Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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junge Mann nicht nach ihrem Arm gegriffen.

      »Kommen Sie! Sie müssen in die Klinik. Versuchen Sie zu gehen.«

      Gehorsam setzte Susanne Fuß vor Fuß. Die Stimme der Frau schien von weither zu kommen. Sie schimpfte: »Was soll das? Wenn Patrick wirklich krank ist, dann sollten Sie sich um ihn kümmern. Sie könnten mich nach Hause bringen. Herr Frehner ist sicher nicht da. Ich könnte uns einen Kaffee machen.«

      Andy war betroffen. »Angela, merken Sie denn nicht, der Kleine hat hohes Fieber. Es ist wirklich am besten, wenn wir auf dem schnellsten Weg in die Klinik fahren. Zum Glück ist es nicht weit.«

      Das war das letzte, was Susanne hörte. Ihre Beine knickten ein, Andy hielt sie jedoch fest. Er hörte nicht mehr auf Angela, die mit gekonntem Augenaufschlag flötete: »Wollen Sie nicht mit mir Kaffee trinken?«

      Angela verzog das Gesicht. Sie verstand noch immer nicht. Was ging Andy diese fremde Frau an? Wütend ging sie mit Patrick auf dem Arm hinter ihrem Bekannten her.

      Andy wandte kurz den Kopf. »Bitte, helfen Sie mir! Sie müssen das Auto aufschließen. Ich glaube, die Frau ist nicht bei Bewußtsein.«

      Da schlug Susanne die Augen auf. »Bitte, lassen Sie mich«, flüsterte sie. »Es hat doch keinen Sinn.«

      »In der Klinik wird man Ihnen helfen. Sie brauchen keine Angst zu haben.« Andy ließ sie nicht los, beschwörend sah er Angela an.

      »Ich kann nicht in die Klinik«, stammelte Susanne. »Lassen Sie mich hier!«

      »Das kommt nicht in Frage. Sie brauchen Hilfe! In der Klinik wird man Ihnen helfen. Dort gibt es sehr gute Ärzte. Angela, bitte, beeilen Sie sich!«

      »Ich begreife noch immer nicht, was das soll«, murrte Angela. »Gut, die Frau gehört in die Klinik, aber warum soll ich Patrick dorthin bringen?«

      »Merken Sie denn nicht, daß der Kleine hohes Fieber hat?« Andy war viel zu verliebt in die schöne Angela, um ihren wahren Charakter zu erkennen.

      »Schon«, gab Angela nun zu. Obwohl sie sich bereits seit einigen Monaten um Patrick kümmerte, verstand sie nicht viel von Kinderpflege oder Erziehung. Ingo Frehner hatte jemanden gesucht, der sich um Patrick kümmerte. Ingo war ein sehr gut aussehender Mann und dazu noch reich. So hatte Angela gehofft, über Patrick an dessen Vater heranzukommen.

      Angela murmelte noch etwas Undeutliches, dann war sie Andy behilflich. Ein wenig bekam sie jetzt auch Angst, denn sie hatte Patricks Stirn berührt und festgestellt, daß sie sehr heiß war.

      *

      Andy Seger fuhr rasch. Er war sich darüber im klaren, daß es auf Minuten ankam. Angela Wunter saß auf dem Beifahrersitz. Sie hielt Patrick in den Armen. Jetzt wandte sie den Kopf nach der Gebärenden. Teilweise empört, teilweise erschrocken rief sie: »Sie blutet! Andy, der Rücksitz ist bereits voller Blut!«

      Susanne öffnete die Augen. Vergebens versuchte sie sich aufzurichten, sie hatte keine Kraft mehr. »Lassen Sie mich, ich kann nicht in die Klinik.«

      »Sie sollten dankbar sein, daß Herr Seger Sie in die Klinik bringt. Sie können Ihr Kind doch nicht im Park bekommen.« Angela schüttelte den Kopf. »Ich begreife wirklich nicht! Leute gibt es!« Dann legte sie Andy die Hand auf den Arm. »Andy, wir müssen etwas tun! Patrick ist so unruhig.«

      »Es ist nicht mehr weit.« Andys Hände umspannten das Lenkrad fester, sein Fuß trat das Gaspedal weiter durch. Dann drückte er auf die Hupe, um so die Vorfahrt zu erzwingen. Er nahm die Hand auch nicht von der Hupe, als er vor der Klinik am See vorfuhr. Er fuhr bis zum Haupteingang. »Nehmen Sie Patrick, ich trage die Frau in die Klinik«, sagte er hastig, dann stellte er den Motor ab und sprang aus dem Auto.

      »Patrick macht sich so schwer«, jammerte Angela. Sie beugte sich nach vorn, wollte Andy mit einem Blick für sich einnehmen, doch dieser hatte sich bereits dem Rücksitz zugewandt. »Legen Sie mir die Arme um den Hals«, forderte er Susanne auf.

      »Bitte!« Susanne stöhnte. »Ich weiß nicht… ich… mein Kind…«

      »Andy, Sie müssen sich beeilen, sonst bekommt sie noch hier ihr Kind.« Nun klang Angelas Stimme hysterisch. Sie hatte noch nie Blut sehen können. »Schnell, machen Sie schnell!« Mit weit aufgerissenen Augen sah sie zu, wie Andy die Frau aus dem Auto hob.

      »Angela, kommen Sie! Bitte, schließen Sie nur die Autotüren.«

      »Ja, ja… natürlich!« Angela raffte sich auf. Sie drückte Patrick an sich und stieg aus. Nachdem sie Andys Wunsch folgend die Türen zugestoßen hatte, eilte sie hinter ihm her, auf der Treppe überholte sie ihn. Sie eilte in die Halle und kreischte: »Hilfe, wir brauchen Hilfe!«

      Dann ging alles sehr schnell. Während man Dr. Mertens verständigte, wurde Susanne auf eine fahrbare Krankentrage gelegt. Wenig später wurde der Chefarzt gesucht. Vergebens klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch.

      »Vor wenigen Minuten war der Chef noch hier«, gab die Oberschwester Auskunft, als auch bei ihr telefonisch nachgefragt wurde.

      Dr. Lindau stand auf dem Balkon der Klinik. Er wollte nur ein paar Minuten ausruhen. Die Sprechstunde hatte sich endlos hingezogen. Gleich mußte er sich im Ärztezimmer einfinden, der morgige Operationsplan mußte durchgesprochen werden. Er warf noch einen Blick auf die glänzende Seeoberfläche. Gerade als er sich abwandte, piepste die Rufanlage in seiner Tasche. Rasch verließ Dr. Lindau den Balkon und eilte zum nächsten Telefon.

      »Ich muß in den Kreißsaal«, rief er der Oberschwester zu, als er ihrer ansichtig wurde. »Die Besprechung muß verschoben werden.«

      »Herr Doktor!« Die Oberschwester hatte noch eine Frage, aber der Chefarzt schüttelte den Kopf. »Später, Schwester Erna! Es ist dringend! Eine Patientin scheint zu verbluten.« Er ließ sich auch nicht länger aufhalten. Da die Lifttür gerade vor ihm zuging, eilte er zur Treppe. Niemand sah ihm einen bereits harten Arbeitstag an, als er zwei Stufen auf einmal nehmend nach unten eilte.

      »Ich bin froh, daß Sie da sind«, sagte Dr. Bernau, als der Chef den Waschraum betrat. »Die Frau muß schon sehr viel Blut verloren haben. Es scheint sich um eine Placenta preavia zu handeln.«

      Dr. Lindau runzelte die Stirn. »Wurde die Frau bereits untersucht?«

      »Das war noch nicht möglich. Ihr Kleid war jedoch völlig blutgetränkt. Inzwischen hat man sie ausgezogen und auf den Entbindungstisch gelegt. Ich habe aber veranlaßt, daß man die Blutgruppe der Patientin feststellt. Es wird sicher eine Transfusion nötig sein.«

      »So!« Dr. Lindau hörte auf, sich die Hände zu schrubben. Er fragte nicht, woher die Patientin so plötzlich gekommen war. Rasch wechselte er die Kleidung, dann eilte er in den Kreißsaal. Dort bemühte sich bereits Dr. Anja Westphal – sie war die rechte Hand des Chefarztes – um Susanne. Dr. Lindau warf einen Blick in das aschgraue Gesicht Susannes. Er stellte einige knappe Fragen, dann erkundigte er sich nach dem Blutdruck.

      »Wo bleibt die Traubenzuckerinfusion? Dr. Bernau, bitte, beeilen Sie sich!«

      »Der Blutdruck! Ich kann ihn nicht mehr messen«, stellte die OP-Schwester fest. Ihre Stimme zitterte leicht. Auch allen anderen Anwesenden war klar, daß es wieder einmal um Leben und Tod ging.

      Dr. Lindau überzeugte sich davon, daß die Geburt noch nicht begonnen hatte, sondern daß die Patientin einfach blutete. Der Mutterkuchen, der sonst oben an der Innenwand der Gebärmutter saß, blockierte hier den Ausgang, so konnte das Kind nicht ausgestoßen werden. Dr. Lindau konnte nicht sagen, ob bei dieser Patientin die Zeit der Niederkunft schon gekommen war, jedenfalls hatte sich der Gebärmuttermund zu weiten begonnen, und so hatte die Placenta zu bluten angefangen.

      »Die Patientin ist bewußtlos geworden«, meldete die OP-Schwester.

      Das wunderte Dr. Lindau nicht. Die Blutung hatte noch immer nicht nachgelassen. Es war ein Wettkampf mit der Zeit. »Wir müssen uns beeilen.« Er hob den Kopf und sah, daß die Augen seines Assistenzarztes erschrocken aufgerissen waren. »Ich bekomme die Nadel nicht hinein«, stammelte er, »ich kann die Vene nicht finden.«

      Dr.