Potsdamer Abgründe. Carla Maria Heinze

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Название Potsdamer Abgründe
Автор произведения Carla Maria Heinze
Жанр Языкознание
Серия Enne von Lilienthal
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960416838



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einen zugezogenen Potsdamer«, kommentierte Susanne lapidar.

      »Habt ihr oben einen Computer oder Laptop entdeckt?«, wollte er wissen.

      »Nein, keine elektronischen Geräte. Dafür Stapel von Auktionskatalogen in dem größeren Schlafzimmer. Leo sieht sie gerade durch.«

      »Wie viele Räume gibt es da oben?«, fragte er, war aber mit seinen Gedanken immer noch bei der Formulierung in dem Buch. Ein ewig Suchender, was sollte das nur bedeuten?

      »Fünf, alle hochwertig eingerichtet. Eingebaute Wandschränke aus Massivholz, dicke Teppichböden und verdeckte Lichtleisten.« Sie schaute durch die Tür in das Esszimmer mit der Aussicht auf den See. »Geschmackvoll wie das ganze Haus«, meinte sie bewundernd. »An Holms Zimmer grenzt ein Fitnessraum mit Spiegelwand und an den wiederum eine Sauna mit Solarium. Davon kannst du nur träumen, Maik.«

      Lilienthal nickte abwesend. Er hatte noch nie von einem Fitnessraum und einer privaten Sauna geträumt. Und garantiert nicht vor, sich so etwas zuzulegen.

      »Aber ich habe was entdeckt, Kollegen.« Leise wie eine Katze hatte sich Rödelheim angeschlichen.

      »Kaffeekränzchen schon beendet?«, fragte Lilienthal süffisant.

      »Während Sie das Ambiente bewundert haben, habe ich etwas Wichtiges herausgefunden«, erwiderte Rödelheim von oben herab.

      »Dann schießen Sie mal los«, brummte Lilienthal.

      »Da der Espresso aus war, musste Ihre Freundin«, begann Rödelheim und ignorierte Lilienthals hochgezogene Brauen, »in den Keller, um Nachschub zu holen. Ich also hinterher. Während die reizende Katie im Vorratsraum zugange war, habe ich mich etwas umgesehen.« Er feixte. »Sogar die Kellerräume sind picobello, fast schon klinisch sauber. Da könnte man glatt vom Fußboden essen.«

      »Vom Fußboden essen?«, murmelte Kalumet, der sich ebenfalls zu ihnen gesellt hatte. »Wäre nicht so mein Ding.«

      »Neben dem Wirtschaftskeller befindet sich auf der einen Seite ein Raum für Werkzeug und auf der anderen der Heizungskeller«, fuhr Rödelheim fort. »In den bin ich rein.«

      »Warum?«, unterbrach ihn Lilienthal.

      »Der Fußbodenbelag davor wirkte abgenutzter als an anderen Stellen. Und bingo«, grinste Rödelheim. »Hinter der Therme befindet sich eine schmale Tür mit der Aufschrift ›Attention‹ und einem Totenkopf darüber. Als ich Ihre Katie darauf ansprach und fragte, was sich dahinter verbirgt, meinte sie, sie wisse es nicht. Nur ihr Onkel habe für den Raum einen Schlüssel.«

      Susanne verdrehte die Augen. »Natürlich weiß sie es.«

      12

      Lilienthal war von Rödelheims Entdeckung nicht besonders beeindruckt. In seinen Augen wollte der sich nur wichtigmachen. Susanne imponieren. Die begehrlichen Blicke, mit denen er sie ansah, waren ihm nicht entgangen. Bei dem war dringend eine Grundsatzdiskussion im Umgang mit Kolleginnen in der Behörde angesagt, wenn er weiter mit ihnen zusammenarbeiten wollte.

      Lilienthals Vermutung nach bewahrte Holm in dem Raum einfach nur Materialien mit giftigen Inhaltsstoffen auf. In so einer Villa nichts Ungewöhnliches. Da gab es Holzwürmer im Gebälk und Ungeziefer aller Art in Haus und Garten. Noch dazu stand das Gebäude in Ufernähe, da waren Ratten sicher keine Seltenheit. Aber Rödelheims Hinweis kam ihm nicht ungelegen. Nach seiner Entdeckung in der Bibliothek wollte er mit Katie noch mal unter vier Augen reden. Ihm war eingefallen, dass sie während ihrer gemeinsamen Zeit in London häufig ihren Lieblingsonkel Desmond erwähnt hatte. Er selbst hatte ihn nie kennengelernt, da Holm sich damals in Deutschland aufhielt. Der Onkel, so erzählte sie damals, habe sich von klein auf sehr um sie gekümmert, ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Sie seinen Sonnenschein genannt. Was Lilienthal damals ausgesprochen albern gefunden hatte, denn in seinen Augen glich Katie eher einem Wirbelsturm. Schön, ja, aber unberechenbar und explosiv. Wenn Holm nicht verheiratet war und keine Kinder hatte, standen die Chancen vielleicht ganz gut, dass Katie seine Vertraute war.

      Rödelheim verzog bei Lilienthals Ankündigung, noch mal allein mit Katie sprechen zu wollen, die Lippen zu einem wissenden Grinsen. Wünschte ihm einen schönen Plausch mit der Dame des Hauses und informierte sie, dass er selbst sich in der Garage und dem danebenliegenden Gartenhaus umsehen wolle. Lilienthal hätte ihn zu gern achtkantig rausgeschmissen, riss sich aber zusammen. Er würde sich nicht provozieren lassen, schon deshalb nicht, weil Susanne ihn die ganze Zeit nachdenklich musterte.

      Katie saß auf einem Stuhl am Fenster, als er in die geräumige und hochwertig ausgestattete Küche trat. Sie starrte ihn böse an und schob schnell einen Briefumschlag unter die aufgeschlagene Tageszeitung.

      »Was soll das werden, Mikey?«, fauchte sie. »Ich dachte, ihr wollt euch nur Onkel Desmonds Unterlagen anschauen. Alles, was ich finden konnte, habe ich schon auf dem Schreibtisch deponiert. Aber das, was ihr jetzt hier veranstaltet, ist«, sie suchte nach dem passenden Wort, »ein house search.«

      »Hausdurchsuchung«, soufflierte Lilienthal automatisch.

      »Dafür braucht ihr doch was Amtliches, oder?«, fuhr sie ihn an. Und ohne dass er darauf etwas erwidern konnte, setzte sie nach: »Mein Onkel ist im hospital and you and this stupid guy verdächtigen ihn? Er ist das Opfer, have you lost your mind?«

      »Entschuldige für die Unannehmlichkeiten«, versuchte er sie zu beruhigen, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. »Wir vergessen manchmal, wie unsere Arbeit auf Außenstehende wirkt. Aber gerade weil dein Onkel schwer verletzt wurde, müssen wir herausfinden, wer das getan hat und aus welchem Grund.«

      Sie schüttelte den Kopf, griff mit beiden Händen an ihre Schläfen und stöhnte theatralisch. »Ihr Deutschen mit eurer penetranten Gründlichkeit.« Sie erhob sich, nahm aus einem Schrank eine Schachtel Aspirin und drückte zwei Tabletten heraus. Goss sich Wasser in ein Glas und spülte sie damit hinunter.

      »Oh dear«, sagte sie leise. »Was hatten wir damals für eine schöne Zeit zusammen, Mikey.« Nachdenklich nahm sie eine Zigarette aus einer Schachtel, die auf dem Tisch lag, und steckte sie sich an. Rauchte einen Moment schweigend, bevor sie fragte: »Okay, was willst du wissen?«

      »Wo ist der Laptop deines Onkels?«

      »Er hat keinen.« Die Antwort kam eine Spur zu schnell.

      Lilienthal ließ sie erst mal so stehen und blickte Katie prüfend an. »Und was befindet sich in dem Kellerraum mit dem Totenkopf über der Tür?«

      Sie zuckte mit den Schultern. »Ein Weinkeller. Desmond hütet die Flaschen wie einen Schatz. Nur ganz selten darf ich hinein. Aber das wollte ich deinem Kollegen nicht auf die Nase binden.«

      »Aber warum dann der Totenkopf?«

      »Englishmen and their whims«, erwiderte sie lakonisch, stand auf und drückte die halb gerauchte Zigarette im Spülbecken aus.

      Lilienthal beobachtete ihre elegante fließende Art, sich zu bewegen, die ihn schon früher fasziniert hatte. »Da kommt noch ein Aber, oder?«, hakte er nach.

      »Wie kommst du nur darauf, Mikey?«, erwiderte sie leise.

      »Hast du für die Tür einen Schlüssel?«

      »Natürlich nicht.«

      Lilienthal überlegte. »Weißt du, Katie, ich möchte mich gern selbst von der Nutzung dieses Raums überzeugen. Bitte überlege doch noch mal, wo dein Onkel den Schlüssel aufbewahren könnte.«

      Eine zarte Röte überzog ihre Wangen. »Nein, Mikey«, ihre Stimme hatte einen trotzigen Tonfall angenommen. »Onkel Desmond hat diesen einen Raum in seinem Haus, wohlgemerkt in seinem Haus, und möchte nicht, dass jemand außer ihm Zutritt dazu hat. Warum hätte er mir dann sagen sollen, wo der Schlüssel dazu ist? Das wäre doch crazy, oder nicht?«

      Lilienthal konnte sich ihrer Argumentation nicht verschließen. Aber dadurch wurde dieser Raum immer interessanter. Wenn Holm nicht einmal seiner Nichte gestattete, dort ein und aus zu gehen, musste er herausfinden, warum. »Es tut mir leid,