Название | Der tote Rottweiler |
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Автор произведения | Heike Brandt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948675721 |
Als alle da sind und bei Bobi am Tisch sitzen, kommt der Kellner zu ihnen, nimmt Bobi kurz in den Arm und sagt fröhlich:
„Hallo, ich bin Xabier, Bobis Vater, seid herzlich willkommen!“
„Das ist Amal, das Manuel und das Natalie“, stellt Bobi die kleine Gruppe vor.
„Schön, dass ihr hier seid, ihr seid heute unsere Gäste“, erwidert Xabier lächelnd, streicht sich seine wilden Wuschellocken aus der Stirn und nimmt ihre Bestellungen entgegen. Kurz darauf serviert er die Getränke.
„Heißt das was, Casa Acracia“, fragt Amal und zeigt auf das Schild über dem Eingang.
„Casa – mit scharfem s! – ist Spanisch und heißt Haus, und Acracia ist der Vorname von meiner Oma, meine Großeltern haben das Restaurant aufgemacht, irgendwann vor vierzig Jahren oder so.
„Bedeutet Acracia was?“
„Ja, sowas wie: ohne Herrschaft, ohne Macht.“
„Echt? Wer gibt denn seinem Kind so einen Namen?“, fragt Manuel.
Bobi zuckt die Achseln.
„Die Eltern, nehme ich mal an. Die waren Anarchisten, hat mir meine Oma erzählt. Haben gegen Franco gekämpft.“
„Anarchisten?“
Manuel bekommt runde Augen.
„So Bombenleger und so?“
Xabier, der ein Schälchen mit Erdnüssen und eines mit Oliven an den Tisch bringt, guckt Manuel an, grinst und sagt:
„Ach, Quatsch! Anarchisten sind Leute, die keine Regierung wollen, keinen Staat, keine Macht, alle Menschen sollen selber bestimmen. Weiter nix. Willst du doch auch, selber bestimmen, oder?“
„Schon“, brummt Manuel. „Aber wenn das nun jeder machen würde?“
„Eben, genau darum geht’s“, lächelt Xabier, legt ihm kurz die Hand auf die Schulter und läuft nach drinnen, weil die Küche klingelt.
Manuel guckt ihm mit großen Augen hinterher.
Amal sagt:
„Krasse Idee. Muss ich mir mal durch den Kopf gehen lassen.“
„Sowas macht Xabier gerne“, sagt Bobi. „Wirft einem solche Brocken hin und sagt dann: Denk mal drüber nach.“
„Nice“, sagt Amal und nickt.
„Aber jetzt nicht, jetzt wollen wir über das Projekt reden!“, sagt Natalie und guckt dabei so tatendurstig, als wollte sie einen Spatz in der Regenrinne vor dem Ertrinken retten. Als Erstes möchte sie klären, ob sie nun einen Film machen oder nicht. Manuel sperrt sich, bringt als Alternative Powerpoint ins Spiel, aber da verdrehen die anderen drei sofort die Augen. Powerpoint sei total abgerockt, gehe gar nicht. Weil niemandem was Besseres einfällt, bleibt es erst mal beim Film. Manuel besteht aber darauf, trotzdem Daten und Fakten schriftlich zu sammeln, er will eine Dropbox oder eine Cloud oder sowas einrichten.
„Okay. Und lasst uns ´ne Gruppe einrichten“, sagt Amal.
„Genau“, sagt Manuel und zückt sein Handy. „Ich weiß sogar schon einen Namen!“
„Und?“, fragt Bobi.
„Fantasten!“
„Wieso das denn?“, fragt Natalie irritiert.
„Na, wegen Patrick“, sagt Amal lächelnd. „Nice.“
„Das klingt blöd!“, sagt Natalie. „Wir meinen das doch ernst, oder?“
„Eben“, sagt Amal. „Genau deswegen.“
„Cool“, sagt Bobi. „Aber … wir haben doch auch Mädchen dabei!“
„Genau!“
Amal grinst.
„Sag ich doch! Wir sind doch gar keine Fantasten! Bloß in Patricks Augen. Ist sozusagen ein Zitat.“
Natalie blickt sie verwundert an, sagt aber nichts mehr.
Ein paarmal Tippen, und alle sind miteinander verbunden.
Jetzt endlich kommt Natalie dazu, auf den Tisch zu packen, was sie schon die ganze Zeit vorschlagen will. Sie möchte, dass sie als Erstes Interviews mit sich selbst machen.
„Vor der Kamera. Warum wir bei dem Projekt mitmachen, wer wir sind und so. Ich meine, wir kennen uns doch gar nicht richtig und so.“
„Wie jetzt?“, fragt Bobi erstaunt und nimmt einen Schluck von seiner Apfelschorle. „Geht’s jetzt um uns oder um Frieden und so?“
Für das Projekt müssten sie in jedem Fall Interviews machen, meint Natalie, da sei es doch gut, wenn sie das schon mal ausprobiert hätten. Also warum nicht erst mal bei sich selbst anfangen?
Skeptische Blicke.
„Guckt mal, das ist sozusagen ins Unreine“, sagt Natalie beschwörend. „So eine Art Selbstvergewisserung. Äh, sagen wir ein gespiegeltes Selfie.“
„Geht’s noch komplizierter?“, meint Manuel. „Also, du willst, dass wir uns vorstellen, also du zum Beispiel sagst vor der Kamera, wer du bist, wovon du nachts träumst, in wen du verliebt bist, und warum du das Projekt machst. So, ja?“
Natalie holt tief Luft, zieht die Augenbrauen hoch, antwortet aber nicht. Manuel grinst, dann fügt er hinzu:
„Okay, warum nicht. Kann lustig werden. Bin dabei.“
Amal hebt den Daumen, Bobi auch.
„Aber es müssen alle ehrlich sein“, sagt Amal. „Sonst mach ich nicht mit. Ich hab keinen Bock auf fake storys.“
Manuel zieht sein „Okay …“ kaugummilang, Bobi nickt eifrig und Natalie meint, sonst habe das alles ja keinen Sinn.
„Ich meine, ihr habt doch gehört, wie die anderen drauf sind.“
Das Telefon des Restaurants klingelt laut in ihr Gespräch. Xabier verschwindet hinter der Bar.
Gleichzeitig betritt eine größere Gruppe die Terrasse, Leute vom Chor Liederreigen, die nach dem Singen gemeinsam Essen gehen. Xabier kommt herausgeeilt, macht sich sofort daran, Tische zusammenzustellen und ruft dabei seinem Sohn zu:
„Bobi, te necesito. María llamó, está enferma, y hay un montón de trabajo.“
„Na toll“, erwidert Bobi und zieht ein Gesicht. „Und jeder kann machen, was er will, ja?”
„Venga, es otra cosa y tu lo sabes.”
Xabiers Ton lässt keinen Zweifel offen.
„Was ist denn los?”, fragt Natalie.
„Sorry, die Party ist zu Ende. Ihr müsst ohne mich weitermachen. Die Frau, die hinterm Tresen arbeitet, ist krank, ich muss einspringen; ihr seht ja, was los ist. Scheiße, aber was soll ich machen?“
Xabier verteilt Speisekarten an die neuen Gäste und nimmt die Getränke auf. Bobi geht hinter die Bar, Bier zapfen, Mineralwasser eingießen, Radler oder Schorle mischen, Weinflaschen aufmachen, Gläser spülen, Gläser spülen, Gläser spülen und Cafecitos zubereiten. Die meisten Gäste bestellen allerdings Espresso. Spanier oder Italiener, wer will das schon so genau wissen.
Kurz darauf beenden Natalie, Manuel und Amal das Treffen und brechen auf. Amal kommt zum Tresen und informiert Bobi:
„Wir treffen uns übermorgen um die gleiche Zeit im Schrebergarten von Natalies Eltern, in der Kolonie Unsere Scholle, und machen erst mal die Interviews mit uns, okay?“
Er nickt und überlegt krampfhaft, was er sagen könnte, damit sie noch ein bisschen bleibt. Aber da hat sie schon „Tschüs, bis morgen!“ gesagt, und weg ist sie. Enttäuscht blickt