Drachenwispern. Christian D'hein

Читать онлайн.
Название Drachenwispern
Автор произведения Christian D'hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991075288



Скачать книгу

die Wassermenge abnahm, wenn auch nur sehr langsam. Doch als die Elfe nun ihre Hände ausstreckte und die Handflächen sanft auf die Wasserfläche legte, stoppte der Abfluss und das Wasser schien zu erstarren. Fasziniert beugte Ardun sich näher, während das Wasser sich langsam zu verändern begann. Zunächst wandelte sich die Farbe. Die Oberfläche wurde erst stahlgrau, dann fast durchsichtig, ehe sie zu einem glänzend silbrig wurde. Gleichzeitig komprimierte sich die Masse des Wassers. Es wurde immer fester zusammengedrückt, bis es an manchen Stellen nur noch eine hauchdünne Scheibe war. Ardun war gefesselt von dem Schauspiel, bemerkte aber dennoch die Schweißperlen auf Lians Stirn und die Anstrengung in ihrem Blick. Einen kurzen Augenblick wandte er seinen Blick von dem Wasser ab und betrachtete das Gesicht der Elfe, da sackte sie plötzlich schwer atmend in sich zusammen. Erschöpft keuchte sie hervor:

      »Es ist vollbracht.«

      Neugierig sah Ardun in das Becken. Das Wasser war verschwunden. Stattdessen lag auf den Steinen eine schmale Klinge, etwas länger als sein Unterarm, und sie glänzte wie ein einsamer Stern in der Nacht. Der Griff war kunstvoll gewunden und mit mystischen Mustern versehen. Es war der schönste Dolch, den Ardun je gesehen hatte. Vorsichtig streckte er die Hand danach aus, hielt dann aber inne und sah fragend zu Lian. Diese nickte ihm aufmunternd zu und so hob er ehrfürchtig die Waffe aus dem Becken. Sie war unglaublich leicht und schmiegte sich perfekt in seine Hand Probeweise machte er ein paar Bewegungen und hielt freudig verblüfft inne. Die Elfe hatte nicht zu viel versprochen, als sie meinte, es handle sich um eine Verlängerung seines Armes. Leicht wie eine Feder und doch hart wie Diamant kam ihm die Klinge vor. Es war ein Meisterwerk. Ein königliches Geschenk. Unendlich dankbar drehte er sich zu Lian herum. Nie zuvor hatte er etwas Wertvolles sein Eigen nennen können. Und nun schenkte ihm diese Elfe eine solche Kostabarkeit. Jetzt brannte er umso mehr darauf zu lernen, diese Waffe auch zu gebrauchen. Und doch konnte er nicht anders, als zu versuchen, das Geschehene zu verstehen. Daher fragte er die Elfe begierig:

      »Wozu war die Kohle vonnöten?«

      Lian wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, ehe sie antwortete: »Wenn ich nur Wasser verwendet hätte, um die Waffe zu erschaffen, wäre sie in deinen Händen nutzlos, da du das Wasser nicht kontrollieren kannst. Daher habe ich Kohle hinzugefügt, die ich durch die Komprimierung des sie umgebenden Wassers einem extremen Druck ausgesetzt habe. Dadurch ist ein Diamant entstanden, den ich mit dem Wasser verbunden habe und so einen neuen Stoff, eine einzigartige Legierung erschaffen habe.« Ardun war schwer beeindruckt von den Fähigkeiten Lians, aber er konnte es sich dennoch nicht verkneifen, spöttisch zu entgegnen: »Wenn Diamanten wirklich nur Kohle sind, dann wären die Menschen in den Städten allesamt reich!« Lian bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick, ehe sie tadelte: »Natürlich ist Kohle kein Diamant! Aber tausende von Jahren können sie unter der Erde zu Diamanten werden lassen. Alles, was ich getan habe, war, einen enormen Druck zu erzeugen und somit diesen natürlichen Prozess zu beschleunigen. Und wie du siehst, hat es durchaus funktioniert.«

      Ardun senkte entschuldigend den Kopf und strich über die Klinge. Sie fühlte sich wunderbar kühl an. Seine Finger wanderten bis zur Spitze und dann langsam die Schneide hinab. Sie war schärfer als alles, was er bisher kennengelernt hatte, und ein roter Blutstropfen löste sich von seinem Finger, da er sich die Haut aufgeritzt hatte. Zufrieden lächelnd machte er sich daran, einige überflüssige Lederstücke von seinem Sattel abzutrennen, um daraus eine behelfsmäßige Scheide zu formen, die er mit Ranken an seinem Gürtel befestigte. Nun fühlte er sich für alles gerüstet, was da auch kommen mochte.

      9

      Elynia war schon weit früher an den Stadttoren, als nötig gewesen wäre. Beladen war sie nur mit einem kleinen Bündel, ihren Waffen und leichter Reisekleidung. Der Morgen verging und auch die verabredete Stunde kam und ging, ohne dass sie Gesellschaft bekam. Hinter sich hörte sie die Stadt erwachen. Zunächst ertönten die Fanfaren der morgendlichen Wachablöse, dann das Rumpeln der Karren, als der Markt eröffnet wurde und zuletzt das Trappeln tausender Füße, als der Rest der Bevölkerung aus seinem Schlummer erwachte. Die junge Elfe lauschte aufmerksam, doch sie sah nicht zurück. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und würde die Reichsstadt auf unbestimmte Zeit verlassen, vielleicht sogar für immer. Daher wollte sie sich den Abschied nicht unnötig noch schwerer machen. Deshalb wandte sie den Bauten abweisend den straff durchgedrückten Rücken zu.

      »Willst du nicht noch einen letzten Blick auf deine Heimat werfen?«, ertönte plötzlich eine gehässige Stimme hinter ihr, »du wirst sie garantiert nie wiedersehen.«

      Elynia ging nicht auf den feindseligen Ton ein und entgegnete schlicht: »Ich habe bereits Abschied genommen.« Der Mensch trat mit gelangweilter Miene vor sie und zuckte belanglos mit den Schultern. Dann wandte er sich ab und entfernte sich gemütlich in Richtung Norden von der Elfenhochburg. Er hatte nichts gesagt, daher nahm Elynia an, dass sie ihm folgen sollte. Eine Weile trottete sie ihm hinterher, ohne dass der Mann ein Wort mit ihr sprach oder sie auch nur eines Blickes würdigte. Irgendwann hielt sie es dann nicht mehr aus und beschwerte sich vorwurfsvoll:

      »Was habe ich Euch getan?«

      Als der Mensch sie daraufhin tatsächlich ansah, spiegelte sein Gesicht ernsthafte Überraschung wider und er antwortete stirnrunzelnd: »Nichts.«

      Und damit war die Sache für ihn wohl geklärt und er ging ohne ein weiteres Wort weiter. Elynia starrte ihm fassungslos hinterher. Wie konnte er sich nur so abweisend ihr gegenüber verhalten und im selben Atemzug behaupten, sie habe ihm nichts getan? Auch ohne sie anzusehen, erkannte er wohl ihr Unverständnis und erklärte weiter:

      »Ich habe nichts gegen dich persönlich, sondern gegen das Elfenpack ganz allgemein, allen voraus gegen diesen arrogante Mistkerl Eldor, der sich auch noch König schimpft. Er denkt, das wäre alles nur ein Spiel und wie ein trotziges Kind, welches am Verlieren ist, versucht er, sich um seinen Tribut herumzudrücken. Als wären wir nur zum Spaß da!«

      »Nun ja, wir leben in der längsten Friedensperiode seit Beginn der großen Aufzeichnungen, wozu benötigt Ihr also die ganzen Soldaten?«, wandte Elynia ein.

      Der Mann drehte sich zu ihr um und bedachte sie mit einem verächtlichen Blick.

      »Ihr wisst nichts!«, spie er aufbrausend, »wir befinden uns in einem Krieg von solchem Grauen, dass es dir nachts schreckliche Albträume bereiten und dich selbst bei hellem Sonnenschein noch erschaudern lassen würde! Deshalb ist es auch unnötig, Sympathie für dich zu empfinden oder nett zu dir zu sein, denn du wirst sowieso bald sterben. Und wenn du mich schon stören musst und etwas von mir willst, dann wirst du mich gefälligst mit Meister Ruben ansprechen.«

      Schockiert registrierte Elynia, wie sehr dieser Mann von Hass und Bitterkeit zerfressen war. Sie zweifelte nicht an seinen Worten über einen grausamen Krieg, obwohl sie das erste Mal davon hörte, denn wer so wurde wie dieser Mann, der musste schon Fürchterliches durchlebt haben. Von nun an vermied sie es, ihn anzusprechen, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ und übte sich in Schweigen. Allerdings war ihr diese Kunst zuwider und es dauerte nicht lange, da wuchs in ihr wieder die Neugierde, so lange, bis sie es nicht mehr aushielt und sie das Schweigen zwischen ihnen erneut brach.

      »Wohin gehen wir? Und wie lange wird unsere Reise dauern?«

      Diese Fragen erschienen ihr unverfänglich und es brannte ihr unter den Nägeln zu erfahren, wie lange sie die bedrückende Anwesenheit des Meisters noch zu ertragen hatte.

      »Zu den Schwarzbachgrotten«, kam die monotone Antwort.

      Elynias Herz tat einen kleinen Hüpfer und mit plötzlich aufkommender Gänsehaut fröstelte sie. Einen Moment hoffte sie darauf, dass Meister Ruben das Gesagte als einen Scherz entlarvte, doch er tat es nicht. Und tatsächlich stimmte die Richtung, in die sie liefen, mit der Lage der Grotten überein. Trotzdem konnte dies nicht der Ernst des Menschen sein. Die Schwarzbachgrotten waren ein verbotener Ort, den niemand betreten durfte. Dennoch stand es nicht unter Strafe, es doch zu tun, denn wer dieses Wagnis einging, wurde nie wieder gesehen.

      »Wir können nicht an diesen Ort gehen, er ist verflucht!«, appellierte sie an den Verstand des Zauberers, doch diesem konnte sie nur ein amüsiertes Lächeln entlocken.

      »Dann