Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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den Blutdruck«, sagte er ruhig.

      »Nichts!« murmelte die OP-Schwester.

      Dann hatte Dr. Lindau die Vene gefunden. Es waren nur wenige Sekunden vergangen; und die Traubenzuckerinfusion lief. »Der Blutdruck bessert sich«, sagte Schwester Sylvia. Ihr bewundernder Blick suchte das Gesicht des Chefarztes. Sie war sicher, daß sein Eingreifen der Patientin das Leben gerettet hatte.

      Wenig später kam eine Schwester mit einer Blutkonserve. Erst als diese Transfusion dann lief und die Patientin zu reagieren begann, atmeten alle Anwesenden auf. Der Tod war zurückgewichen, die Blutung ließ nach. Susannes Gesicht gewann an Farbe, ihre Lider begannen zu zucken.

      »Geben Sie im OP Bescheid, wir müssen die Sectio gleich vornehmen«, sagte Dr. Lindau. Er mußte sich in den Waschraum begeben, um die Kleidung zu wechseln und die Hände zu waschen. Das Leben der Mutter hatte er gerettet, nun hoffte er, auch das Baby retten zu können.

      Es hatte keiner weiteren Anordnung des Chefarztes bedurft. Dr. Westphal sorgte dafür, daß alles weitere für die Sectio vorbereitet wurde, erst dann säuberte sie sich. Das Team, zu dem inzwischen auch die Hebamme, Grethe Forberg, gestoßen war, hatte rasche Arbeit geleistet. Die Patientin, von der man noch nicht einmal den Namen kannte, lag auf dem Operationstisch, als der Chefarzt den OP betrat. Fünfzehn Minuten lang arbeitete Dr. Lindau mit Dr. Westphal Hand in Hand, dann war das Baby geholt und auch die Placenta entfernt. Das Kind wog nur vier Pfund, aber es lebte.

      Susanne schlug die Augen auf. Langsam begann sie zu begreifen, was geschehen war. Sie öffnete den Mund und schloß ihn wieder. »Es ist ein Mädchen«, sagte Dr. Lindau. »Wir müssen es in den Brutkasten geben, aber es wird durchkommen. Sie brauchen sich keine Sorgen machen.«

      Susanne blickte in zwei gütige, dunkle Augen. »Sie waren sehr tapfer. Ruhen Sie sich nun aus.«

      »Ein Mädchen? Es lebt!« Für Sekunden huschte ein Lächeln über Susannes Gesicht. Sie hatte es geschafft. Dann fiel ihr ein, daß sie kein Recht hatte, hier zu sein. Mühsam begann sie: »Ich… mein Kind…«

      »Ruhen Sie sich aus«, sagte der Chefarzt noch einmal. »Um Ihr Kind kümmern wir uns schon. Sie können unbesorgt die Augen zumachen und schlafen.«

      Ja, sie wollte schlafen. Vor allem wollte sie nicht mehr denken. Sie war in ihrem Leben noch nie so müde gewesen. Trotzdem öffnete sie noch einmal die Augen und flüsterte: »Danke!«

      »Das war in letzter Minute«, stellte Anja Westphal fest, als sie sich im Waschraum reinigte. »Wer ist diese Frau eigentlich? Woher kam sie so plötzlich?«

      »Mir wurde nur gesagt, daß es sich um eine Notaufnahme handelt. Mal sehen, vielleicht wartet jemand.« Dr. Lindau lächelte Dr. Westphal zu. Er schätzte sie sehr, kannte er sie doch auch schon sehr lange. Sie hatten die gleiche Universität besucht.

      »Soll ich mitkommen?« fragte Anja. Sie war mit ihren vierzig Jahren noch immer eine sehr attraktive Frau.

      »Nicht nötig! Ruhe dich etwas aus. Mir wäre es lieb, wenn du bei der Operationsbesprechung für den morgigen Tag dabei wärst.«

      Anja nickte. »Sagen wir in einer halben Stunde? Ich gebe dann auch den anderen Ärzten Bescheid.«

      »Gut!« Als erster verließ Dr. Lindau den OP. Er sah in den Warteraum, aber da war kein Mensch. So ging er hinunter in die Halle zum Empfang.

      Die Aufnahmeschwester konnte nicht sagen, wer die Patientin gebracht hatte, sie wußte nur, daß zur gleichen Zeit auch ein zweijähriger Junge eingeliefert worden war, der ebenfalls in Lebensgefahr schwebte. Der Pförtner – er war der frühere Kastellan des Schlosses — konnte Auskunft geben.

      »Andy Seger hat die Frau gebracht«, sagte er. »Ich kenne den jungen Burschen. So wie er sagte, hat er die Frau im Park gefunden. Er ist aber noch hier in der Klinik. Sie kennen doch Herrn Frehner? Ihm gehört das große Hotel am See.« Der Kastellan holte Luft. Endlich konnte er die Neuigkeit loswerden. »Andy hat auch Herrn Frehners Jungen, den kleinen Patrick, in die Klinik gebracht. Es wäre für Herrn Frehner furchtbar, wenn er nun auch noch seinen Sohn verlieren würde.«

      Dr. Lindau, der den Hotelier kannte, war bestürzt. »Nun, soweit ist es sicher noch nicht«, sagte er dann. Er wußte, daß der kleine Patrick bei seinem Schwiegersohn und seiner Tochter in den besten Händen war.

      *

      Angela Wunter hielt es nicht mehr auf der Bank, sie sprang auf. »Das ist unerhört! Warum wird einem nicht gesagt, was los ist? Patrick hat sich nur erkältet, das ist alles. Deswegen braucht man doch nicht so ein Aufsehen zu machen.« Sie sah auf Andy, erwartete, daß er ihr zustimmte.

      Andy nagte an seiner Unterlippe. Eigentlich hätte er schon längst zu Hause sein sollen. Er war nur deshalb noch hier, weil er sich Sorgen um Patrick machte. Er mußte einfach wissen, was mit dem Kleinen los war. Nur kurz hatte die Tochter des Chefarztes bei ihnen vorbeigesehen, aber in ihrem Gesicht hatte er lesen können, daß es sehr ernst war. Innerlich betete er: Bitte, laß nicht zu, daß Patrick etwas passiert!

      »Andy, was ist los mit Ihnen? So sagen Sie doch auch etwas!« Ärgerlich sah Angela auf den Bauernsohn. In diesem Moment erschien er ihr sehr ungehobelt.

      Andy hob den Blick von seinen Händen, die er ineinander verschlungen hatte. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, gestand er. »Ich begreife das auch nicht.« Verzweifelt sah er auf die weißlackierte Tür. »Warum haben wir nicht bemerkt, daß Patrick krank ist? Wir haben nicht auf ihn geachtet, haben ihn herumspringen lassen.«

      »Patrick fehlte doch nichts!« Wütend stemmte Angela die Hände in die Seiten. »Er war völlig gesund, war unfolgsam wie stets. Er blieb einfach nicht auf der Bank sitzen. Hätte ich ihn anbinden sollen?«

      Andy sah sie verwundert an, aber Angela war noch nicht fertig. Sie war wütend. Dieser Nachmittag war ganz anders verlaufen, als sie ihn sich vorgestellt hatte. So brach die angestaute Aggression jetzt durch. »Es war lächerlich, Patrick gleich in die Klinik zu bringen. Hier machen sie so ein Theater…« Sie mußte Luft holen, da warf Andy verwirrt ein: »Aber Angela, das Kind hatte hohes Fieber.«

      »Na und? Was verstehen Sie schon von Kindern? Kinder haben schnell mal Fieber. Wenn es nötig geworden wäre, hätte ich ihn schon ins Bett gesteckt und den Hausarzt gerufen.« Mit einer weit ausholenden Geste wies sie zur Tür. »Ich verstehe das wirklich nicht! Da läßt man uns hier einfach warten! Herr Frehner würde sich das nicht gefallen lassen. Ich werde mich beschweren.«

      Andy wußte nicht, was er sagen sollte. Unsicher starrte er die Frau an die er bisher so bewundert hatte.

      »Er war völlig gesund«, beharrte Angela aufs neue. »Bis zuletzt ist er herumgesprungen. Sie haben selbst gesehen, ich konnte ihn nicht halten.«

      Andy schluckte, dann sagte er jedoch ehrlich: »Er hatte Krämpfe, kein Wort konnte er sagen. Angela, ich habe Angst um ihn. Er ist sicher sehr krank.«

      Seinen Worten folgte ein langes Schweigen. Es war nun sehr still im Raum. Im Grunde hatte auch Angela bereits erkannt, daß Patrick schwer krank war. Sie wollte es nur noch nicht wahrhaben. Einige Sekunden stand sie mit zusammengepreßten Lippen da, dann begehrte sie erneut auf.

      »Warum sagt uns keiner, was eigentlich los ist? Über eine Stunde sitzen wir nun schon hier. Was glauben diese Ärzte eigentlich? Ich werde jetzt darauf bestehen, daß man mich zu Patrick läßt. Schließlich bin ich für ihn verantwortlich.« Sie warf ihren Kopf in den Nacken und ging auf die Tür zu.

      Andy erhob sich. Er hätte Angela gern zurückgehalten. Er ahnte, daß sie einen Fehler machte, wenn sie in diesem Ton auch mit den Ärzten sprach. Er wußte nur nicht, wie er dies verhindern sollte. Angela selbst besann sich jedoch. Sie streckte die Hand nicht nach der Türklinke aus, sondern wandte sich wieder nach ihm um.

      »Ich finde es wirklich unerhört! Kaum ein Wort hat man mit uns gesprochen.« Sie befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen und fügte etwas ruhiger hinzu: »Was glauben Sie, was mit Patrick gemacht wird?«

      Hilflos zuckte Andy die Achseln. Da war wieder die Angst. Der Körper des Kleinen