Название | Detektiv Dagobert |
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Автор произведения | Balduin Groller |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962818814 |
Auch Frau Grumbach nahm eine hervorragende Stellung in der Gesellschaft ein und sie war auf sie ängstlicher bedacht, als es wohl unumgänglich nötig gewesen wäre. Denn niemand dachte daran, sie zu bestreiten oder gar zu untergraben; aber in ihr selbst wirkte noch ein Gefühl der Unsicherheit. Sie war die kleine Schauspielerin Violet Moorlank, als Grumbach sie nahm, und daher noch die Unsicherheit. Nie hatte sich zwar die üble Nachrede an sie herangewagt, aber die heimliche Angst, dass die Gesellschaft sie nicht werde anerkennen und für voll nehmen wollen, war sie doch niemals ganz los geworden. Diese Angst war nun ganz überflüssig; denn ihres Gatten Ansehen war gefestigt und stark genug, um auch ihre Stellung zu einer durchaus unangefochtenen zu machen, aber sie bestand einmal, war nie ganz auszutilgen und ward nun natürlich maßlos gesteigert durch jene infamen Briefe mit ihrem tückischen, hämischen und unsäglich gemeinem Inhalt.
Da entschloss sich denn Andreas Grumbach, doch alles daranzusetzen, um der Sache womöglich ein Ende zu machen. Er hatte ja seinen Freund Dagobert Trostler, den gedienten Lebemann, dessen große Passion es war, sich in der ihm reichlich zugemessenen Zeit der Muße als Amateurdetektiv zu betätigen. Der hatte ihm schon in manchen schwierigen und heiklen Fällen mit seiner Findigkeit und Kunst der Kombination wesentliche Dienste geleistet, er würde sicherlich auch da Rat schaffen können.
Dagobert war Hausfreund bei Grumbachs, und als sie nun wieder einmal zu dritt bei Tische saßen, setzte ihm Grumbach den Fall auseinander, indem er ihm zunächst nur von jenen Briefen sprach, die ihm gesandt worden waren.
»Also das ist es, Frau Violet!« entgegnete Dagobert, sich an die Hausfrau wendend. »Wissen Sie, Gnädigste, dass ich schon ernstlich böse war auf Sie! Sie haben einen Kummer und halten ihn geheim vor mir, sagen mir kein Sterbenswörtchen. Gehört sich das?«
»Wer spricht denn von mir?«
»Wir sprechen nur von Ihnen. Ihr Mann ist ein – Mann und ein Mann setzt sich leicht über gewisse Bübereien hinweg. Ich müsste mich aber schlecht verstehen auf die Psychologie jener anonymen Bestien, wenn ich annähme, dass sie sich damit begnügten, nur den Mann zu quälen, wo sich ihnen eine so schöne Gelegenheit darbietet, auch die Frau zu malträtieren. Das ist ja immer noch das dankbarere und sicherere Unternehmen.«
»Dagobert, vor Ihnen kann man wirklich nichts geheimhalten!« entgegnete Frau Violet. »Nun denn – ja; ich werde malträtiert mit diesen fürchterlichen Briefen, und sie werden mich noch zur Verzweiflung treiben.«
»Es war mir nach den Andeutungen Ihres Mannes nicht schwer, Ihrem Kummer auf den Grund zu kommen. Dass ein Kummer bestand, wusste ich und habe ich Ihnen längst angesehen. Da Sie aber fortgesetzt schwiegen, durfte ich nicht fragen. Wollen Sie mir die Briefe zeigen?«
»Nicht um die Welt!«
»Ich begreife; sie sind zu unflätig, aber schließlich – es wird doch nötig sein, wenn wir versuchen wollen, den Täter oder – die Täterin zu entdecken.«
»Die Täterin? So schreibt keine Frau!«
»Hüten wir uns vor vorgefassten Meinungen! Sie kennen meine Anschauungen, Frau Violet. In allem Guten und Großen stelle ich die Frau höher als den Mann; in allem Bösen, oder sagen wir lieber in aller Bosheit stelle ich sie tiefer. Jedenfalls geben Sie mir die Briefe und zwar alle, die Sie haben. Grumbach hat die seinigen weggeworfen. Das war übereilt und ist sehr schade. Je mehr Material ich habe, desto eher kann ich hoffen, eine Spur zu entdecken.«
Frau Violet brachte die Briefe, einen ganzen Stoß, wohl an sechzig oder achtzig Stück.
»Sie dürfen sie aber nicht in meiner Gegenwart lesen«, verwahrte sich Frau Violet, »ich müsste vor Scham in die Erde sinken.«
»Ich werde sie zu Hause studieren«, beruhigte sie Dagobert. »Untersuchen wir also hier zunächst nur einige Äußerlichkeiten. Die Briefe sind alle vollkommen gleichförmig. Resedagrünes Papier mit der Ambition elegant zu sein, und dabei doch nur eine billige und schlechte Imitation des gediegenen geschöpften holländischen Büttenpapieres – leider!«
»Warum – ›leider‹, Dagobert?«
»Weil ich schon im Stillen gewisse Hoffnungen gehegt hatte. Ich hatte nämlich schon einmal einen Fall mit anonymen Briefen. Der war aber kinderleicht. Der vorliegende scheint weitaus schwieriger zu sein.« »Was war das für ein Fall? Das müssen Sie erzählen, Dagobert!«
»Mit Vergnügen, meine Gnädigste, aber vorläufig wollen wir bei der Sache bleiben. Alles deutet darauf hin, dass der Absender oder die Absenderin mit großer Vorsicht arbeitet. Die Schrift nämlich lässt einen Schluss auf das Geschlecht nicht zu. Ich darf das sagen; denn was in Sachen der Grafologie durch Studium und Beobachtung zu erlernen ist, das habe ich zu lernen mich redlich bemüht.«
Dagobert prüfte die Adressen mit einer Taschenlupe und dachte dann intensiv nach. Dabei drehte er ganz in sich versunken an seinem Petrusschöpfchen, dass es sich bald in die Höhe reckte fast wie der Schopf eines Clowns.
»Da geht Männliches und Weibliches durcheinander, dass man förmlich verrückt werden könnte«, sagte er vor sich hin. »Das ist entweder ein sehr männliches Frauenzimmer oder ein weibischer Mann. Haben Sie gar keinen Verdacht, Frau Violet?«
»Nicht die leiseste Ahnung!«
»Auf die Grafologie dürfen wir hier also keine besonderen Hoffnungen setzen. Bei verstellter Handschrift – und hier ist sie mit System und Konsequenz verstellt – muss sie versagen. Hier können wir nur annehmen, dass die Hand, die das schrieb, für gewöhnlich eine schräge Schrift schreibt. Das ist alles. Durch die steile, aufrechte Stellung hier ist der Schriftcharakter natürlich völlig verändert, und es ist sehr die Frage, ob die Briefe mir genügende Anhaltspunkte bieten werden, den Originalcharakter zu rekonstruieren.«
»Sie haben also keine Hoffnung, Dagobert, den Schurken zu entlarven?«
»Der Fall interessiert mich, und ich werde mir Mühe geben. Vor allen Dingen muss ich das Material studieren. Es wäre ja auch möglich, dass aus dem Inhalt der Briefe, aus dem Stil, aus einzelnen Wendungen, aus der Orthografie Anhaltspunkte zu gewinnen wären. Im vorhinein lässt sich da gar nichts sagen. Wie vorsichtig gearbeitet wird, das können Sie beispielsweise aus den Poststempeln ersehen. Da sehen Sie, fast jeder Brief trägt einen anderen Stempel. Hier Postamt 66, hier Postamt 125, hier Postamt 13, 47, 59 – die Briefe wurden auf weiten Spaziergängen oder