Detektiv Dagobert. Balduin Groller

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Название Detektiv Dagobert
Автор произведения Balduin Groller
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962818814



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wol­len Sie mir’s aber nun nicht sa­gen?«

      »Es gibt erns­te Grün­de da­für, dass Sie es nicht er­fah­ren.«

      »Das ver­ste­he ich nicht, Da­go­bert.«

      »Ist auch gar nicht nö­tig, mei­ne Gnä­di­ge.«

      »Aber wie Sie’s her­aus­ge­bracht ha­ben, kön­nen Sie mir doch sa­gen.«

      »O ja, schon da­mit Sie sich kei­ne über­trie­be­nen Vor­stel­lun­gen von mei­ner De­tek­tiv­kunst ma­chen. Dazu be­durf­te es kei­ner be­son­de­ren Schlau­heit. Ich wuss­te, dass die Die­ner in der Gar­de­ro­be den Mit­glie­dern und den stän­di­gen Gäs­ten im­mer die­sel­be Num­mer an­wei­sen. Das ist ja sehr prak­tisch. Ich brauch­te mich also nur zu er­kun­di­gen, wem die be­tref­fen­de Num­mer ge­hör­te, an wel­cher der be­wuss­te Über­zie­her hing.«

      »So ein­fach?« sag­te Frau Vio­let ein we­nig ent­täuscht. Sie hat­te sich die Sa­che viel ro­man­ti­scher vor­ge­stellt. »Sa­gen Sie noch eins, Da­go­bert. Ha­ben Sie nicht ge­fürch­tet, dass Sie den Mann zum Selbst­mord trei­ben konn­ten, als Sie ihm je­nen Brief zu­steck­ten?«

      Da­go­bert zuck­te die Ach­sel.

      »Ich hät­te das für kein Un­glück ge­hal­ten und mein Ge­wis­sen nicht be­schwert ge­fühlt.«

      »Sie sind schreck­lich, Da­go­bert. Er hät­te aber auch Ih­nen et­was an­tun kön­nen.«

      »Ich hat­te, was ich sonst nicht gern tue, an­onym ge­schrie­ben. Hät­te ich mich ge­nannt, dann hät­te ich ja auch nicht schwei­gen kön­nen.«

      »Noch eins, Da­go­bert. Muss­ten Sie nicht an­neh­men, dass er auf Ihren Brief hin flie­hen wer­de, und zwar, be­vor er die hohe Sum­me als Buße er­leg­te?«

      »Ich ver­mu­te­te gleich, dass er nicht flie­hen wür­de, und jetzt weiß ich es be­stimmt. Er hat noch ein großes Ge­schäft vor, das er nur im äu­ßers­ten Not­fall im Sti­che las­sen wird. Aber wir sind zur Stel­le; er­lau­ben Sie, dass ich zu­erst aus­stei­ge.«

      Sie wa­ren als die ers­ten ge­kom­men, aber bald ström­ten die Gäs­te her­zu, und Frau Vio­let mach­te in ih­rer ent­zücken­den Art die Hon­neurs. Da­go­bert such­te sich Baro­nin Gretl auf.

      »Baro­nin Gretl!« be­gann er. »Wol­len Sie mir zwei Mi­nu­ten schen­ken?«

      »Mit tau­send Freu­den auch viel mehr, Herr Da­go­bert!« Sie nann­te ihn auch Da­go­bert, wie die meis­ten Leu­te. Vie­le wuss­ten nicht ein­mal, dass das gar nicht sein Zu­na­me sei.

      »Aber un­ge­stört!« fuhr er fort.

      »Dann stel­len wir uns in jene Fens­ter­ni­sche.«

      »Das ist mir nicht un­ge­stört ge­nug.«

      »Dann kom­men Sie mit in Pa­pas Schreib­zim­mer. Dort kön­nen wir die größ­ten Ge­heim­nis­se ver­han­deln.«

      Im Schreib­zim­mer setz­ten sie sich zu­recht, und Da­go­bert fuhr sich sor­gen­voll mit der Hand über sein Pe­trus­schöpf­chen, als er wie­der be­gann: »Baro­nin Gretl, ich muss Ih­nen Schmerz be­rei­ten.«

      »Von Ih­nen kommt nichts Schlim­mes, Herr Da­go­bert.«

      »Woll­te Gott, dass Sie es leicht näh­men! Baro­nin Gretl, Sie in­ter­es­sie­ren sich für einen jun­gen Mann.«

      »Ach Gott, Herr Da­go­bert, – nun kom­men auch Sie mir da­mit! Sie wer­den mir jetzt be­wei­sen, dass er nichts hat. Das al­les weiß ich schon, weiß es aus sei­nem Mun­de. Er denkt zu vor­ne­hin, um das zu ver­schwei­gen, und ich viel­leicht, um mir et­was dar­aus zu ma­chen!«

      »Nein, Baro­nin, das woll­te ich nicht. Ich bin kein Phi­lis­ter, und ich wür­de mich über Ihre Tap­fer­keit nur freu­en. Sie ha­ben es nicht nö­tig, sich von schä­bi­gen Gel­drück­sich­ten be­stim­men zu las­sen.«

      »Ich tät’s auch nicht, wenn ich’s nö­tig hät­te, Herr Da­go­bert.«

      »Brav ge­dacht, Baro­nin Gretl! Wenn der jun­ge Mann auch nur brav und tüch­tig und ne­ben­bei ein hüb­scher Mensch ist –«

      »Ist er’s viel­leicht nicht?« frag­te Baro­nin Gretl la­chend.

      »O – er hat wun­der­hüb­sche Au­gen! Aber da­von kann gar kei­ne Rede sein, dass er Ih­rer wür­dig wäre.«

      »Was wol­len Sie da­mit sa­gen?«

      »Dass er viel­leicht al­les, aber nur kein an­stän­di­ger Mensch ist.«

      »Herr Da­go­bert, der­lei muss man be­wei­sen kön­nen!«

      »Na­tür­lich muss man das.«

      »Dann be­wei­sen Sie es!«

      »Nein, Baro­nin, das will ich nicht. Es wür­de für Sie eine zu häss­li­che Erin­ne­rung sein für das gan­ze Le­ben. Auch Ihr Va­ter soll es nicht er­fah­ren. Er wür­de es im­mer als einen Schand­fleck auf sei­ner Ehre emp­fin­den –«

      »Herr Da­go­bert!«

      »Als einen Schand­fleck, dass ein sol­cher Mensch in sei­nem Hau­se ein- und aus­ge­gan­gen ist.«

      »Und das al­les soll ich Ih­nen aufs Wort glau­ben?!«

      »Doch nicht ganz, Baro­nin. Wir wol­len nur im all­sei­ti­gen In­ter­es­se über die Qua­li­tä­ten des jun­gen Man­nes schwei­gen. Ich hof­fe, Sie auch so über­zeu­gen zu kön­nen.«

      »Und wenn nicht?!«

      »Dann ret­te ich Sie ge­gen Ihren Wil­len. Ich habe schon ein­mal einen Selbst­mör­der aus dem Was­ser ge­zo­gen, der mich dann durch­ge­prü­gelt hat. Das kommt vor. Ich dul­de ein­fach nicht, dass der Mann Ih­nen noch ein­mal die Hand reicht, noch ein­mal das Wort an Sie rich­tet. Ich dul­de es nicht. Ich will Ih­nen sa­gen, was sich in der nächs­ten Vier­tel­stun­de be­ge­ben wird und was Ih­nen als voll­gül­ti­ger Be­weis die­nen mag. In dem Mo­ment, wo man sich zu Ti­sche set­zen wird, wird ein Die­ner je­nem Herrn die­sen Brief über­rei­chen. Le­sen Sie ihn Baro­nin.«

      Baro­nin Gretl las:

      »Ich be­feh­le Ih­nen, die Ge­sell­schaft so­fort und ohne Gruß zu ver­las­sen. Ich be­feh­le Ih­nen wei­ter, in­ner­halb der nächs­ten vier­und­zwan­zig Stun­den von Wien ab­zu­rei­sen und sich nie wie­der in die­ser Stadt bli­cken zu las­sen, – sonst Po­li­zei! Da­go­bert Trost­ler. Wien 1., Tuch­lau­ben 2. I.«

      »Das ist ent­setz­lich!« sag­te Baro­nin Gretl ton­los, als sie ge­le­sen hat­te. Sie war ganz blass ge­wor­den, und sie blick­te rat­los und wie hil­fe­su­chend zu Da­go­bert auf.

      »Glau­ben Sie, Baro­nin«, nahm die­ser das Wort, »dass ein an­stän­di­ger Mensch sich das bie­ten lässt? Wenn er noch einen Fun­ken Ehre im Lei­be hat oder den letz­ten Rest ei­nes gu­ten Ge­wis­sens, dann muss er mich auf der Stel­le ohr­fei­gen – Sie se­hen, ich habe mich voll un­ter­schrie­ben –, oder er schickt mir un­ver­züg­lich sei­ne Zeu­gen, und ich muss mich mit ihm schie­ßen auf Le­ben und Tod. Nichts von al­le­dem wird der Fall sein. Er wird sich laut­los da­v­on­schlei­chen wie ein ver­prü­gel­ter Hund.«

      Baro­nin Gretl saß bleich und stumm da, aber sie dräng­te tap­fer die auf­schie­ßen­den Trä­nen zu­rück. Plötz­lich leuch­te­te es in ih­ren Au­gen auf wie von Ent­schlos­sen­heit.

      »Gut«, sag­te sie. »Wenn er sich