Detektiv Dagobert. Balduin Groller

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Название Detektiv Dagobert
Автор произведения Balduin Groller
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962818814



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Als man zu Tisch ging, über­reich­te ein Die­ner dem Baron An­dré einen Brief, den die­ser un­ge­le­sen in die Ta­sche steck­te. Der Die­ner er­laub­te sich, dem emp­fan­ge­nen Auf­tra­ge ent­spre­chend, die un­ter­tä­ni­ge Be­mer­kung zu ma­chen, dass der Brief sehr dring­lich sei und un­ver­züg­li­cher Be­scheid er­war­tet wer­de. Der Baron öff­ne­te den Brief und durch­flog ihn rasch. Dann neig­te er sich vor, als wol­le er das Wort an Baro­nin Gretl rich­ten. Da­go­bert flüs­ter­te ihm lei­se, aber sehr be­stimmt zu: »Al­lons donc – sans adieu!«

      Der Baron rich­te­te sich wie­der auf und ver­ließ schwei­gend das Ge­mach. Die Ge­sell­schaft be­merk­te sei­ne Ent­fer­nung kaum, und das Fest nahm sei­nen wei­te­ren un­ge­stör­ten Ver­lauf.

      1 cha­pe­ro­nie­ren: eine jun­ge Dame zu ih­rem Schutz be­glei­ten <<<

      2 Das un­be­merk­te Mar­kie­ren von (zu­meist) Spiel­kar­ten zu Be­trugs­zwe­cken. <<<

      3 Ta­schen­spie­ler <<<

      4 Jean Eugè­ne Ro­bert-Hou­din (1805–1871) war ein fran­zö­si­scher Zau­ber­künst­ler, Au­to­ma­ten­kon­struk­teur und Thea­ter­grün­der. <<<

      5 Sche­mel, Ho­cker <<<

      6 sä­sie­ren = er­grei­fen, in Be­schlag neh­men <<<

      Das schöns­te Zim­mer im Palast der A. B. B. – man sag­te im­mer und über­all nur A. B. B., und doch wuss­te je­der so­fort, dass da­mit die All­ge­mei­ne Bau­un­ter­neh­mungs-Bank ge­meint sei – war das Büro des Ge­ne­ral­di­rek­tors. Die­ser, ein ver­hält­nis­mä­ßig noch jun­ger Mann von ge­win­nen­der Er­schei­nung, saß vor sei­nem mäch­ti­gen Schreib­tisch und ord­ne­te mit sei­nen wohl­ge­pfleg­ten und ring­ge­schmück­ten Hän­den die vor ihm auf­ge­häuf­ten Brie­fe und sons­ti­gen Schrift­stücke.

      Da öff­ne­te sich, ohne dass vor­her an­ge­klopft wor­den wäre, die nach dem Vor­zim­mer füh­ren­de Tür. Er hob den Kopf. Ein hüb­scher Kopf. Die ob der wohl nicht un­ge­wohn­ten, in die­ser Form aber un­ge­bühr­li­chen Stö­rung er­staunt bli­cken­den Au­gen wa­ren blau, und selbst durch den au­gen­blick­li­chen Un­mut hin­durch, der nun ge­ra­de aus ih­nen sprach, hät­te ein Men­schen­ken­ner und Beo­b­ach­ter einen Strahl von Güte und ei­ner ge­wis­sen, bei­na­he künst­le­ri­schen Schwär­me­rei er­ken­nen müs­sen. Das glän­zen­de brau­ne Haupt­haar war ge­schei­telt, und zu die­sem bil­de­te der er­heb­lich lich­te­re, ja ent­schie­den blon­de Voll­bart einen ganz be­mer­kens­wer­ten Kon­trast.

      Der Kopf, der nun zu­nächst bei der Tür her­ein­ge­steckt wur­de, war auch wohl ge­eig­net, Auf­merk­sam­keit zu er­re­gen. Es war ein Cha­rak­ter­kopf, der so die Mit­te hielt zwi­schen fau­ni­scher und bib­li­scher Er­schei­nung. Das von ei­nem schwar­zen Bart um­rahm­te vol­le Ge­sicht sprüh­te or­dent­lich von Freu­de am Le­bens­ge­nuss, wäh­rend das Pe­trus­schöpf­chen auf dem ge­lich­te­ten Schei­tel bei­na­he an­lock­te, ge­nau­er hin­zu­se­hen, ob nicht etwa der dazu ge­hö­ri­ge Hei­li­gen­schein zu ent­de­cken sei.

      »Ha­ben Sie ein hal­b­es Stünd­chen für mich Zeit, Herr Ring­hoff?« frag­te der Mann mit dem feh­len­den Hei­li­gen­schein.

      »Ah, Herr Da­go­bert Trost­ler!« rief der Ge­ne­ral­di­rek­tor sich er­he­bend. Jede Spur des Un­muts war aus sei­nem of­fe­nen Ge­sicht ge­schwun­den. »Ob ich Zeit habe? Für Sie im­mer, auch wenn Sie nicht mein ge­stren­ger Ver­wal­tungs­rat wä­ren. Wel­che Freu­de! Sie wa­ren ver­reist, Herr Trost­ler?«

      »Ja­wohl, meh­re­re Wo­chen, weit weg – so­gar in Ame­ri­ka!«

      »Was Sie nicht sa­gen! Eine Ver­gnü­gungs­rei­se, Herr Trost­ler?«

      »Ja, es war recht ver­gnüg­lich, Herr Ge­ne­ral­di­rek­tor. Ich habe vie­les ge­se­hen.«

      »Ha­ben Sie sich auch den Yel­low­sto­ne-Park an­ge­se­hen? Der soll ja hoch­in­ter­essant sein.«

      »Na­tür­lich habe ich den auch be­sucht.«

      »Da müs­sen Sie aber er­zäh­len, Herr Trost­ler.«

      »Dazu bin ich ja zu Ih­nen ge­kom­men, Herr Ge­ne­ral­di­rek­tor!«

      Man rich­te­te sich ein. Da­go­bert setz­te sich an die Sei­te des Schreib­ti­sches mit dem Rücken zum Fens­ter. Der Ge­ne­ral­di­rek­tor rück­te ihm ein Zi­gar­ren­kist­chen zu­recht, aber Da­go­bert lehn­te ab. Er habe als Rau­cher sei­ne Ei­gen­hei­ten. Er sei ein­mal auf eine Sor­te ein­ge­schos­sen und von die­ser gehe er nicht ab. Da­rum rau­che er im­mer nur sei­ne ei­ge­nen Zi­gar­ren. Tat­säch­lich habe er auch noch kei­ne bes­se­re Ha­van­na-Mar­ke an­ge­trof­fen. Der Ge­ne­ral­di­rek­tor möge nur ver­su­chen und sich selbst über­zeu­gen. Ring­hoff be­dien­te sich und for­der­te sei­nen Be­such neu­er­dings auf, zu er­zäh­len.

      »Es ist ein gan­zer Ro­man, den ich Ih­nen zu er­zäh­len habe, und ich muss ein biss­chen weit aus­ho­len, aber die Ge­schich­te wird Sie in­ter­es­sie­ren.«

      »Mich in­ter­es­siert al­les, was Sie be­trifft, Herr Trost­ler.«

      »Dan­ke schön. Sa­gen Sie ’mal, lie­ber Ge­ne­ral­di­rek­tor, ha­ben Sie sich nie­mals dar­über ge­wun­dert, wie ich ei­gent­lich in die A.B.B. her­ein­ge­kom­men bin!«

      »Wa­rum soll ich mich nun dar­über ge­wun­dert ha­ben, Herr Trost­ler?«

      »Aber ich ver­ste­he doch nichts vom Bank­we­sen, das heißt – ich ver­stand nichts da­von, hat­te nicht die blas­ses­te Ah­nung. Jetzt na­tür­lich, nach mehr als ei­nem Jah­re, habe ich mich or­dent­lich ein­ge­ar­bei­tet.«

      »Sie ka­men zu uns wie die üb­ri­gen Herrn Ver­wal­tungs­rä­te. Sie sind ein sehr ver­mö­gen­der Mann, Herr Trost­ler, und was das Sach­ver­ständ­nis be­trifft, so ha­ben Sie sehr bald alle üb­ri­gen Her­ren über­flü­gelt. Zur Ver­wun­de­rung lag für mich durch­aus kein An­lass vor. Aber Sie woll­ten ja von Ih­rer Ame­ri­ka­rei­se er­zäh­len –«

      »Ich bin da­bei, das ge­hört mit dazu. Sie sol­len erst er­fah­ren, wie und warum ich zur A. B. B. kam. Ich war im­mer der Mei­nung, dass je­der ir­gend­ei­nen Sport be­trei­ben sol­le, und nun gar ein Mensch wie ich, der voll­kom­men frei und un­ab­hän­gig ist, und nicht Kind und nicht Ke­gel hat. Ich habe also gleich zwei große Pas­sio­nen. Die eine ist die Mu­sik. Ich weiß nicht, ob Sie von mei­nen Leis­tun­gen auf die­sem Ge­bie­te schon ge­hört ha­ben –«

      »Ge­wiss habe ich da­von schon ge­hört«, log der Ge­ne­ral­di­rek­tor ver­bind­lich, »und – die an­de­re?«

      »Ja die an­de­re – das ist ein ganz ab­son­der­li­cher Fall. Ich bin Ama­teur­de­tek­tiv. Sie ma­chen große Au­gen? Ich ver­si­che­re Sie, – wenn man Pas­si­on für die Sa­che hat und et­was Vo­ka­ti­on – es gibt nichts