl er wusste, dass er nicht das Geringste dagegen hatte tun können.

      Er sah den Captain an, der ihn schließlich aus seinem abscheulichen Griff entlassen hatte. Die aufsteigende Sonne enthüllte seine überraschend blauen Augen, die einen Stich Grau hatten. Sein kleiner quadratischer Goldohrring blitzte.

      Der Quartiermeister, ein Mr. Snell, so die schroffe Begrüßung des Captains, näherte sich. »Captain, die Männer wollen etwas von dem Salzfisch essen, den wir mitgenommen haben. Soll der Koch ihn zubereiten?«

      »Aye.«

      Der Gedanke an Essen ließ Nathaniels Magen knurren, aber er würde lieber verhungern, als Captain Hawk – nein, einfach nur Hawk, denn er verdiente keinen ehrenwerten Titel – danach zu fragen. Als Hawk und Mr. Snell sich ein paar Meter entfernten und so leise miteinander sprachen, dass er nichts hören konnte, begutachtete Nathaniel sein Gefängnis.

      Die Damned Manta war ein Einmaster, eine Schaluppe, die wahrscheinlich ursprünglich ein Handelsschiff gewesen war. Dicke Seilrollen bedeckten das Schiff. Wenn es anfangs ein Achterdeck in der Nähe des Hecks gegeben hatte, vermutete Nathaniel, dass es entfernt worden war, um weitere Geschütze hinzuzufügen. Er zählte vierzehn um das Oberdeck herum, das vom Bug bis zum Heck etwa sechzig Fuß lang und auf der ganzen Länge flach war. Aus weiter Entfernung musste es so aussehen, als läge die Schaluppe tiefer im Wasser. Sie war wie dazu gemacht, um auf ihr zu rennen, und es juckte