Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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kümmert sich hier um ihn. Die Tochter des Chefarztes und ihr Mann sind bei Patrick. Du kannst wirklich nach Hause gehen.« Sie legte die Hand gegen seine Brust. »Sobald sich Patricks Zustand ändert, wird man dir Bescheid geben. Hier zu warten hat doch keinen Sinn.«

      Seine Augen weiteten sich, ihre Worte hatten ihn erreicht. »Ich soll nach Hause gehen, während Dr. Mertens und seine Frau um das Leben meines Sohnes kämpfen? Das kann doch nicht dein Ernst sein!«

      »Aber du kannst hier nichts tun.« Angela wurde unsicher.

      »Ich bleibe hier! Die ganze Nacht, den morgigen Tag, ich rühre mich nicht vom Fleck, bis Patrick… bis Patrick… Er darf nicht sterben!« Ingo ballte die Fäuste.

      »Natürlich nicht! Du darfst nicht immer daran denken.«

      »Was soll ich denn sonst tun? Begreifst du denn nicht? Mein Patrick, mein kleiner Patrick, er liegt da drin! Sein kleiner Körper wird von Krämpfen geschüttelt.«

      »Du hättest nicht hineingehen sollen. Die Ärztin hat dich gewarnt.«

      Ingo starrte sie an. »Es handelt sich um meinen Sohn, um Patrick!« Jedes Wort hatte er laut und deutlich ausgesprochen.

      »Ich weiß! Ich mag deinen Sohn sehr. Ich habe mich ja in den letzten Wochen um ihn gekümmert.«

      »Gekümmert?« wiederholte Ingo. In seinem Kopf machte es plötzlich klick.

      »Ja, das habe ich!« Irgend etwas in seiner Stimme hatte sie gereizt. »Ich bin nur noch für deinen Sohn da gewesen. Morgens, mittags, abends und sogar in der Nacht. Ich habe kein Privatleben mehr gehabt.« Sie besann sich.

      »Ich habe es gern getan. Er ist mir sehr ans Herz gewachsen. Daher leide ich genauso wie du.«

      Ingo hatte das Gefühl, diese Frau zum ersten Mal zu sehen, dabei kannte er sie schon lange. Er hatte jedoch nie über sie nachgedacht. Sie war Sylvias Freundin gewesen. Er hatte ihr seinen Sohn anvertraut. Langsam begriff er, daß dies ein Fehler gewesen war.

      »Ich würde Patrick so gern helfen«, plapperte Angela weiter. »Ich bin nur keine Ärztin. Was ich habe tun können, das habe ich getan. Ich brachte Patrick hierher.«

      »Patrick hat Wundstarrkrampf«, sagte Ingo. Er ging an Angela vorbei und setzte sich auf die Bank. Er sah auf seine Hände und begann über die Erkrankung seines Sohnes nachzudenken. In seine Gedanken hinein klangen Männerschritte. Andy Seger kam eilenden Schrittes heran.

      »Ich habe in der Klinik angerufen und erfahren, daß Sie noch immer hier sind. Patricks Zustand hat sich also noch immer nicht gebessert? Ich mache mir solche Vorwürfe.« Er sprach nur zu Angela, den Hotelier hatte er noch nicht gesehen.

      »Andy, wir haben getan, was wir konnten. Es ging doch alles so schnell. Patrick war gesund und plötzlich…«

      »Wir haben nicht auf ihn geachtet.«

      Ingo sprang auf. »Wer sind Sie? Wovon sprechen Sie?«

      Andy fuhr herum. »Entschuldigen Sie, Herr Frehner, ich habe Sie nicht gesehen.«

      »Sind Sie nicht der Sohn vom Seger Anton?«

      »Freilich, der bin ich! Es tut mir ja so schrecklich leid. Ich habe wirklich nichts gemerkt. Wenn diese Frau nicht gewesen wäre…«

      Angela hatte den Einundzwanzigjährigen am Arm gepackt, sie wollte ihn am Weiterreden hindern, doch Andy begriff es nicht. Er wollte Angela nur helfen. »Auch mir ist an Patrick nichts aufgefallen. Vielleicht war er etwas stiller als sonst. Ich gebe zu, ich habe darauf nicht geachtet.«

      »Moment!« Mit gerunzelter Stirn versuchte Ingo zu verstehen. »Sie kennen meinen Sohn? Sie kennen Angela?«

      »Ja! Sehr gut!« Andy, der bis über beide Ohren in die schöne Angela verliebt war, errötete.

      »Ich bin mit Patrick oft am See und da habe ich Herrn Seger kennengelernt«, sagte Angela rasch. Sie sah den jungen Mann beschwörend an, doch dieser bemerkte es nicht.

      »Patrick ist ein so lieber Junge. In den letzten Tagen habe ich mir mittags immer freigenommen und dafür abends länger gearbeitet. So konnte ich mit Angela und Patrick zusammen sein.«

      »Sie waren mit Patrick und Angela zusammen? Das wußte ich nicht!« Ingos Gedanken überschlugen sich. Erst kürzlich hatte Angela geklagt, daß sie sich sehr einsam fühle, da sie hier niemand kenne.

      »Sie waren jeden Tag mit Angela und Patrick zusammen?«

      »Fast jeden Tag«, sagte Andy eifrig. »Immer ging es nicht, ich muß ja Vater auf dem Hof helfen. Aber wir haben zusammen Ausflüge in die Umgebung gemacht, sind baden gegangen oder waren mit Patrick auf dem Spielplatz. Patrick kannte mich schon. Wir hatten viel Spaß zusammen, nur heute…« Ein Schatten legte sich auf das Gesicht des jungen Burschen. Er preßte die Lippen aufeinander.

      »Was war heute?« Scharf fragte es Ingo.

      Andy zuckte zusammen. »Ich weiß nicht! Ich wollte Angela einladen, am Samstag ist Tanz im Grünen Baum…«

      »Andy, nun hören Sie doch auf!« Heftig zerrte Angela an Andys Arm. »Das interessiert Herrn Frehner doch nicht.« Sie wandte sich Ingo zu, wollte etwas sagen, doch sein kalter Blick ließ sie schweigen.

      »Was du mit diesem jungen Mann hier machst, interessiert mich wirklich nicht. Was hast du aber mit Patrick gemacht? Ihn habe ich dir anvertraut! Du hast mir versprochen, auf ihn aufzupassen. Du weißt, daß er mein ein und alles ist.«

      Andy fühlte sich verpflichtet, seiner angebeteten Dame zu helfen. Unbewußt stellte er sich in Positur. »Patrick hat gespielt. Wir haben ganz in der Nähe auf einer Bank gesessen. Man hat überhaupt nicht gemerkt, daß diese schreckliche Krankheit schon in ihm steckte. Plötzlich hat er zu zittern angefangen. Da wollte Angela nach Hause, wollte ihn ins Bett stecken. Sie dachte, daß er sich erkältet hat. Kleine Kinder erkälten sich doch leicht einmal.«

      »So! Ich dachte, du hast dafür gesorgt, daß Patrick in die Klinik kam?« Ingo sah Angela an.

      Angela verteidigte sich, ohne nachzudenken. »Ich wollte den Hausarzt rufen. Ich konnte doch nicht wissen, daß Patrick Tetanus hat.«

      »Er hat sich an einem Stacheldraht geritzt, die Wunde hat sich entzündet. Du hast es nicht bemerkt.« Ingos Arme sanken herab. Er schüttelte den Kopf.

      »Du willst also mir die Schuld geben?« Angelas Stimme gewann an Lautstärke. »Mir, die ich in den letzten Wochen nur für dein Kind gelebt habe? Was ich heute durchgemacht habe, danach fragst du gar nicht! Wie immer lief Patrick weg. Er kann ja keine fünf Minuten ruhig sitzen. Und dann war da auch noch diese Frau. Sie blutete, brach neben Patrick zusammen. Patrick jedoch war nicht ansprechbar. Es war schrecklich!«

      Auf diese Art und Weise erfuhr Ingo Frehner zum ersten Mal von der jungen Frau. Andy war es, der ihm einen zusammenhängenden Bericht lieferte. Einige Zeit sagte Ingo nichts, dann wandte er sich an Angela: »Ich finde, es ist wirklich besser, wenn du nach Hause gehst.«

      Angela sah ihn verständnislos an. »Ich vertrete doch Mutterstelle an Patrick. Ich bleibe hier, genauso wie du.«

      »Nein! Bitte, Angela, ich möchte jetzt nicht darüber diskutieren.« Ingo fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Andy«, sagte er dann, »würden Sie so gut sein und Angela zu meinem Haus bringen? Sie wird hier nicht gebraucht.«

      »Ja, natürlich, selbstverständlich, Herr Frehner! Mein Auto steht auf dem Parkplatz draußen. Ich mache das sehr gern.« Im guten Glauben, helfen zu können, begann er auf Angela einzusprechen: »Kommen Sie, Angela! Herr Frehner hat recht, Sie können hier nichts tun.«

      Angela mußte sich beherrschen, am liebsten hätte sie Andy angeschrien. Schließlich sah sie jedoch ein, daß es keinen Sinn hatte zu bleiben. Also ging sie mit.

      *

      Ingo Frehner hatte sich wieder auf die Bank gesetzt. Angela hatte er

      bereits aus seinem Gedächtnis gestrichen. Er dachte nur an Patrick.