Drachenwispern. Christian D'hein

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Название Drachenwispern
Автор произведения Christian D'hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991075288



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König ein klein wenig zusammen und er musste sich beherrschen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.

      »Verzeiht meine Zweifel, Mensch, aber diese Mächte, von denen Ihr sprecht, ich glaube nicht, dass sie existieren. Zweifelsohne wandelten die Schattenwesen einst in unseren Gestaden, aber seit nunmehr dreihundert Jahren ist kein Drache mehr gesichtet worden und kein Riese zeigte sein Antlitz. Wenn Ihr mich fragt, klammert sich Eure Organisation an längst überholten Aberglauben, denn wenn es die Mächte, von denen Ihr sprecht, tatsächlich gäbe, so könnte doch ein Mensch wie Ihr niemals etwas gegen sie ausrichten! Die einzige reale Gefahr für mein Reich geht von den ständigen Übergriffen der Unholde aus, aber gegen diese weiß meine Armee sich durchaus zur Wehr zu setzen, wie Ihr an den hässlichen Fratzen auf den Palisaden im Grenzgebiet unschwer erkennen könnt«, entgegnete Eldor höhnisch.

      Der Blick des Gesandten verfinsterte sich und als er den König drohend anfunkelte, glaubte dieser tatsächlich, von dem Blick durchbohrt zu werden, und sackte etwas in sich zusammen.

      »Ob Ihr nun an die dunklen Mächte glaubt oder nicht, es ist mir einerlei!«, fauchte der Mann ihn an, »aber Ihr werdet Euren Teil des Vertrages erfüllen. Ihr schuldet uns einen jungen Soldaten, der noch nicht von Euren Intrigen vergiftet ist. In einem Zyklus komme ich wieder und dann erwarte ich, dass der Tribut gezahlt wird!«

      Dann wandte er Eldor den Rücken zu, ehe dieser auf die Drohung reagieren konnte und marschierte erhobenen Hauptes aus der Halle. Als die Torflügel hinter ihm zuschlugen, sackte der König auf seinem Thron zusammen und fuhr sich mit der Hand durch das lange Haar. Er konnte die Aquiron nicht leiden, denn er glaubt tatsächlich, dass sie nur ihre Macht ausbauen wollten, um am Ende alle freien Reiche zu stürzen und selbst die Herrschaft an sich zu reißen. Doch ihm war auch bewusst, dass seine Armee nicht stark genug war, um ihn gegen diese Gemeinschaft zu verteidigen. Zu lange hatten die Aquiron ihre Streitkräfte ausgebaut. Zu lange ihre Macht gestärkt. Nun konnte sich selbst der Elfenkönig ihnen nicht mehr offen entgegenstellen und ihm war bewusst, dass er ihrer Forderung nachkommen musste, um sich selbst zu schützen. Denn ihm waren bereits Berichte aus anderen Ländern zu Ohren gekommen, laut denen Fürsten und selbst König von den Aquiron entmachtet und ersetzt worden waren, weil sie vertragsbrüchig geworden waren. Lange grübelte er über das Problem nach, bis sich nach und nach eine Lösung in seinem Kopf formte. Lächelnd gewann er etwas von seiner aufrechten Körperhaltung wieder. In genau zwei Zyklen, und damit zeitgleich mit der Rückkehr des Gesandten, sollten einige Rekruten vereidigt werden. Einen dieser Rekruten würde er opfern und zwingen, den Aquiron beizutreten. Er musste nur noch herausfinden, welcher am wenigsten Erfahrung hatte und am besten noch Verbindung zu den wenigen Rebellen in seinem Land. Vielleicht war ja ein Kind eines Verschwörers oder Eidbrechers unter ihnen. Indem er sich dieses Rekruten entledigte, wären den Aquiron die Hände gebunden, da er die Bedingungen des Vertrages eindeutig erfüllte, doch er würde gleichzeitig seine eigene Krone stärken, indem er einen Risikofaktor vernichtete. Alles, was er brauchte, war ein geeigneter Kandidat. Aber Eldor zweifelte nicht daran, dass sich einer finden würde. Und so konnte der Elfenkönig doch noch mit einem hinterlistigen Lächeln auf den Lippen in sein Schlafgemach zurückkehren und endlich seine wohlverdiente Ruhe genießen, nicht ohne vorher der Wache vor der Tür mit einem grausamen Tode zu drohen, falls sie ihn in dieser Nacht noch einmal, aus welchem Grund auch immer, stören würde.

      7

      Ungeduldig schritt Elynia vor dem Portal auf und ab. Die junge Elfe wartete schon seit geraumer Zeit hier, schon seit sie in den frühen Morgenstunden in ihrem Quartier erwacht war. Wie sonst auch, wenn sie nervös war, zwirbelte sie eine Strähne ihres langen Haares zwischen Daumen und Zeigefinger und roch unauffällig daran. Es roch frisch, nach blühenden Blumen, denn sie hatte es am Morgen extra mit Rosenwasser gewaschen. Immerhin war heute ihr großer Tag. Denn heute würde sie ihren Eid schwören und endlich ein vollwertiges Mitglied der Armee werden. Ein glückliches Lächeln erschien auf den Zügen der Elfe. Anfangs hatte sie versucht, ein Gespräch mit der Torwache zu führen, um sich die Zeit zu vertreiben, doch der Elf in seiner schillernden Rüstung hatte nur einsilbige Antworten auf ihre Fragen gegeben, daher hatte sie es nach einiger Zeit aufgegeben und tigerte nun stattdessen unter seinem prüfenden Blick auf und ab. Gerade als Elynia zum gefühlt tausendsten Mal zu ihm blickte, kam Bewegung in den Elf und er gab seinen strammen Stand auf, um das Tor ein kleines Stück zu öffnen. Hocherfreut wollte sie sich in den Thronsaal begeben, doch die Wache bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln, dass das Tor für sie noch nicht offen war. Verwirrt und enttäuscht ließ sie die Schultern sinken und drehte sich weg, wodurch ihr Blick auf eine Gestalt in langem Kapuzenmantel fiel, die sich nun an ihr vorbei auf das Portal zubewegte. Als sie auf ihrer Höhe war, drehte die Gestalt leicht den Kopf und sah ihr direkt in die Augen, eine Bewegung, bei der der Kapuzenstoff verrutschte. Fasziniert sah sie in ein Paar alter, stahlgrauer Augen. Erst als die Gestalt den Blick wieder abwandte, löste sich der Bann von ihr und Elynia wurde mit einem Schrecken bewusst, dass es sich um einen Menschen handelte. Der Mann begab sich auf direktem Wege in den Thronsaal. Überrascht sah Elynia ihm nach und lauschte auf die wenigen Worte, die noch zu ihr getragen wurden, ehe die Torflügel sich wieder schlossen: »Ah, mein lieber Freund, ihr seid zurück! Und wie versprochen sollt Ihr auch erhalten, was unser Vertrag Euch zusichert!«

      Verwundert fragte sie sich, wieso ein einfacher Mensch in den heiligen Hallen der Elfen so freundlich behandelt wurde, anstatt dass man ihn direkt hinrichtete, wie es sich gehörte.

      »Das ist wohl wieder ein Schachzug in dem Ränkespiel der Mächtigen und Reichen, in das die einfache Bevölkerung absichtlich nicht eingebunden ist«, entschied sie dann gleichgültig.

      Allerdings behielt sie diese Gedanken für sich, denn sie wusste, dass jeder Affront gegen die Obrigkeit hart bestraft wurde. Denn so edel die Elfen sich nach außen hin geben mochten, so eitel und eisern waren sie unter ihresgleichen. Jeder, der ein Gesetz brach, wurde von der Hofgarde in die Türme der Vergebung, einem Bauwerk in einem entlegenen Waldstück, gebracht. Dort erhielt man dann seine Strafe, fernab von den schillernden Straßen der Städte. Dennoch hielt sie dieses Verfahren nicht für grausam, denn Elynia war klar, dass es eine Obrigkeit geben musste, damit Recht und Ordnung aufrechterhalten werden konnten. Und das Wissen um die Konsequenz, wenn man sich gegen das System auflehnte, war ebenfalls von positiver Natur, denn es half der Bevölkerung, zu ihrer eigenen Vollendung zu gelangen. Für sie stand außer Zweifel, dass ein wahrhaft edler Elf sich an jegliche Regeln des Anstands und der Höflichkeit hielt, wozu zweifelsohne das Befolgen der Gesetze zählte. Und wer das hehre Ziel der Perfektionierung eines ganzen Volkes verfolgte, der musste eben jene wenigen entfernen, die vom rechten Pfad abgekommen waren. Geringe Opfer zum Wohle der Allgemeinheit zählten schließlich zum normalen Lauf der Natur. Plötzlich riss die Torwache sie aus ihrer Überlegung.

      »Rekrut!«, bellte der Soldat sie an, »es sind nun alle Vorbereitungen für die Zeremonie getroffen. Wappne dich!« Mit einem Mal hatte sie einen Kloß im Hals und musste schwer schlucken, aber dann nickte sie und straffte die Schultern. Der Wächter musterte sie scharf und wirkte zufrieden, erst dann klopfte er mit dem Schaftende seiner Hellebarde zweimal laut gegen das Portal. Wie von Geisterhand schwangen beide Torflügel gleichzeitig auf, ohne das leiseste Knarren. Zum ersten Mal in ihrem Leben erblickte Elynia die Pracht des Thronsaales. Zu beiden Seiten des Portals erstreckten sich kunstvolle Säulen, bis vor zum Kopfende. Dazwischen erhoben sich ehrwürdig die mächtigen Statuen der vorangegangen Elfenkönige. Am Kopfende des Saales befanden sich nur drei Stühle. Einer, auf dem der engste Berater des Königs saß, einer, gearbeitet aus glänzendem Silber, der für die Gattin des Königs war. Dieser war leer. Und in der Mitte der goldene Thron des Königs, auf dem der Herrscher Eldor persönlich thronte und ihr mit strengen Augen entgegenblickte. Als die Fanfaren der Trompeten einsetzten, kam auch in Elynia Bewegung. Langsam setzte sie einen Fuß vor den andern und näherte sich mit gemessenem Schritt dem König. Dabei hatte sie das Gefühl, dass die Blicke der Statuen streng auf ihr lasteten und sie kam sich plötzlich klein und unwichtig vor. Sie erreichte den Fuß der Treppe, die zu der Erhebung mit dem Thron führte, und sank auf die Knie. Die Fanfaren verstummten, als sie den Kopf ehrerbietig senkte. Elynia schloss kurz die Augen, dann sprach sie ohne zu zögern und mit fester Stimme den Eid, wie es seit Jahren festgeschrieben war.

      »Mein Schwert, um den König