Geisel des Piraten. Keira Andrews

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Название Geisel des Piraten
Автор произведения Keira Andrews
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960894810



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liebsten sofort verschlungen hätte. »Euer Vater ist ein Lügner. Korrupt. Ein Übeltäter mit Seidenstrümpfen und feiner Lockenperücke.«

      Nathaniel schluckte schwer, seine Hand zitterte. Sollte er ausholen und den Dolch in das Herz dieses bösen Mannes stoßen? Nicht, dass er besonders viel Liebe für seinen Vater empfand, aber hatte ein Pirat ihn über Übeltäter zu belehren?

      Die Augen des Mannes glühten jetzt vor Hass. »Euer Vater hat mich betrogen. Er hatte die Aufgabe, für Gerechtigkeit, für Fairness zu sorgen. Stattdessen hat er eine Verschwörung angezettelt, um mich zu bestehlen. Er hat mich als Pirat gebrandmarkt, als ich ein Freibeuter war.«

      »Ist das nicht ein- und dasselbe?«, platzte Nathaniel heraus.

      Als die Nasenflügel von Sea Hawk sich aufblähten, grub Susanna ihre Nägel in Nathaniels Schulter. »Nein, das ist es verflucht noch mal nicht«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Freibeuter sind staatlich lizenziert. Legal. Freibeuter folgen Regeln. Gesetzen. Genauso, wie es Euer Vater als Richter am Gericht in Jamaika hätte tun sollen. Euer Vater versuchte, meinen Männern und mir alles zu nehmen, wofür wir gearbeitet und gelitten haben. Wir sind ihm entkommen, aber nach all den Jahren hat er nie dafür bezahlt.«

      Furcht überfiel Nathaniel. Wieder einmal würden die Gier und Habgier seines Vaters Leid bringen. Wenn es Walters Schuldenberge nicht geben würde, wären Nathaniel und Susanna immer noch sicher zu Hause und würden bis zur Geburt des Babys warten, um die Reise zu unternehmen. Hollington müsste überhaupt nicht verkauft werden. Aber jetzt waren sie hier und sahen sich der Gnade der Piraten ausgeliefert.

      Oh Gott. Bitte verschone Susanna und ihr Kind!

      Bei dem Gedanken daran, dass seiner Schwester etwas zustoßen könnte, stieg ihm Galle in die Kehle, er spürte Angst klamm auf seiner Haut. Schweiß rann seine Wirbelsäule hinab. »Ich …« Er zerbrach sich den Kopf, um etwas, irgendetwas, zu sagen, einen Ausweg zu finden. Sein Dolch zitterte und er leckte sich über die trockenen Lippen. »Es tut mir leid.« Er musste das in Ordnung bringen.

      Ein träges, grausames Lächeln verzog die Lippen des Teufels. »Das wird es.«

      Kapitel Zwei

      Hawk ignorierte den zitternden Dolch des Jungen und nickte seinen Männern zu. »Gebt diese Order an Mr. Snell weiter: Konfiszieren Sie jede Fracht, die es wert ist, mitgenommen zu werden. Lassen Sie Schiff und Besatzung unversehrt und mit genügend Nahrung und Wasser zurück, um zu überleben. Die Dame soll weiter nach Primrose Isle reisen. Unbehelligt.« Während die Männer hinaushuschten, gefolgt von dem rothaarigen Matrosen, der nur allzu freimütig alle Geheimnisse der Proud William preisgegeben hatte, blickte er auf Walter Bainbridges kostbaren Sohn herab. »Deine Reise dagegen wird sich verzögern.«

      »Ver… verzögern?«, fragte Bainbridge. Er hatte ein glattes Gesicht und war schlank, langbeinig und mit gewöhnlichen braunen Augen. Seine kurzen hellbraunen Haare kräuselten sich feucht vor Schweiß. Er hatte vergessen, einen Knopf an seinem dunklen Wams zu schließen, und er hing schief über seinem weißen Hemd und der braunen Kniehose. Seine schwarzen Schuhe mit den quadratischen Spitzen waren überraschend abgewetzt, die weißen Strümpfe waren verrutscht. Rote Flecken überzogen seine blassen Wangen. Ganz sicher war er sein Leben lang, niemals mit der Verrichtung harter Arbeit belästigt worden. Äußerst unauffällig. Abgesehen von seiner Herkunft.

      »Du kommst mit uns.«

      Die Frau schrie auf. Hawk hätte fast gelacht, als Bainbridge all seinen Mut zusammennahm und sich auf ihn stürzte. Mit einer simplen Drehung und einem einzigen Griff befreite er ihn von seinem Dolch, der aus feinem Stahl und einem einfachen Holzgriff gefertigt war.

      »Tut dir nicht weh, Junge. Dein Vater wird für eine Leiche kaum etwas zahlen.« Er erspähte die Scheide auf dem Boden und streckte eine gebieterische Hand danach aus. Bainbridge bückte sich und gab sie ihm zögernd. Hawk steckte die Waffe hinein und schob sie sich in den Gürtel.

      »Zahlen?«, sprudelte Bainbridges Tochter hervor. »Aber er hat kaum Geld!«

      Hawk trat auf sie zu. Eine Robe mäßigen Reichtums, aber Steine aus Strass. Er trat noch einen Schritt näher und sie wichen wie ein einziges Wesen zurück. Er fragte: »Und wie kam es dazu?« Wahrscheinlich kannte er fast die ganze Geschichte, aber vielleicht konnten seine Kinder ihn auch mit neuen Informationen versorgen.

      Zögernd kam sie hinter ihrem Bruder hervor und stellte sich neben ihn, wobei sie seine Hand umklammerte. »Das Familienvermögen hat sein älterer Bruder bekommen. Er hat alles andere für seinen Traum von Primrose Isle verwendet. Es gelang ihm, das Gouverneursamt zu erreichen, aber abgesehen vom Geld der Krone für die Gründung der neuen Kolonie hat er kaum etwas.«

      Der verdammte Hurensohn konnte noch nicht einmal mit meinem Geld haushalten, dass er mir gestohlen hat.

      Die spanische Galeone war bis oben hin mit Gewürzen, Gold und Tonnen Rohsilber vollgeladen gewesen. Hawk krümmte sich innerlich immer noch bei dem Gedanken daran, wie stolz er gewesen war, als er mit seiner hart erarbeiteten Beute vor dem Admiralitätsgericht aufgetreten war. Bereit dazu, in Übereinstimmung mit den Regeln England seinen Anteil abzugeben, seinen Part zu leisten im Krieg gegen Spanien. Welch ein Narr er gewesen war.

      Er gab vor, darüber nachzudenken. »In diesem Fall werde ich ihm die Fairness erweisen, die er mir verweigert hat.«

      Die Geschwister atmeten aus, ihre Schultern senkten sich vor Erleichterung. Das Mädchen sagte: »Danke, Sir. Was immer unser Vater getan hat, ich schwöre …«

      »Ich werde ihm einen Monat Zeit geben, die Mittel vor unserer Ankunft zusammenzubringen. Einhunderttausend Pfund.«

      Wieder gleichzeitig fiel ihnen die Kinnlade herunter. Der Junge stieß hervor: »Das ist zu viel!«

      Möglich, aber ein arroganter Mann, dem etwas an seinem Erben lag, würde einen Weg finden. Bainbridges Stolz würde ihm keine andere Wahl lassen. Außerdem hatte Hawk nicht jahrelang auf seine Rache gewartet, nur um jetzt nachsichtig mit dem Schwein zu sein. Er ignorierte ihre Bestürzung und verkündete: »Ungefähr in der Nacht des nächsten Neumonds werden wir auf Primrose Isle ankommen und uns zeigen. Euer Vater wird persönlich ein Skiff in den Hafen rudern. Und zwar allein. Er wird auf mein Schiff treffen. Ich werde seinen Sohn gegen das Lösegeld eintauschen. Ganz einfach.«

      Bainbridges Kinder sahen sich an. Hoffnungslosigkeit breitete sich zwischen ihnen aus und Tränen liefen über die Wangen des Mädchens. Hawk verstand ihre Furcht, ihren Schrecken. Er erinnerte sich an seinen eigenen, nachdem er von ihrem Vater zu Unrecht verurteilt worden war, und weidete sich an ihrem Kummer.

      Sie weinte: »Sir, habt Mitleid! Mein armer Bruder hat keine Sünde begangen.«

      »Mitleid? Euer Vater hat mich geschaffen: den Sea Hawk. Und ich bin zu dem Monster geworden, dass er hervorgerufen hat, und zu noch so viel mehr.« Hawk fügte hinzu: »Und Euer Bruder wird nur der Erste sein, der leiden muss, wenn Bainbridge sich nicht fügt. Sagt Eurem Vater, dass seine kostbare Primrose Isle bluten und verbrennen wird, wenn er meine Forderungen nicht erfüllt.«

      Sie öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, aber ihr Flehen um Gnade ermüdete Hawk und so schnitt er ihr das Wort ab.

      »Kein Verrat, und Euer Bruder lebt. Aber wenn Bainbridge eine Verschwörung gegen mich anzettelt …« Er sprach leise. Eine ruhige Äußerung wirkte manchmal bedrohlicher als Anschreien. Er blickte den Sohn vielsagend an, der seinen Arm um die zitternden Schultern seiner Schwester gelegt hatte. »Wenn Euer Vater mich betrügt, stirbt dieser Junge. Schmerzhaft. Langsam. Ich werde ihn ausweiden wie einen Fisch, ihn in Scheiben schneiden und sie Eurem Vater eine nach der anderen schicken.« Er war mit seiner Rache so geduldig gewesen, und dies war sein Moment. Er ergriff ihn mit beiden Händen, hielt ihn fest und gab keinen Zentimeter nach.

      Sie schnappte nach Luft und schlug eine Hand vor den Mund. Der Brustkorb vom jungen Bainbridge hob und senkte sich schnell, aber er hielt den Kopf hoch erhoben. Die Augen seiner Schwester dagegen quollen über mit noch mehr Tränen. »Bitte, ich flehe Euch an. Lasst meinen Bruder mit mir ziehen. Er wird heiraten! Wir fangen