Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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meinst, ich muß zuerst etwas essen?«

      »Ja! Zuerst ißt man zu Mittag, dann gibt es Nachtisch.«

      »Und der Nachtisch ist dann Eis?« erkundigte Florian sich.

      »Ja!« Astrid unterdrückte ein Lächeln.

      »Wirklich?« Das Eis fand Flori so verlockend, seine Zungenspitze fuhr über die Unterlippe. Astrid nickte. »Gut«, entschloß sich Florian, »ich glaube, jetzt habe ich ein wenig Hunger. Aber nur ein wenig.«

      Astrid zögert nicht. Sie klingelte nach der Schwester und bat diese, Florian noch einmal das Essen zu bringen und anschließend ein Erdbeereis. Die Schwester war verblüfft, hatte sie sich doch kurz zuvor über eine Stunde bemüht gehabt, den Jungen zum Essen zu bewegen. Dann lächelte sie jedoch. Auch sie freute sich, denn sie erkannte, daß Florians Wangen ein wenig Farbe bekommen hatten.

      »Ich bin gleich wieder da«, versicherte sie. Es dauerte dann aber doch länger, und Astrid, die an Florians Bett sitzen geblieben war, entging die Unruhe nicht, die plötzlich auf dem Gang herrschte. Schließlich merkte auch Florian, daß die Schwester lange ausblieb. Mit gerunzelter Stirn fragte er:

      »Glaubst du, daß sie das Eis nicht findet?«

      »Zuerst wird das Mittagessen gegessen«, erinnerte Astrid ihn.

      »Ach so, das habe ich schon wieder vergessen.«

      Ehe Astrid antworten konnte, erschien die Schwester mit einem Tablett. »Entschuldigung, es hat etwas länger gedauert.« Sie sah die Ärztin an, dann wandte sie sich an den kleinen Patienten. »Ich hoffe, es schmeckt dir trotzdem. Das Eis wird auch bereits zubereitet.«

      »Du hast es nicht gleich mitgebracht?« Flori war enttäuscht.

      »Bis du das Essen gegessen hättest, wäre es zerronnen.«

      Das sah Flori ein. Astrid war ihm behilflich, sich aufzusetzen. »Du kannst das Eis holen gehen, ich fange schon zu essen an«, sagte Florian zu der Schwester und dann ließ er sich wirklich von Astrid füttern. Gehorsam sperrte er den Mund auf und schluckte. Astrid und die Schwester tauschten einen erleichterten Blick.

      Es war nur noch ein wenig übrig, als Florian bittend sagte: »Tante Doktor, jetzt kann ich nicht mehr. Sonst kann ich das Eis nicht mehr essen.«

      Astrid nickte lächelnd, sie drängte ihn nicht weiter. Gerade als Flori fragen wollte, wo die Schwester mit dem Eis blieb, da brachte diese auch schon ein Schüsselchen mit dem heiß ersehnten Eis, und es war wirklich Erdbeereis.

      »Danke«, sagte Florian artig und nun sperrte er seinen Mund doppelt so schnell auf, Astrid kam mit dem Füttern kaum nach.

      »War irgend etwas los?« fragte Astrid, als sie der Schwester das leere Schüsselchen reichte. Diese nickte. »Peter«, sagte sie.

      Astrid erschrak, aber sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. »Jetzt wird ein Mittagsschläfchen gehalten, Flori«, meinte sie und strich dem Kleinen, der wieder im Kissen lag, liebevoll über das Haar.

      »Du gehst wieder weg?« Unruhig flackerten Floris Augen auf.

      »Du weißt doch, daß ich nicht die ganze Zeit bei dir sein kann.«

      »Ich weiß, ich muß dich mit den vielen anderen kranken Kindern teilen.« Sekundenlang sah es so aus, als würde der Kleine zu weinen beginnen, dann drehte er jedoch nur den Kopf zur Seite. »Danke, daß du da warst. Du bist die liebste Tante Doktor, die es gibt.«

      Astrid hatte einen Kloß im Hals. Sie konnte nur hoffen, daß Florian über den Tod seiner Eltern hinwegkam und bei den Verwandten ein neues Zuhause fand. Sie küßte ihn auf die Stirn und versprach: »Bevor ich die Klinik verlasse, sehe ich noch einmal nach dir.«

      Auf dem Gang atmete Astrid tief durch, dann fragte sie die Schwester: »Was ist mit Peter?«

      »Ihr Mann ist noch bei ihm. Plötzlich stieg das Fieber, und ehe man etwas dagegen unternehmen konnte, erbrach sich das Kind, dann verlor er das Bewußtsein.«

      »Ein Rückfall also!« Astrid war bestürzt. »Heute morgen waren wir noch davon überzeugt, daß das Schlimmste überstanden ist. Wir hofften auch, daß es keine Dauerschäden geben wird. Wie konnte es nur zu diesem Rückfall kommen?«

      Diese Frage konnte die Schwester nicht beantworten. »Ihr Mann hat alle halbe Stunde nach Peter gesehen. Er war fast fieberfrei, und man konnte mit ihm sprechen. Völlig unerwartet stieg dann das Fieber wieder. Seither bemüht sich Ihr Mann um das Kind.«

      »Danke! Ich werde selbst nach Peter sehen.« Astrid begab sich in Richtung Intensivstation, auf der Peter seit seiner Einlieferung lag. Man hatte das Kind keinen Augenblick ohne Bewachung gelassen. Im Vorraum zur Intensivstation wusch sie sich die Hände und zog sich einen anderen weißen Mantel über. Vorsichtig betrat sie dann das Zimmer. Sie blieb an der Tür stehen und beobachtete ihren Mann, der sich um das Kind bemühte. Er hatte ihr Kommen überhaupt nicht bemerkt. Jetzt richtete er sich auf und sagte zu der diensthabenden Schwester: »Ich glaube, wir haben es geschafft, das Fieber fällt wieder. Ich nehme an, daß der Junge die nächsten Stunden schlafen wird. Ich werde aber gegen Abend noch einmal eine genaue Untersuchung vornehmen. Es darf keinen weiteren Fieberanfall mehr geben.« Er richtete sich ganz auf, drehte sich um und sah seine Frau. Er versuchte zu lächeln, aber es wollte ihm nicht so recht gelingen. Zu stark stand er noch unter dem Erlebnis der letzten halben Stunde.

      Astrid sah die Erschöpfung auf dem Gesicht ihres Mannes. Sie streckte ihre Hand nach ihm aus. »Komm, ein Kaffee wird dir jetzt sicher guttun.«

      Dr. Mertens nickte. »Vor allem, wenn ich ihn in deiner Gesellschaft trinken kann. Schön, daß du da bist. Wie ich hörte, warst du mit deinem Vater essen?«

      »Ja, aber ich bin schon seit einiger Zeit zurück. Ich war bei Florian.« Seite an Seite verließ das Ehepaar die Intensivstation. Auf dem Flur streckte der Kinderarzt sich. Noch immer war seine Miene abweisend.

      »War es so schlimm?« Astrid legte ihm die Hand auf den Arm. Ihr Mann nickte mit zusammengepreßten Lippen.

      »Ich dachte, das Kind stirbt mir unter den Händen. Dabei war ich fast ständig auf der Intensivstation. Ich habe mich mit Peter unterhalten. Der Junge schien überhaupt keine Schmerzen mehr zu haben, und dann plötzlich stieg das Fieber. Den Grund kann ich dir nicht sagen. Vielleicht ließ die Wirkung der Medikamente nach.« Er zuckte die Achseln. In Gedanken ging er die letzte halbe Stunde noch einmal durch. Astrid, die aus eigener Erfahrung wußte, wie wichtig dieses Zurückerinnern war, ließ ihren Mann sprechen.

      »Ich war dabei, als die Bewußtseinsstörung eintrat. Ich mußte um das Leben des Jungen kämpfen. Es dauerte lange, bis ich ihn ins Bewußtsein zurückholen konnte. Zuerst war er nicht ansprechbar, dann schlief er ein.«

      Da ihr Mann nun schwieg, sagte Astrid: »Das ist gut! Wenn sein Schlaf ruhig bleibt, dann ist es ein gutes Zeichen. Wir werden uns Peter gegen Abend zusammen ansehen. Im Moment können wir nichts anderes tun, als ihn schlafen lassen.«

      Alexander Mertens nickte. Er wußte, daß seine Frau recht hatte. Obwohl es zu diesem Rückfall gekommen war, bestand noch Hoffnung, daß es keine Dauerschäden gab. Dies würde man aber erst bei einer gründlichen Untersuchung feststellen können. So setzte er sich ins Ärztezimmer und ließ sich von Astrid einen Kaffee machen. Während er zusah, wie sie die Kaffeemaschine in Gang setzte, dachte er daran, wie die Zeit verging. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er das erste Mal den Fuß in diese Klinik gesetzt hatte.

      *

      Der Frühling war dem Sommer gewichen, die Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel. Auf dem See herrschte reges Leben, Segelboote und Surfer waren unterwegs. Susanne Brühl nahm das bunte Leben nicht wahr. Sie starrte vor sich hin, wußte nicht mehr weiter. Das Leben hatte für sie keinen Sinn mehr. Nach wochenlangem Warten hatte sie begriffen, daß Ralf Klein nichts anderes gewesen war als ein kleiner Betrüger. Kein Wort von dem, was er ihr erzählt hatte, war wahr gewesen. Er hatte die letzten Monate von ihren Ersparnissen gelebt.

      Susanne legte die Hand über ihren Bauch. Deutlich spürte sie die Bewegungen des