Название | Geisel des Piraten |
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Автор произведения | Keira Andrews |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960894810 |
Hoch über ihnen am Mast thronte der Ausguck. Die schwarze Flagge flatterte im Wind. Sie zeigte außerdem einen weißen Raubvogel mit weit gespreizten Schwingen und einem grausamen Schnabel. Einen Seeadler, vermutete er.
Jetzt rissen die Männer an den Tauen, um die Flagge einzuholen und sie den Blicken neuer Opfer zu entziehen. Er wandte den Blick von den Segeln und der Takelage ab.
Hawk und Snell schienen über ihn zu sprechen, denn sie beäugten ihn auf eine Art und Weise, die ihm die Haare auf den Armen zu Berge stehen ließ. Er konnte ihre Musterung kaum ertragen und sah hinaus auf die Wellen, seine Haut kribbelte. Der Wind toste ihm in den Ohren und ihm war nicht klar, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht, dass er ihre Worte nicht verstehen konnte.
In Wahrheit hatte er den schrecklichen Verdacht, dass Hawk den Wert, den Nathaniel für seinen Vater hatte, ziemlich überschätzte. Es stimmte, dass Walter sich einen Sohn mit einer an Besessenheit grenzenden Inbrunst gewünscht hatte, zumindest war das Nathaniel immer erzählt worden. Nathaniels Onkel, der ältere Bruder seines Vaters, hatte nicht nur das Familienvermögen, das Anwesen und den Titel des Baronets geerbt, sondern auch drei stramme, intelligente Söhne gezeugt. Walter hatte es ihnen allen bitter übelgenommen und war entschlossen gewesen, einen eigenen Sohn zu zeugen, als ein Emblem und Zeichen seiner Männlichkeit.
Margaret, Nathaniels Mutter, hatte Walter zunächst Hollington eingebracht. Dann eine Tochter, Jane, die mit ihrem Mann, einem Marineoffizier, der oft auf See war, und ihren vier Kindern in Kent lebte. Als Nächstes war Susanna gekommen; noch eine Enttäuschung für Walter. So hatte er Margaret wieder und wieder geschwängert, trotz der Warnung des Arztes, dass schon die ersten beiden Schwangerschaften sie beinahe umgebracht hatten. Nathaniel wusste nicht genau, wie viele Babys sie verloren hatte, bevor sie es geschafft hatte, ihn zur Welt zu bringen.
Walter hatte endlich seinen Sieg errungen, und obwohl er nach allem, was man hörte, seine Frau aufrichtig betrauerte, argwöhnte Nathaniel, dass Walters größte Trauer darin lag, dass sein Sohn völlig darin versagte, der Sohn zu sein, den er sich gewünscht hatte. Zu sagen, dass er eine Enttäuschung war, wäre eine milde Untertreibung gewesen. Für einen Moment gestattete er sich die kindliche Sehnsucht nach der Mutter, die er nie gekannt hatte. Sie hatte ihr Leben für seines gegeben und er war sich sicher, dass das kein guter Tausch gewesen war. Er hätte auch sie sehr enttäuscht. Ein Schwachkopf und ein Sünder, das war er.
»Die Zeit ist um«, verkündete Hawk und riss ihn aus seinen auf Abwege geratenen Gedanken. Dann verengten sich die blauen Augen. »Warum siehst du so schuldbewusst aus?«
»Es ist n… nichts«.
Mit einem großen, kraftvollen Schritt überwand Hawk die Entfernung zwischen ihnen. Die Reling drückte sich in Nathaniels Rücken. Hawk beugte sich vor und überragte ihn. »Welch heroische Idee auch immer dir im Kopf herumspuken mag, vergiss es. Wenn du irgendeinen Angriff auf mich oder meine Männer versuchst oder in einer irgendwie fehlgeleiteten Vorstellung eines edlen Opfers über Bord springst, werden wir dieses Handelsschiff jagen und deine Schwester und ihr ungeborenes Kind leiden lassen. Und wie sie leiden werden. Habe ich mich klar ausgedrückt oder muss ich noch deutlicher werden?«
Nathaniel schüttelte den Kopf und versuchte verzweifelt, sich von Hawks spöttischem Grinsen abzuwenden. Ohne Rückzugsmöglichkeit war er eingequetscht. Der Körper des Mannes vor ihm war wie eine undurchdringliche Mauer, seine Willensstärke unbezwingbar. Hawk hatte recht. Über Bord zu springen, wäre Selbstmord, und Nathaniel hatte nicht die geringste Chance, auch nur einen der Männer auf diesem Schiff zu überwältigen, ganz zu schweigen von fünfzig von ihnen. Er war gefangen.
»Noch Fragen?«
»Von wem habt ihr dieses Schiff gestohlen?« Die Wörter schossen ihm durch den Kopf und rutschten ihm irgendwie heraus. Nathaniel presste leicht verspätet die Lippen zusammen, das Blut rauschte ihm in den Ohren.
Hawk richtete sich auf, als sei er beleidigt worden. Er knurrte: »Dies ist mein Schiff. Ich habe sie bei einer Wette fair und ehrlich gewonnen. Es war dein Vater, der versucht hat, sie mir zu stehlen.«
»Ich verstehe nicht. Warum?«
Er stieß hervor: »Es spielt zwar keine verdammte Rolle, was du verstehst oder nicht. Aber nach jahrelanger Mühsal hatte ich endlich mein eigenes Schiff. Ich erwog, Handelsfracht damit zu befördern, aber ich wollte mehr für mein Land tun, obwohl …«
Nathaniel wartete ein paar Sekunden und sah, wie Hawks Kiefer sich verspannte. »Obwohl was?«
»Nichts«, spuckte er aus. »Man verlieh mir meinen Kaperbrief, der es mir erlaubte, feindliche Schiffe zu überfallen. Ich war ein stolzer Partner der Krone und bekämpfte den spanischen Herrschaftsanspruch auf die Westindischen Inseln. Ich hielt mich an die Regeln und teilte meine Gewinne. Ich war respektabel. Anständig.«
»Wie kam es dann, dass Ihr so tief gefallen und zu dem hier geworden seid?«
Hawks große Hand krampfte sich um Nathaniels Kehle. Seine Ringe gruben sich schmerzhaft in die Haut und schnitten ihm die Luft ab. Er beugte sich wieder zu ihm herab. »Mäßige deine Zunge, Junge, oder ich schneide sie dir ab und füttere dich damit. Verstanden?«
Nathaniel nickte verzweifelt. Entsetzen packte ihn, seine Lungen brannten. Er strampelte mit den Füßen, wollte um sich treten und sich irgendwie befreien. Hawk lockerte seinen Griff, aber er ließ ihn nicht los. Wenigstens reichte es, um wieder atmen zu können. Gerade so.
Mit versteinertem Gesicht neigte Hawk sich noch näher an ihn heran. »An jenem Tag vor sieben Jahren am Admiralitätsgericht, just als ich meine mit Schätzen beladene spanische Galeone vorführte, verkündete dein Vater, dass der spanische Captain von grausamer Behandlung berichtet hätte, die in direktem Widerspruch zu den Regularien stand. Ich wusste, dass dies eine Lüge war, denn der Mann war stets in meiner Kabine geblieben und völlig unverletzt. Ich sorgte dafür, dass kein Gefangener auf meinem Schiff jemals zu Schaden kam.«
»Vielleicht hatte der spanische Captain gelogen«, quetschte Nathaniel hervor. Um ehrlich zu sein, klang die Geschichte genau nach seinem Vater. Alles, um seine selbstsüchtigen Bedürfnisse zu befriedigen.
»Natürlich konnte der Captain selbst nichts mehr dazu sagen, da er in der Nacht zuvor in der Obhut des Gerichts plötzlich gestorben war. Aber mein Kaperbrief wurde für ungültig befunden und im Handumdrehen wurde ich zum Piraten erklärt. Mein Schiff und meine Männer wurden ebenfalls beschlagnahmt.« Wieder verstärkte er den Griff seiner Hand an Nathaniels Hals. »Dein Vater und seine Kumpane verurteilten mich und meine Mannschaft zum Tod am Galgen, ohne eine Sekunde zu zögern. Sie behielten die Galeone für sich und gaben nur einen kleinen Anteil des Goldes an Englands Schatzkammer weiter, habe ich später gehört. Dein Vater ist ein gieriger Lügner. Und du bist wahrscheinlich ganz genauso wie er.«
Nathaniel rang nach Luft. Zitternd griff er nach Hawks Handgelenken und versuchte, den krallenartigen Griff zu lösen.
Sicher will er mich jetzt doch noch nicht töten?!
Glücklicherweise löste Hawk seine Finger. Nathaniel spürte wieder die Reling im Rücken und er verfluchte seinen Vater.
Verdammt seien er und seine unersättliche Gier.
Nathaniel hatte schon viele Geschichten über die sich ausbreitende Korruption in der Neuen Welt gehört, und ein spanisches Schiff voller Schätze wäre mit Sicherheit sehr verlockend. Wieder einmal schwebte er wie ein dunkler Schatten über Nathaniels Leben, selbst in seiner Abwesenheit. Nathaniel sah Hawks grimmigen Ausdruck und die Bitterkeit, die sich auf seinen vollen Lippen abzeichnete. Aber Walter musste warten. Er musste sich mit dem Bösewicht