Название | Geisel des Piraten |
---|---|
Автор произведения | Keira Andrews |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960894810 |
Damit stieß er Nathaniel zurück unter Deck und in Richtung seiner Kabine, vor der ein nervöses Mitglied der Crew mit einem Metallwerkzeug in der Hand stand. »Schloss ist repariert, Captain.« Er übergab den eisernen Schlüssel.
Nathaniel stolperte Hals über Kopf in die Kabine, als Hawk ihm einen kräftigen Stoß gab, und verfehlte nur knapp die Kante des Schreibtisches. Er rappelte sich auf und hasste sich dafür, wie er vor Hawk kauerte und es ihn gleichzeitig danach drängte, sich vor ihm unter dem Schreibtisch zu verkriechen. Die Vorstellung, noch einmal gewürgt zu werden, war jedoch unerträglich.
Der Pirat schnaubte verächtlich, dann drehte er sich um, streifte seinen langen Mantel ab und hängte ihn an einen Haken. Sein dunkles, offenes Hemd bauschte sich leicht an den Ärmeln. Neben seinem Schwert und einer Pistole erhaschte Nathaniel einen Blick auf zwei Dolchgriffe, die er sich in den Gürtel geschoben hatte – einer davon gehörte Nathaniel selbst. Ihm war schwindelig vor Scham. Was für ein Versager er war. Er hatte es nicht mal geschafft, den Feind mit seiner Klinge zu kratzen, bevor sie ihm weggenommen worden war wie einem unartigen Kind. Was würde Mr. Chisholm von ihm denken?
Dass ich in allem ein Versager bin, nicht nur im Studium.
Er blinzelte, als die Tür sich schloss und der Schlüssel umgedreht wurde. Hawk war fort ohne ein weiteres Wort.
Danke, Gott, für die kleinen Gnaden.
Je weniger er unter der Gegenwart des Wüstlings leiden musste, desto besser. Immer noch auf dem Boden liegend, sah er sich in seiner Zelle um. Sonnenlicht fiel durch die quadratischen Fensterscheiben am Heck und erwärmte die Luft. Auf der Backbordseite der Kabine waren Bücherregale in den Rumpf eingebaut, in denen dicke Bücher und gerollte Seekarten ordentlich verstaut lagen. Er machte sich jedoch nicht die Mühe, näher heranzugehen, um einen der Titel zu entziffern. Auf der Steuerbordseite befanden sich eingebaute Fächer. Die große Truhe, aus der Hawk die Decke geholt hatte, stand ebenfalls dort. Nathaniel konnte es kaum ertragen, sie anzufassen, und er trat sie weit von sich fort in die andere Ecke des Raumes.
Er zog die Knie an die Brust. Gedanken wirbelten in seinem Kopf umher. Hätte er mit dem Dolch mehr anrichten können? Er sah Mr. Chisholms Gesicht vor sich, und Sehnsucht durchfuhr ihn. Sein Lehrer war ihm immer so tüchtig erschienen, so stark und intelligent. Nathaniel schloss die Augen und rief sich Mr. Chisholms kräftiges Kinn, seine grünen Augen und sein blondes, zu einem Pferdeschwanz zurückgebundenes Haar in Erinnerung. Die Breite seiner Schultern und die Art, wie sein Mantel sich an die kräftige Brust schmiegte.
Mr. Chisholm zwinkerte. »Die Welt da draußen in den Kolonien ist gefährlich. An Land und auf See.«
Nathaniel untersuchte behutsam das glänzende Metall in seiner Hand und drehte den glatten Holzgriff zwischen seinen Fingern. »Sie schenken mir das?« Sein Herz pochte fast schmerzhaft.
»Ich weiß, dass die meisten Lehrer eher ein Buch oder etwas Ähnliches verschenken würden, aber ich fürchte, das wäre bei Euch eher eine Verschwendung. Meint Ihr nicht auch?«
Das meinte er in der Tat. Nathaniel sehnte sich danach, ihn in seine Arme zu ziehen und seine Lippen auf den Streifen nackter Haut über Mr. Chisholms Halstuch zu drücken. Seit er ein Junge war, hatte er davon geträumt und wusste zugleich, dass sein Tutor ein guter, anständiger Mann war, kein Sünder wie Nathaniel. Er bewunderte ihn dafür, während er gleichzeitig daran verzweifelte.
Nachdem er wie ein Gentleman Mr. Chisholms Hand geschüttelt hatte, sah er mit einem Knoten in der Kehle zu, wie Mr. Chisholm bis zum Ende der Auffahrt ritt, um die Kurve bog und für immer verschwand.
Plötzlich gegen Tränen ankämpfend, riss Nathaniel seine Augen auf. Er saß immer noch auf dem Boden der Kabine des Piratenkönigs. Das hier war die Wirklichkeit. Er war entführt worden. Dies war nicht irgendein Albtraum, aus dem er nassgeschwitzt, aber ansonsten unversehrt wieder aufwachen würden.
Sein Lehrer hatte versucht, ihn so gut er es vermochte, vor der Welt abzuschirmen, aber auf so etwas konnte man sich nicht vorbereiten. Nathaniel vermisste ihn schmerzhaft, er sehnte sich nach seiner beruhigenden Anwesenheit, seinen freundlichen, wohlüberlegten Antworten und Ratschlägen. Sie hatten nicht genug Vermögen besessen, um Nathaniel in Cambridge oder Oxford einzukaufen, und Mr. Chisholm hatte Walter gewarnt, dass er, Nathaniel, einfach nicht die Eignung für einen Akademiker oder Juristen besäße. Das war seine wohlwollende Art gewesen, zu sagen, Nathaniel sei nicht intelligent genug.
Selbst die Kirche kam nicht infrage, denn die Fähigkeit zu lesen war eine grundlegende Voraussetzung. Nicht, dass Nathaniel auch nur den geringsten Wunsch verspürte, Geistlicher zu werden. Er hatte an die Marine gedacht, aber Walter hatte darauf bestanden, dass Nathaniel zuerst Eliza heiratete. Seine Studien waren ein steter Kampf gewesen, so lange er zurückdenken konnte.
Während Susanna gerne Stunde um Stunde mit Lesen verbrachte, hatte sich Nathaniel immer danach gesehnt, draußen zu sein, zu rennen, zu klettern und zu schwimmen, sich zu bewegen. Worte auf Papier schienen sich ihm nicht zu enthüllen und so zu fließen, wie sie es für andere zu tun schienen. Wenn Susanna ihm laut vorlas, schien sie nie zu stolpern oder sich im Dschungel der Buchstaben zu verirren. Die Wörter strömten aus ihr heraus wie Wasser, versehen mit Sinn und Betonung. Nathaniel verstand alles, was er hörte, aber mit Tinte auf Papier geschrieben, verwirrten ihn die Worte.
Als sie noch Kinder gewesen waren, hatte sie ihm geholfen, sich Wörter zu merken, hatte ihm erklärt, was sie bedeuteten, und hatte ihn besser unterrichtet als jeder Lehrer, selbst besser als der liebe Mr. Chisholm. Sie würde eine wunderbare Mutter sein, geduldig und freundlich, mit einem schalkhaften Zug, von dem er hoffte, dass er ihr für den Rest ihres Lebens erhalten bliebe. Einmal, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte Nathaniel seinem Tutor gestanden, dass er die Diener um ihre physische Arbeit beneidete. Mr. Chisholm hatte ihm einen ungewöhnlich strengen Blick zugeworfen und gesagt: »Gesprochen wie ein privilegierter Junge, der niemals dienen wird.«
Er hatte recht gehabt und die Scham darüber, dass er so unzufrieden mit seinem Los war, während es vielen anderen noch viel schlechter ging, quälte Nathaniel immer noch. Er wünschte sich einfach, sich nicht so falsch zu fühlen. Falsch auf so viele Arten …
Mr. Chisholm war dann schnell wieder sanfter geworden und hatte reumütig gesagt, dass der Storch ihn wohl im falschen Haus abgegeben haben musste, bevor er ihn wieder mit lateinischen Konjugationen quälte. Wenn es jemals ein nutzloses Unterfangen gegeben hatte, dann war es dieses gewesen. Er lachte trocken auf.
Der Storch.
Als Mr. Chisholm festgestellt hatte, dass Nathaniel alt genug war, um über die wahre Entstehung von Babys und über die Geburt aufgeklärt zu werden, hatte Susanna es ihm längst in allen Einzelheiten geschildert. Er wusste immer noch nicht genau, wie sie es erfahren hatte, denn die prüde Jane war nie eine Tratschtante gewesen.
Susanna.
Ging es ihr gut? Er war nicht imstande, sie zu trösten, und die Verzweiflung kehrte zurück, gemeinsam mit einer Welle der Einsamkeit, die ihn umgeworfen hätte, wenn er nicht schon auf dem Boden gekauert hätte. Wieder schloss er die Augen und Erinnerungen erfüllten seine Gedanken. Als er die Storchen-Theorie infrage gestellt hatte, hatte Susanna ihm zugeflüstert, dass sie zusehen könnten, wenn der Hengst die neue Stute schwängerte, und dass dies alles erklären würde. An diesem regnerischen, grauen Tag hatten sie sich auf dem Dachboden in eine Ecke der Scheune verkrochen, flach auf dem Bauch liegend, die Mäntel durchnässt, und sich mit Vaters aufwendig verziertem und doch völlig funktionalem Fernglas abgewechselt. Auf der Koppel hatte die Stute gewiehert und war hin- und hergerannt, bis sie schließlich in die Ecke getrieben und bestiegen wurde.
»Das