Название | Drachenwispern |
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Автор произведения | Christian D'hein |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991075288 |
»Ich habe doch schon gesagt, dass ich mich um die Wachen gekümmert habe!«, tadelte sie ihn in wütendem Ton, »aber wenn du vorhast, dich weiter mit diesem Tempo fortzubewegen, kannst du auch gleich zurück in deine Zelle gehen und deinen Strick fertigstellen, denn so kommen wir hier niemals heraus. Und ich halte nicht meinen Kopf für einen Narren hin. Wenn es brenzlig wird, verschwinde ich und diesmal lass ich dich in diesem Loch versauern!«
Damit wandte sie sich ab und marschierte noch schneller als zuvor weiter. Ardun gab sich Mühe, mit ihr Schritt zu halten und ein kleines Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er sie vor sich hin schimpfen hörte: »Menschen!«
Obwohl er sich in Wackenstein auskannte und auch die Kerkergänge nicht selten erblickt hatte, da er häufig für wenige Tage eingesperrt worden war, wenn er bei der Arbeit einen Fehler begangen hatte, folgte er der Führung der Elfe, die sich hier unten mindestens genauso gut zurechtzufinden schien wie er. Sie passierten zwei weitere Wachen, die ebenfalls ohne Bewusstsein waren. Doch da Ardun die Warnung der Elfe nicht vergessen hatte, dass die Wirkung der Betäubung nicht ewig anhalten würde, nahm er einem der Männer das Krummschwert ab und gürtete es selbst. Einarmig, wie er momentan war, stellte ihn dies vor einige Schwierigkeiten, doch schließlich gelang es ihm, die Schnalle über der Hüfte zu schließen. Dann blickte er auf und sah Lian an, die ihn mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete. Zu seiner Erleichterung erhob die Elfe keine Einwände, sondern wandte sich stumm ab. Sie bogen noch zweimal rechts und einmal links ab, dann fanden sie sich am Fuße der schmalen Wendeltreppe wieder, die hinauf in die höheren Geschosse der Burg führte. Nun konnte er es kaum mehr erwarten, endlich hinaus an die frische Luft zu gelangen, und er setzte eilig einen Fuß auf die unterste Stufe, doch Lian zog ihn zurück und bedeutete ihm, leise zu sein. Dann postierte sie sich an der Wand neben der Treppe, sodass man sie von den Stufen aus nicht sehen konnte. Ohne weiter nachzudenken, tat Ardun es ihr gleich und spitzte die Ohren. Hatte die Elfe etwa jemanden gehört? Vielleicht eine Wache, bei der ihr Trank bereits die Wirkung verloren hatte? Mit pochendem Herzen wartete er. Doch schon nach wenigen Augenblicken vernahm auch er, was die Elfe bereits zuvor bemerkt hatte. Dumpfe Schritte drangen die Treppe hinunter, erzeugt von gerüsteten Stiefeln auf den Stufen. Das Geräusch erklang in einem steten Rhythmus, wer auch immer kam, hatte also keine Eile. Diese Erkenntnis beruhigt Arduns Nerven ein wenig, denn augenscheinlich handelte es sich nicht um einen Soldaten, der einen Ausbruch vermutete. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass der Neuankömmling ihnen genau in die Arme laufen würde. Schon jetzt konnte er den rötlichen Schein einer Fackel an der Wand erkennen, dicht gefolgt von einem großen Schatten. Außerdem fürchtete er, dass man ihn durch das gesamte Gewölbe hören musste. Auf seiner Stirn bildeten sich dicke Schweißperlen und er legte unsicher eine Hand auf den Schwertknauf an seiner Hüfte. Die Waffe zu fühlen gab ihm ein kleines Gefühl von Sicherheit, obwohl er noch nie zuvor gekämpft hatte und gegen einen ausgebildeten Soldaten zweifelsohne nicht den Hauch einer Chance hatte. Aber seine Sorge war unbegründet, denn er kam gar nicht dazu, von der Waffe Gebrauch zu machen. Dafür ging alles viel zu schnell. Gerade erst war ein hochgewachsener Soldat auf den unteren Stufen erschienen, da schnellte auch schon Lian aus ihrem Versteck hervor und versetzte dem Mann einen Hieb gegen die Schläfe, wobei sie sich des Knaufes eines Dolches bediente, den sie zuvor verborgen gehalten hatte. Der Soldat verdrehte die Augen und fiel ungebremst zu Boden. Die Fackel in seiner Hand schlug auf dem Stein auf und erlosch. All das war geschehen, ehe Ardun auch nur die Zeit gefunden hatte, zu reagieren. Nun bückte er sich zu dem Mann und betrachtete das Werk der Elfe. Der Soldat trug keinen Helm, daher hatte ihn der Schlag mit voller Wucht getroffen, wodurch er eine blutende Kopfwunde davon getragen hatte. Aber er stellte erleichtert fest, dass der Mann nicht etwa tot war und die Wunde überleben würde. Dankbar lächelnd sah er zu Lian, doch der Gesichtsausdruck der Elfe, war furchteinflößend.
»Was wollte dieser Narr hier?«, fluchte sie, »es ist noch viel zu früh für eine Wachablöse!«
Ardun beobachtete sie stirnrunzelnd, ehe er vorsichtig fragte: »Was ist denn so schlimm daran? Ihr habt ihn doch überwältigt.«
Noch während er die Worte aussprach, bereute er schon, etwas gesagt zu haben, denn nun richteten sich die zornigen Augen der Elfe auf ihn und sie fauchte ihn an: »Was daran schlimm sein soll? Oh, eigentlich nichts. Es bedeutet ja lediglich, dass ein Soldat außerhalb des Wachwechsels die Kerker betreten hat, ohne dass wir wissen, weshalb! Was machen wir denn bitte, wenn er nur kurz geschickt wurde, um etwas zu holen und man ihn in Kürze oben vermisst? Findest du es dann vielleicht schlimm? Wenn du von Schwertern umzingelt und in Ketten in deine Zelle zurückgeschleift wirst?«
Ardun wagte es nicht, etwas zu entgegnen und schlug die Augen nieder. An Lians Worten war unbestreitbar etwas Wahres dran und so beschwerte er sich nicht, als sie noch rascher als zuvor die Treppe erklommen, obwohl sein Körper sich gegen die Anstrengung aufbäumte. Zur Sicherheit, falls sie noch weiteren Soldaten begegnen sollten, zückte er aber das Schwert und hielt die blanke Klinge vor sich. Doch die Schneide zitterte erbärmlich, da er die Waffe mit links halten musste. Glücklicherweise erreichten sie ohne weitere Zwischenfälle die nächste Ebene und auch in der Eingangshalle stellte sich ihnen niemand in den Weg. Die Elfe lief schnurstracks auf den Dienstboteneingang zu und machte sich an dem Schloss zu schaffen, doch Ardun zögerte noch und starrte auf die Treppe zu seiner Linken. Er müsste nur diese Stufen hinaufgehen, dann würde er die Gemächer des Fürstensohnes erreichen. Der Gedanke, mit einem Schwert bewaffnet vor dem Bett zu stehen, wenn Idan erwachte und ihn dann für das büßen zu lassen, was er ihm angetan hatte, war verlockend. Außerdem würde er damit dem Volk einen großen Dienst erweisen! Doch als er das Klicken eines Schlosses hörte und die Tür vor Lian aufsprang, wandte er sich mit einem Seufzen von der Treppe ab und verwarf seine Rachepläne. Ein kleiner Teil von ihm war sogar froh darüber, nun keinen Menschen töten zu müssen. Stattdessen trat er gemeinsam mit der Elfe durch die geöffnete Tür aus der Burg hinaus und atmete endlich wieder frische Luft, während ein sanfter Wind sein Haar umwehte. Wie in Trance sah er zu den leuchtenden Sternen am Himmel auf und eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel und kullerte ihm über die Wange. Rasch wischte er sie weg, da er vor der Elfe nicht schwach wirken wollte und nahm dankbar den dünnen Mantel an, den sie ihm reichte, denn seine zerschlissene Kleidung konnte die Kälte der Nacht nicht abhalten. Von hier an war ihre Flucht ein Kinderspiel. Hinab über den verlassenen Marktplatz und dann an einer unbewachten Pforte durch die Mauer. Geduckt entfernten sie sich so schnell wie möglich von der Feste, während Ardun immerzu die Ohren spitzte und in jedem Moment befürchtete, hinter sich die Alarmglocken zu vernehmen. Doch sie erreichten unbehelligt ein kleines Waldstück, bei dem sie von zwei Pferden erwartet wurden, die ordentlich gesattelt hier angepflockt waren. Lian löste die Leinen der Pferde und reichte ihm die Zügel des Rappen. Ungelenk stieg er auf den Rücken des Gauls, wobei seine ersten Versuche scheiterten, da er nicht die Kraft hatte, sich aus dem Steigbügel in den Sattel zu schwingen. Er wusste später nicht mehr, ob er es selbst geschafft hatte oder ob die Elfe ihm geholfen hatte, aber schließlich saß er doch oben auf und umklammerte mit klammen Fingern die Zügel. Das andere Pferd setzte sich vor seines und begann erst zu traben, dann immer schneller zu galoppieren und das seine folgte, ohne dass er es gelenkt hätte. Wenig später stoben sie in die Nacht davon und ließen Wackenstein weit hinter sich.
5
Mit vor Aufregung zitternden Fingern brach sie das Wachssiegel, welches den Papyrus seit etlichen Jahren fest verschlossen gehalten hatte. Begierig auf das Wissen, welches sie nun erlangen sollte, entrollte sie es und begann,