Drachenwispern. Christian D'hein

Читать онлайн.
Название Drachenwispern
Автор произведения Christian D'hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991075288



Скачать книгу

des Sumonjahres

      Dies sind die geheimen Kapitel der Geschichte des Ordens, niedergeschrieben von ah un Anah, auf Geheiß von Sinthol von Nirath, dem letzten Ordensvater. Der du diese Zeilen liest, strebst nach einem Wissen, welches auf ewig fest verschlossen sein sollte. Bewahrt, aber niemals gelesen. Denn Wissen ist Macht. Und zu viel Macht verändert die Leute. Sie vergessen ihre Überzeugungen, missachten die Eide, die sie einst geschworen, und wissen schließlich selbst Geliebte nicht mehr vom Feind zu unterscheiden, da sie allem und jedem zu misstrauen beginnen. Daher lass dir aus tiefstem Herzen und in deinem eignen Interesse geraten sein, lege diese Schrift von dir, erneuere das Siegel und halte sie unter Verschluss, sonst wirst du in diesen Zeilen womöglich dich selbst verlieren.

      Wenn aber die Zeit der höchsten Not gekommen ist, da das Wissen um die Geschichte unabdingbar wird, so lese weiter, begleitet von unser aller Glückwünschen, denn dir wurde eine schwere Bürde auferlegt, die zu schultern nicht leicht wird. So erfahre nun, was sich tatsächlich zugetragen hat. Die ungeschönte Wahrheit mit all ihren Weisheiten und Skrupeln.

      1. Die Dunkelheit

      Geht man als Kind zu einem Weisen und fragt: Woher kommt die Dunkelheit?, so erhält man immer dieselbe Antwort. Die Dunkelheit existiert, weil auch das Licht existiert. Daher gibt es neben den erleuchteten Teilen unserer Welt auch ebenso finstere, auf der anderen Seite des großen Wassers, des Carus. Die Ödlande, wie sie nun häufig genannt werden, sind keineswegs das dunkle Gegenstück zu den Reichen der Menschen, Zwerge und Elfen. Ihre Unfruchtbarkeit entstammt allein dem Umstand, dass sie die ältesten Gebiete der Welt beinhalten. Daher wirkt dort noch heute, was einst die gesamte Welt beherrschte. Die Dunkelheit. Noch vor der Zeit des Lichtes war alles in tiefste Finsternis gehüllt. Kein Lebewesen erinnerte sich mehr an die Sterne, denn der Himmel war verdunkelt von einem undurchdringlichen Schatten. Eine Macht hielt die Welt in ihren grausigen Klauen gefangen, unterstützt von einer Armee aus all jenen Wesen, die nunmehr nur noch als Mythen und Legenden in Erinnerung geblieben sind. Nur wenige standen nicht unter dem Bann der Dunkelheit, nämlich eben jene Kreaturen, die ein eigenes Licht zu erzeugen wussten, tief im Inneren ihrer Herzen, da sie Gemeinschaften gründeten. Sie strahlten ein eigenes Licht aus und empfingen das der anderen, dank der Gefühle, welche sie füreinander hegten. Denn sie hatten Völker gebildet. Und jeder für sich waren sie stark. Stark genug, damit eine Idee in ihren Köpfen reifen konnte, ein Wille. So kam es zu eben jener Zeit, da kein Elf unter den Sternen zu wandeln vermochte und keine Sonne die Äcker der Menschen beschien, dass jedes Volk ihre Besten entsandte, um der Dunkelheit entgegenzuziehen und jenen Schatten zu besiegen, der alles in seinen Fängen hielt. Sie alle kamen zusammen, denn auch ohne dass es eine Absprache gegeben hätte, versammelten sie sich alle in Naquail, dem Tal an der Grenze der Ödlande. Dort trafen die Gesandten das erste Mal aufeinander. Von allen Völkern waren sie gekommen, angeführt von den Vertretern der Menschen und Elfen. Aber auch die Zwerge in den Höhlen des Kjarzgebirges hatten den Schatten im Schein ihrer Diamanten und Juwelen bemerkt und waren gekommen und selbst die Unholde, Trolle, Goblins und Orks aus dem Schwarzgebirge kamen. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft berieten sie miteinander, da ihnen allen klar war, dass sie nur gemeinsam Erfolg haben konnten. Doch ihre Differenzen waren zu groß und es kam zum Streit zwischen den Zwergen und den Bewohnern des Schwarzgebirges. Schon drohte das Treffen in einem Blutbad zu enden, aber dann verließen die Unholde die neue Gemeinschaft, entgegen dem Bitten der Menschen. Sie wurden von dem Bündnis ausgestoßen und seit jeher wurde kein Kontakt mehr zu ihnen gepflegt. Die restlichen Gesandten jedoch wurden von diesem Ereignis aufgerüttelt und waren nun umso mehr entschlossen, ihre Aufgabe zu erfüllen. Sie schworen einen feierlichen Schwur, als Brüder und Schwestern Seite an Seite zu stehen und gemeinsam zu siegen oder zu sterben. Um ihren Eid zu besiegeln, schrieben sie alle ihre Namen auf ein Pergament und vereinigten sich unter einem von ihnen gewählten Namen: Aquain. Eine neue Macht war entstanden, um dem Schatten entgegenzuwirken. Dies war die Gründung unseres Ordens.

      6

      Schwerfällig und mit äußert schlechter Laune hob König Eldor das Haupt, als die beiden Torwachen in ihren prunkvollen goldenen Rüstungen die Tore zu seinem Thronsaal öffneten. Es war noch in den frühen Morgenstunden und es würde noch einige Zeit dauern, bis die Sonne den Horizont erklomm. Und zu eben dieser unwürdigen Zeit hatte man den Elfenkönig aus seinem Schlaf gerissen, wegen eines einfachen Gesandten, der der festen Überzeugung war, sein Anliegen erlaube keinen Aufschub. Doch dem König fiel es schwer, auch nur irgendetwas zu ersinnen, das es rechtfertigte, ihn aus seinem Schlaf zu reißen. Denn er war zwar inzwischen angekleidet und saß aufrecht auf seinem Thron, um den Gesandten zu empfangen, doch dafür musste er nun mit pochenden Kopfschmerzen kämpfen. Allerdings war er fest entschlossen, seinen Unmut an dem Störenfried auszulassen, denn er zweifelte keine Sekunde daran, wer ihn geschickt hatte. Nur eine Gruppe von missratenen Blendern war so dreist, es zu wagen, ihn zu dieser Zeit aufzusuchen. Und kaum dass der Gesandte in seinem braunen Umhang eintrat, bestätigte sich auch schon seine Befürchtung. Denn auf seiner Mantelschnalle glänzte deutlich erkennbar ein Wappen, zwei gekreuzte Schwerter vor einem sich aufbäumenden Drachen. Das Zeichen der Aquiron. Obwohl es schon fast ein Zeitalter her war, dass zuletzt ein Gesandter der Aquiron die heiligen Hallen der Elfen betreten hatten, hasste Eldor sie aus tiefstem Herzen. Denn in seinen Augen waren diese Bastarde viel zu respektlos gegenüber der Krone. So auch jetzt. Denn der Gesandte sank nicht etwa auf die Knie, wie es einem Mann seines Ranges vorgeschrieben war, sondern er begnügte sich mit einem kurzen Nicken. Wütend funkelte der König ihn an.

      »Was wollen die Aquiron zu einer solchen Zeit von mir? Sprecht rasch!«, fauchte er den Gesandten unwirsch an.

      Doch seine Worte erzielten nicht die gewünschte Wirkung, denn weder zuckte die Gestalt zusammen, noch wich sie zurück, im Gegenteil, sie trat bis auf wenige Schritte an den Thron heran, ehe sie langsam die Hand hob, um die Kapuze zurückzustreichen. Mit Genugtuung bemerkte Eldor die schrumpelige Haut mit den Altersflecken darauf und ein abschätziges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Doch der Anblick, der sich ihm bot, wischte das Lachen aus dem Gesicht und ersetzte es durch eine Maske des Entsetzens. Denn unter der Kapuze kam nicht etwa ein von Äonen gezeichneter Elf zum Vorschein, sondern ein Mensch! Direkt vor dem Elfenkönig stand ein alter Mann mit ungepflegtem, weißem Bart und kaum Haupthaar. Einen Moment lang verschlug der Schock Eldor die Sprache. Dann wallte unbändiger Zorn in ihm auf. Diesmal waren die Aquiron zu weit gegangen. Es war ein unverzeihlicher Frevel für einen Menschen, die Königshallen zu betreten und Eldor war klar, dass die Aquiron dies nur zu gut wussten und es sich um eine reine Provokation handelte, dass sie keinen Elf, sondern einen einfachen Menschen geschickt hatten.

      »Wachen!«, kreischte er schrill und deutete mit dem Finger anklagend auf den Mann, »entfernt sofort diesen Frevler aus meinen Hallen! Sperrt ihn in eine sichere Zelle, aus der er nicht fliehen kann und richtet ihn mit den ersten Strahlen der Sonne hin!«

      Die Torwächter reagierten augenblicklich und zogen ihre schlanken Schwerter, um den Mann von beiden Seiten in die Zange zu nehmen. Dieser rührte sich immer noch nicht von der Stelle, doch hob er nun abwehrend die Hände und riet leise, aber bestimmt: »Ihr tätet gut daran, Eure Schoßhunde zurückzurufen! Ihr wollt doch sicher nicht, dass Euer kostbarer Thronsaal mit dem Blute unschuldiger Elfen befleckt wird!«

      Mehr als alles andere, was der Mann hätte tun können, entsetzte Eldor die unverhohlene Drohung. Normalerweise hätte er ihn auf der Stelle töten lassen, doch als der Mensch nun seinerseits ein Schwert aus der Scheide zog, welches zuvor sorgsam unter dem Mantel verborgen gewesen war, strahlte er eine solche Macht und Autorität aus, dass die Torwachen unsicher stehen blieben und zweifelnd zu ihrem König blickten. Widerwillig schluckte dieser seinen Zorn hinunter und bedeutete ihnen mit einer kurzen Handbewegung, zu ihren Posten zurückzukehren.

      Der Mann nickte ihm zufrieden lächelnd zu.

      »Eine weise Entscheidung, mein Herr.«, sprach er in gelassenem Ton, »sicher fragt Ihr Euch, was wohl der Grund für meinen Besuch ist.«

      Es war mehr als offensichtlich, dass es sich hierbei um eine rein rhetorische Frage handelte, dennoch bekundete Eldor brummend seine Zustimmung.

      »Nun«, fuhr der Mann fort, »wie Ihr sicherlich wisst, beschützen die Aquiron seit jeher die Grenzen Eures Landes vor