Potsdamer Abgründe. Carla Maria Heinze

Teil des Kopfes waren blutverklebt. Das Gesicht lag seitlich in einer großen roten Lache. Der dunkle Rock war dort zerrissen, wo er unter der Tür mit dem Schuh eingeklemmt gewesen war. Behutsam nahm er ihre rechte Hand hoch. Die Nägel des Zeige- und Mittelfingers waren abgebrochen. Was hatte er vorhin falsch gemacht? Er musste etwas übersehen haben. Nur was? Seit er hier war, stellte er sich diese Frage immer wieder und wieder, wie ein Mantra. Seine Katie war erschlagen worden. Hatte der Angriff auf ihren Onkel etwas damit zu tun? Die Spurensicherung mit Manni Langer war bereits im ganzen Haus zugange. Bisher deutete nichts auf einen Einbruch hin.

      Sie hatte etwas gewusst und war wahrscheinlich deshalb in Gefahr gewesen. Und er hätte dranbleiben müssen, nicht so schnell mit der Befragung aufhören. Sein Fehler. Vielleicht wäre sie dann noch am Leben, dachte er und versuchte, den Schmerz in seiner Brust zu ignorieren.

      Die Tür mit dem Totenkopfsymbol im hinteren Teil des Heizungskellers war jetzt sperrangelweit offen. Susanne, neben Langer stehend, betrachtete die mit Folie abgeklebten und durch Rußpulver sichtbar gemachten Fingerabdrücke. Beide redeten leise miteinander. Kurz blickte sie Lilienthal an und lächelte ihm aufmunternd zu. Was ihr nicht wirklich gelang.

      Susanne hatte ihn sofort nach ihrer Entdeckung informiert. Für ihn war es wichtig, vor Ort zu sein, sich ein eigenes Bild zu machen. Die Ära Körner war vorbei. Jetzt war er Kriminalrat, hatte das Sagen und trug die Verantwortung.

      Lilienthal schritt den mit Nummern gekennzeichneten Weg ab, den die Kriminaltechnik angelegt hatte, damit die Tatortuntersuchung nicht gestört wurde. Er betrat ein Gewölbe mit einer Decke aus Ziegelsteinen. An den Wänden Regale mit Weinflaschen, einige mit einer dicken Staubschicht. Katie hatte also nicht gelogen. Hinter der Tür mit dem Totenkopfsymbol verbarg sich der Weinkeller. Aber das war nur die halbe Wahrheit. Denn am Ende des Raumes stand ein Regal, das ein Kriminaltechniker gerade mit einem Kohlefaserpinsel mit Rußpulver bestäubte. Es war eine Attrappe, einzig dazu gedacht, den dahinterliegenden Durchgang zu verbergen: eine Metalltür, die nur angelehnt gewesen war, als Langer das Regal zur Seite schob. Versehen mit einem Hebel aus massivem Stahl und einem Nummerntableau, auf dem jetzt ein rotes Lämpchen blinkte. Lilienthal stieß vorsichtig die Tür weiter auf. Blieb stehen. Der Anblick übertraf alles, was er im Laufe seiner bisherigen polizeilichen Arbeit gesehen hatte. Desmond Holm hatte keine Kosten gescheut, um sein Geheimnis zu bewahren. Aber jemand war dahintergekommen. Und Katie hatte dafür mit ihrem Leben bezahlt.