Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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Dr. Hoff rückte seinen Stuhl etwas zurück.

      »Meine Patientin war sie nicht«, sagte der Chefarzt.

      »Ich habe mich etwas umgehört«, meinte Dr. Westphal. Sie lächelte verlegen. »Ihr könnt es weibliche Neugierde nennen, aber mich würde schon interessieren, wer sie ist. Wir haben keine Handtasche bei ihr gefunden. Sie war allein, niemand scheint sie zu vermissen.«

      »Woher wissen Sie das?« Dr. Hoff, der dem Chefarzt bei der Sectio assistiert hatte, hatte sich auch bereits Gedanken über die Frau gemacht.

      »Ich habe bei der Polizei nachgefragt.«

      »Wie?« Irritiert beugte sich Dr. Lindau nach vorn. »War das nötig?«

      Die Frauenärztin nickte. »Es könnte doch sein, daß diese Frau bereits vermißt wird. Es gibt schließlich doch auch einen Vater.«

      »Entschuldige«, sagte Dr. Lindau, »Daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht. Ich habe nur gehandelt, habe das Kind geholt.« Seine Stirn runzelte sich.

      »Schon eigenartig«, gab er zu. »Die Patientin hat nach niemandem gefragt.«

      »Als sie von Andy Seger gebracht wurde, hatte sie große Schmerzen. Zwischendurch wurde sie ohnmächtig«, warf nun Dr. Bernau ein, der die Einlieferung überwacht hatte.

      Dr. Anja Westphal beugte sich etwas über den Tisch. »Und sie hat nichts gesagt? Ich meine, man sehnt sich doch nach dem Mann, dessen Kind man unter dem Herzen trägt.«

      Dr. Hoff, der sich bereits erheben wollte, setzte sich wieder bequem hin und schlug die Beine übereinander. »Sie hatte Angst«, stellte er gelassen fest.

      »Jedenfalls wollte sie nicht sprechen«, stimmte Dr. Westphal zu. »Im übrigen wollte sie auch nicht in die Klinik gebracht werden.«

      »Ich kann euch sagen, was mit dieser Frau los ist«, sagte Dr. Bernau. »Sie hat keinen Vater für ihr Kind. Ein sehr hübsches Mädchen, und es wurde von ihrem Freund verlassen. Sie ist genau der Typ, der sich jetzt schämt.«

      »Hört, hört!« spottete Dr. Hoff. »Da spricht unser Frauenkenner!«

      Dr. Bernau wurde rot. Er war unverheiratet und der Weiblichkeit wirklich sehr zugetan. Er hatte auch nichts dagegen, wenn man ihn im Kollegenkreis den Playboy nannte, nur mußte dies nicht unbedingt in Anwesenheit des Chefs geschehen. »Mir ist aufgefallen, daß sie keinen Ehering trägt«, verteidigte er sich.

      »Darauf achtet natürlich ein glücklich verheirateter Ehemann wie ich nicht.« Dr. Hoff lächelte.

      Der Chefarzt hatte sich entspannt zurückgelehnt. Leicht amüsiert lauschte er der Flachserei, die nun einsetzte. Die Ärzte in seinem Team verstanden sich gut. Schließlich mischte er sich ein: »Ich werde mich um unsere namenlose Patientin kümmern und einmal nachsehen, ob sie wach ist.«

      »Ich komme mit!« Anja Westphal sagte es entschieden.

      »Wenn du meinst, daß sie zu dir mehr Vertrauen hat. Ich habe auch nicht die Absicht, den Beichtvater zu spielen. Ich möchte nur keine Schwierigkeiten bekommen. Wir haben der Frau geholfen, sie liegt in unserer Klinik. Wir müssen eine Karteikarte anlegen.«

      Anja sah auf ihre Armbanduhr. »Ich habe noch etwas Zeit. Falls die Frau munter ist, kann ich mich mit ihr unterhalten.«

      »Ich begleite dich auf die Station. Ich möchte mich davon überzeugen, daß es unserer unbekannten Patientin gutgeht.«

      »Das habe ich mir schon gedacht.« Anja lächelte. Sie kannte Hendrik Lindau gut und bewunderte ihn.

      »Nein, nein«, wehrte der Chefarzt ab. »Ich bin froh, wenn du dich mit der jungen Mutter unterhältst. Falls Dr. Bernau recht hat, und sie wurde von ihrem Freund verlassen, wird sie Zuspruch nötig haben.« Er öffnete für die Frauenärztin die Tür, dann fuhr er sich mit beiden Händen durch das Haar. »Ich habe auch noch eine unangenehme Aufgabe vor mir. Ich kenne Ingo Frehner gut, und nachdem sein zweijähriger Sohn bei uns liegt, werde ich mich darum kümmern müssen. Ich hoffe nur, daß meine Tochter genausoviel Erfolg mit der Behandlung hat, wie wir bei unserer Patientin.«

      »Du hast also noch immer keinen Feierabend«, stellte Anja mit einem Lächeln fest. Bei sich dachte sie: Es ist gut, daß er nicht verheiratet ist.

      »Mal sehen!« Jetzt rieb sich der Chefarzt die Hände. »Ich hatte eigentlich vor, mich mit einem guten Buch früh ins Bett zu legen. Zuerst aber will ich nach dem Neugeborenen und seiner Mutter sehen.«

      Dem Baby ging es den Umständen entsprechend gut, davon konnte der Chefarzt sich leicht überzeugen. So hielt er sich dort nicht lange auf, sondern ging in Begleitung der Frauenärztin weiter. Ehe sie das Zimmer betraten, wandte er sich an die Oberschwester.

      »Wie geht es der…« Kopfschüttelnd brach Dr. Lindau ab. Es war wirklich nötig, daß man den Namen der neuen Patientin erfuhr.

      Die Oberschwester wußte jedoch sofort Bescheid. »Gut, so wie ich feststellen konnte.«

      »War die Frau munter, ich meine, schläft sie nicht mehr?« fragte Anja.

      »Ich bin mir nicht sicher.«

      »Aber sie muß doch sehr erschöpft sein«, wunderte sich die Ärztin. »Hat sie etwas zu essen und zu trinken bekommen?«

      »Sie wollte nichts. Jedenfalls hat sie auf unsere Fragen stets den Kopf geschüttelt.« Die Oberschwester sah von der Ärztin zum Chefarzt. Nachdenklich meinte sie: »Sie hat überhaupt noch kein Wort gesprochen.«

      Dr. Westphal tauschte mit dem Chefarzt einen Blick. »Ist es nicht besser, wir lassen die Frau für heute in Ruhe?« fragte sie. »Wenn sie jemanden zu sehen wünschen würde, hätte sie es gesagt. Die Polizei ist auch informiert«, überlegte sie weiter.

      »Gut! Ich möchte nur rasch einen Blick ins Zimmer werfen.«

      »Einverstanden! Wenn sie nicht schläft und sprechen möchte, dann bleibe ich, und du siehst nach deiner Tochter.«

      »Astrid kommt ohne meine Hilfe zurecht«, brummte der Chefarzt.

      »Natürlich!« Die Frauenärztin lächelte. »Du hast ja auch einen sehr guten Kinderarzt zum Schwiegersohn.«

      Wenig später öffnete sie vorsichtig die Zimmertür, hinter der Susanne Brühl lag. Dr. Lindau hatte ihr den Vortritt gelassen. So sah sie, daß die Patientin blitzschnell den Kopf zur Seite drehte. Als sie näher trat, waren die Augen der Patientin geschlossen.

      »Ich glaube, sie schläft«, sagte Dr. Westphal. Dr. Lindau war da nicht so sicher, aber er sagte nichts. Er stimmte zu, als die Frauenärztin laut sagte: »Ich werde der Oberschwester sagen, daß man der Patientin Tee und etwas zu essen ans Bett stellen soll. Falls sie aufwacht und Hunger hat, kann sie sich selbst bedienen. Und sonst kann sie jederzeit läuten. Die Klingel hängt ja dicht über dem Bett.« Sie sah noch einmal zu der jungen Mutter hin und hatte das Gefühl, daß diese über ihre Entscheidung froh war.

      *

      Angela Wunter ließ keinen Blick von Ingo. Sie spürte die Mauer, die er um sich herum aufgebaut hatte. Sie existierte für ihn nicht. Er schien überhaupt nichts wahrzunehmen. Seitdem er aus der Intensivstation gekommen war, hatte er sich nicht gerührt. Er lehnte an der Wand und starrte vor sich hin. Einige Male hatte sie bereits versucht, mit ihm zu sprechen, sie hatte jedoch keinen Erfolg gehabt. Ungeduldig begann sie mit dem Fuß zu wippen. Sie hatte nicht die Absicht, auch noch den ganzen Abend in der Klinik zu verbringen.

      »Ingo, bitte!« Es kam keine Reaktion. Sie räusperte sich, unterdrückte einen Seufzer. Wieder vergingen Minuten. Angela erschienen sie endlos, dabei hatte Ingo sich nicht einmal gerührt. Da hielt sie es nicht mehr aus, sie sprang auf.

      »Ingo, ich will dir helfen! Laß uns nach Hause gehen. Wir können hier für Patrick nichts zu. Die Ärztin hat es selbst gesagt.« Sie stand nun dicht vor ihm. Er sah sie an, aber sein Blick ging durch sie hindurch.

      »Du kannst gehen.«

      »Ich gehe doch nicht ohne dich!«

      »Ich