Detektiv Dagobert. Balduin Groller

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Название Detektiv Dagobert
Автор произведения Balduin Groller
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962818814



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er­wähn­te Adres­se, und zwei­tens der Nach­weis Ih­rer Ver­bin­dung mit der Na­tio­nal­bank un­ter dem Deck­na­men Ih­rer Frau Schwie­ger­ma­ma.«

      »Das ist kein Deck­na­me. Das Geld ge­hört tat­säch­lich ihr!«

      »Es wäre schlimm für uns, wenn es so wäre, aber es ist nicht so. Se­hen Sie, Herr Ge­ne­ral­di­rek­tor, ohne es zu wol­len, ha­ben Sie mir zu ei­ner von mir selbst nicht ge­woll­ten Kar­rie­re ver­hol­fen. Erst muss­te ich Ver­wal­tungs­rat wer­den, und dann wur­de es un­be­dingt nö­tig, dass ich Zen­sor der Na­tio­nal­bank wur­de. Mit der mäch­ti­gen Hil­fe un­se­res Prä­si­den­ten ging auch das. Ich muss­te es wer­den, um ganz ge­nau­en Ein­blick zu ge­win­nen. Mir kön­nen Sie also jetzt kei­ne Ro­ma­ne über Ihre Frau Schwie­ger­ma­ma er­zäh­len. Schließ­lich wer­de ich, und zwar heu­te noch, so­gar Ge­ne­ral­di­rek­tor wer­den, aber nur für so lan­ge, bis wir einen ge­eig­ne­ten Er­satz für Sie ge­fun­den ha­ben wer­den.«

      »Sie tun im­mer, als wenn ich de­frau­diert hät­te. Das wer­den Sie mir doch erst be­wei­sen müs­sen!«

      »Aber, lie­ber Ge­ne­ral­di­rek­tor – es ist wahr­schein­lich das letz­te Mal, dass ich Sie so nen­nen darf –, be­grei­fen Sie denn Ihre Si­tua­ti­on noch im­mer nicht? Ich kann Ih­nen mit we­ni­gen Wor­ten ver­ra­ten, wie Sie es an­ge­stellt ha­ben. Sie kann­ten Benk von frü­her her und wuss­ten, dass es die Sehn­sucht sei­nes Le­bens war, sich in Ame­ri­ka, in der At­mo­sphä­re der Frei­heit, einen Wir­kungs­kreis zu schaf­fen. Als er sei­ne Bü­cher ab­ge­schlos­sen hat­te und sei­nen Ur­laub an­tre­ten woll­te, bo­ten sie ihm sech­zig­tau­send Kro­nen da­für, dass er spur­los ver­schwin­de. Ein Ma­kel kön­ne auf sei­nen Na­men nicht fal­len, da er doch die Kas­se in vol­ler Ord­nung über­ge­ben und sein Ab­so­lut­o­ri­um in der Ta­sche habe. Sein Ver­schwin­den wer­de zwar Be­stür­zung aber sonst kei­ner­lei Nach­teil her­vor­ru­fen. Für Sie wür­de die Be­stür­zung von un­er­mess­li­chem Vor­teil zur Be­fes­ti­gung Ih­rer Stel­lung sein. Denn Sie sei­en dann der ein­zi­ge, der für den wei­te­ren un­ge­stör­ten Gang der Ma­schi­ne sor­gen kön­ne, und da­mit sei Ihre Unent­behr­lich­keit ekla­tant do­ku­men­tiert. Das sei Ih­nen das Op­fer wert. Benk ließ sich über­re­den, umso eher, als Sie ihn schon von der Schu­le her kann­ten. Sie duz­ten sich ja auch, nur frei­lich auf Ihren Wunsch in der Bank nicht.«

      »Es ging ein­fach nicht – der an­de­ren Be­am­ten we­gen.«

      »Ich be­grei­fe. Nun konn­te also der große Coup von Ih­nen ge­wagt wer­den. Sie fühl­ten sich si­cher. Der Ver­dacht wür­de doch auf den ver­schwun­de­nen Kas­sier fal­len. Sie konn­ten wis­sen oder doch mit gu­tem Grund an­neh­men, dass man aus Scheu vor dem öf­fent­li­chen Skan­dal von der ge­richt­li­chen An­zei­ge ab­se­hen wer­de. Üb­ri­gens hat­ten Sie auch für die­sen Fall Ihre Maß­nah­men ge­trof­fen. Soll ich Sie Ih­nen re­ka­pi­tu­lie­ren?«

      »Ich dan­ke, ich ver­zich­te.«

      »Gut, so will ich nur an­deu­ten, dass ich un­ter an­de­ren auch bei der H. A. P. A. G. – das ist die Ham­burg-ame­ri­ka­ni­sche Pa­ket­boot-Ak­ti­en­ge­sell­schaft – ei­ni­ges er­ho­ben habe. Ich habe mir die Num­mer der Ka­jü­te no­tiert, die Sie auf der ›Ko­lum­bia‹ ge­mie­tet hat­ten. Die Ur­laubs­ver­hält­nis­se hät­ten Ih­nen hin­läng­lich Zeit zu dem wün­schens­wer­ten Vor­sprung ge­währt.«

      »Was wol­len Sie nun von mir?«

      »Eine Klei­nig­keit, Ihre Un­ter­schrift. Sie ha­ben das durch Voll­macht aus­ge­wie­se­ne Ver­fü­gungs­recht über das De­pot Ih­rer ›Schwie­ger­ma­ma‹ bei der Na­tio­nal­bank. Das De­pot reicht ge­ra­de aus, um den Scha­den der A. B. B. zu de­cken. Die­se Voll­macht wer­den Sie auf mich über­tra­gen. Hier ist das voll­stän­dig ad­jus­tier­te Schrift­stück, Sie brau­chen nur Ihren wer­ten Na­men dar­un­ter zu set­zen.«

      »Das wer­de ich nicht tun!«

      »Wie Sie glau­ben, – ge­nö­tigt wird nicht. Ich woll­te Ihr Bes­tes, und nur wenn Sie sich selbst da­von über­zeugt ha­ben, sol­len Sie un­ter­schrei­ben, sonst nicht. Die Ver­hält­nis­se ha­ben sich näm­lich zu Ihren Un­guns­ten ver­scho­ben, ge­ehr­ter Herr. Alle Vor­keh­run­gen zur Si­che­rung je­nes De­pots sind ge­trof­fen, falls Sie sich wirk­lich wei­gern soll­ten. Sie müss­ten sich näm­lich klar ma­chen, dass die A. B. B. jetzt kei­ne Ur­sa­che mehr hat, die ge­richt­li­che An­zei­ge zu scheu­en. Der et­wai­ge üble Ein­druck der Nach­richt von dem großen Un­ter­schleif wür­de durch die Tat­sa­che pa­ra­ly­siert wer­den, dass man nicht nur de­ren Ur­he­ber prompt er­wi­scht, son­dern auch für die so­for­ti­ge Scha­dens­gut­ma­chung prompt ge­sorgt hat. Nun – was mei­nen Sie?«

      Der Ge­ne­ral­di­rek­tor un­ter­schrieb. Da­go­bert fer­tig­te einen im Vor­zim­mer des Auf­tra­ges har­ren­den Ver­trau­ens­mann mit dem Schrift­stück ab.

      »Nur noch zwei Mi­nu­ten«, nahm er dann wie­der das Wort. »Die Na­tio­nal­bank ist ja gleich da­ne­ben. In­zwi­schen kann ich Ih­nen ja sa­gen, dass es eine sin­ni­ge Über­ra­schung für un­se­ren Herrn Prä­si­den­ten sein wird, eine un­schul­di­ge Freu­de, die er nicht er­war­tet hat. Denn ich habe we­der ihm, noch sonst je­man­dem von dem Fort­gan­ge mei­ner Be­mü­hun­gen be­rich­tet. Ich lie­be es, mit fer­ti­gen Tat­sa­chen zu kom­men. Man hat so sei­ne Ei­gen­hei­ten!«

      Nach we­ni­gen Mi­nu­ten er­tön­te wirk­lich ein Si­gnal vom Te­le­fon­ap­pa­rat am Schreib­tisch her. Der Ge­ne­ral­di­rek­tor leg­te die Hör­mu­schel ans Ohr.

      »Die Na­tio­nal­bank«, mel­de­te er, »ich ver­ste­he aber nicht –, der Mohr kann ge­hen – Schluss!«

      »Ganz rich­tig!« rief Da­go­bert. »Das ist das Schlag­wort, das ich mir be­stellt habe zur Be­stä­ti­gung, dass al­les in Ord­nung sei. Und jetzt, Herr Ring­hoff, sind Sie Ge­ne­ral­di­rek­tor – ge­we­sen! Er­lau­ben Sie nur, dass ich die Tü­ren öff­ne. Da­mit ist die Über­wa­chung auf­ge­ho­ben.«

      Ring­hoff nahm sei­nen Hut, ver­neig­te sich und ver­ließ die A. B. B., um sie nie wie­der zu be­tre­ten.

      1 fran­zö­si­sche Re­de­wen­dung: ›Mach die Frau aus­fin­dig!‹, ge­meint ist: ›Da steckt eine Frau da­hin­ter!‹ <<<

      Seit ei­ni­ger Zeit ward An­dre­as Grum­bach, der Prä­si­dent des Klubs der In­dus­tri­el­len, durch häu­fig wie­der­keh­ren­de an­ony­me Brie­fe be­hel­ligt, die in­des­sen ih­ren Zweck nur in recht un­voll­kom­me­nem Maße er­füll­ten. An­dre­as Grum­bach zählt, ver­mö­ge sei­nes Reich­tums, sei­nes An­se­hens in ge­schäft­li­chen Krei­sen und sei­ner ge­sell­schaft­li­chen Stel­lung zu den Gro­ßen die­ser Welt, und die­se las­sen sich durch Brie­fe so leicht nicht ins Bocks­horn ja­gen. Wenn man täg­lich sei­ne hun­dert und mehr Brie­fe emp­fängt und durch­fliegt, so wird man bald doch recht ab­ge­stumpft, und man­cher Ab­sen­der wür­de sehr ent­täuscht sein in sei­nen Er­war­tun­gen und et­wai­gen Hoff­nun­gen, wenn er sel­ber sähe, wie we­nig tief die mo­ra­li­sche Wir­kung geht, die er mit sei­nem Schrei­ben zu er­zie­len ge­dach­te. Da ist kei­ne Spur mehr von je­nen Ge­müts­be­we­gun­gen, wel­chen der beim An­blick ei­nes Brief­trä­gers un­ter­wor­fen ist, der alle hei­li­gen