Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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die Kipfchen zu essen begann, festigte sich ihr Entschluß, Auefelden so schnell wie möglich den Rücken zu kehren.

      *

      »Bitte, Frau Doktor, bleiben Sie bei mir.« Die Frau, sie erwartete ihr erstes Kind, griff nach Dr. Anja Westphals Hand und versuchte sie festzuhalten. »Sie müssen jetzt bei mir bleiben, die Wehen haben bereits angefangen.«

      Die Frauenärztin unterdrückte einen Seufzer. Sie war wirklich nahe daran, die Geduld zu verlieren. Sie holte tief Luft, dann gelang es ihr wieder zu lächeln.

      »Ich sagte doch bereits, Sie haben noch viel Zeit. Vor heute mittag bekommen Sie Ihr Kind sicher nicht.«

      »Aber die Wehen, ich habe sie deutlich gespürt.«

      »Der Muttermund hat sich noch nicht geweitet. Sie müssen Geduld haben. Wenn es soweit ist, werden Sie in den Kreißsaal gefahren.«

      »Sie wollen mich allein lassen? Frau Doktor, mir wurde versichert, daß Sie bei der Geburt zugegen sein werden.« Statt die Hand der Ärztin loszulassen, umklammerte die werdende Mutter diese nur noch fester.

      »Ich werde dabei sein. Sie haben noch viel Zeit.« Mit sanfter Gewalt entzog Dr. Westphal Frau Kainer die Hand. Schon seit einer Woche lag diese exzentrische Frau in der Klinik. Sie war die Frau eines Rennfahrers und gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen.

      »Das ist nicht wahr!« Ruckartig setzte sich die ehemalige Schönheitskönigin im Bett auf. »Ich habe es deutlich gespürt, mein Kind hat sich bewegt.«

      »Das ist normal. Es hat sich um eine Art Vorwehe gehandelt. Wahrscheinlich ist das Kind etwas tiefer gerutscht.«

      »Genau! Sie müssen veranlassen, daß man mich in den Kreißsaal bringt.«

      »Nein! Dazu ist es noch zu früh! Wir haben uns in den letzten Tagen ausführlich darüber unterhalten. Erst wenn die Wehen in regelmäßigen Abständen auftreten, wird die Geburt eingeleitet. Ich bin nun schon seit zwanzig Minuten bei Ihnen, und Sie hatten keine Wehe mehr.«

      »Woher wollen Sie das wissen?« Ärgerlich verzog Sigrun Kainer das Gesicht.

      »Ich hätte es gemerkt, wenn es zu einer unwillkürlich schmerzhaften Zusammenziehung der Gebärmutter gekommen wäre. Sie können ruhig Ihr Frühstück genießen. Ich sehe später wieder nach Ihnen.«

      »Aber Frau Doktor, wie soll ich wissen, wenn es soweit ist?«

      »Das spüren Sie!« Die Frauenärztin verbiß sich ein Lächeln. »Falls Sie wegen des Frühstücks noch einen Wunsch haben, dann sagen Sie der Schwester Bescheid.« Und da Schwester Bärbel gerade eintrat, kehrte Dr. Westphal dem Bett den Rücken und eilte zur Tür.

      »Frau Doktor, mein Mann! Warum ist mein Mann noch nicht hier?«

      Dr. Westphal unterdrückte einen Seufzer und wandte sich nochmals um. »Ihr Mann ist auf dem Weg hierher. Sie müssen sich keine Sorgen machen, bis zur Geburt ist er längst hier.« Nach diesen Worten trat sie rasch hinaus auf den Gang und verhinderte so eine weitere Frage. Sollte Schwester Bärbel sehen, wie sie mit der werdenden Mutter zurechtkam. Daß Frau Kainer eine schwierige Patientin war, wußte bereits jeder in der Klinik.

      Dr. Westphal verhielt auf dem Gang kurz den Schritt. Sie sah, daß Schwester Karla das Frühstücksgeschirr aus einigen Zimmern holte. »Hat die Frau… der Neuzugang von gestern nachmittag schon ihr Frühstück bekommen?«

      »Ja, ich habe es ihr auf den Nachttisch gestellt«, meinte Schwester Karla.

      »Haben Sie mit der Frau gesprochen?« fragte die Ärztin weiter.

      »Ich habe es versucht. Sie war jedoch nicht sehr gesprächig, und als ich ihr dann das Frühstück brachte, schien sie wieder eingeschlafen zu sein.«

      »Ging es ihr nicht gut?«

      »Ich glaube nicht, daß sie irgendwelche Beschwerden hatte. Sie wollte bereits aufstehen.«

      »Danke!« Dr. Anja Westphal ging weiter. Hätte Frau Kainer sie nicht aufgehalten, wäre sie schon längst bei der jungen Frau. Gleich nach ihrem Eintreffen in der Klinik hatte sie sich nach ihr erkundigt und erfahren, daß sie die Nacht durchgeschlafen hatte. Damit hatte sie auch gerechnet. Ihre Erschöpfung war sicher sehr groß gewesen, außerdem hatten auch die Medikamente ihre Wirkung getan. Während sie sich in Gedanken auf das Gespräch mit der jungen Frau vorbereitete, klopfte sie bereits an die Zimmertür. Sie wartete einige Sekunden, dann klopfte sie erneut. Da wieder keine Antwort kam, drückte sie die Klinke nieder und trat ein. Verwirrt sah sie auf das leere Bett.

      »Frau…« Sie ging weiter ins Zimmer hinein. Ihr Blick fiel auf das sorgfältig über das Bett gelegte klinikeigene Nachthemd.

      War die Frau aufgestanden? Dr. Westphal ging in den Waschraum, sie überzeugte sich davon, daß auch die Toilette frei war. Vielleicht hatte sie nach ihrem Baby sehen wollen. Sie trat wieder hinaus auf den Gang und stieß beinahe mit dem Chefarzt zusammen.

      »Guten Morgen! Wie geht es…« Dr. Lindau hatte Anja ins Gesicht gesehen und unterbrach sich: »Ist etwas nicht in Ordnung? Wie ich hörte, hatte es während der Nacht keine Vorkommnisse gegeben.«

      »Sie ist nicht da! Weißt du, wo sie ist? Hast du mit ihr schon gesprochen?«

      Mit gerunzelter Stirn schüttelte der Chefarzt den Kopf. »Ich bin noch nicht lange hier. Bis weit nach Mitternacht war ich mit Herrn Frehner zusammen. Aber ich hätte dir sowieso den Vortritt gelassen. Wir hatten doch ausgemacht, daß du die junge Mutter unter deine Fittiche nimmst.«

      »Als ich das erste Mal nach ihr fragte, schlief sie noch«, meinte Anja. »Ich wurde dann zu Frau Kainer gerufen. Schwester Karla hat mir gerade eben gesagt, daß sie ihr bereits das Frühstück gebracht hat.« Sie drehte sich um und ging in das Zimmer zurück. Das Frühstückstablett stand auf dem Nachttisch. Anja unterzog es einer Kontrolle, dann sagte sie dem Chefarzt, der ihr gefolgt war: »Es fehlt nur das Gebäck.«

      Dr. Lindaus Augen verengten sich, auch ihm war das Nachthemd aufgefallen. Er griff zur Klingel und drückte sie. Es vergingen nur wenige Minuten, dann betrat die Oberschwester selbst das Zimmer. Als sie das leere Bett sah, war sie genauso verblüfft wie Dr. Westphal vor ihr. Ratlos sah sie von der Ärztin zu Dr. Lindau.

      »Sie wissen also auch nicht, wo sie ist?« fragte dieser.

      »Nein!« Nervös begann Erna Lackner an ihrem dunklen Haar zu nesteln. »Ich sah vorhin mit Dr. Hoff herein. Da schlief die junge Frau wieder.« Gleich darauf verbesserte sie sich unsicher: »Das ist nicht ganz korrekt, sie tat, als ob sie schliefe. Jedenfalls glaubte dies auch Dr. Hoff.«

      »Sie haben also nicht mit ihr gesprochen?« Dr. Westphal fragte es.

      Schwester Erna, sie konnte sehr energisch sein, streckte sich etwas. Ruhig hielt sie dem Blick der Ärztin stand. »Es interessiert mich natürlich auch, wer die Frau ist. Jeder von uns hat sich seit gestern so seine Gedanken gemacht. Trotzdem habe ich darauf verzichtet. Ich wollte keinen Fehler machen.«

      »Schon gut, Schwester Erna«, sagte der Chefarzt. »Wenn sie aufgestanden ist, dann ist dies ja ein Zeichen dafür, daß es ihr gutgeht. Ich verstehe nur nicht, daß sie ihr beschmutztes Kleid angezogen hat.«

      Die nächste, die erstaunt auf das leere Bett sah, war Schwester Karla. Sie war gekommen, um das Frühstücksgeschirr wieder einzusammeln. »Vielleicht ist sie zu ihrem Baby gegangen. Sie hat mich nach ihrem Kind gefragt.«

      »Das können wir gleich feststellen«, sagte Dr. Lindau. Er selbst begab sich zur Abteilung der Neugeborenen. Eine halbe Stunde später rief er die Polizei an. Er meldete das Verschwinden der Unbekannten. »Wir kümmern uns natürlich um ihr Kind«, teilte er mit großer Selbstverständlichkeit der Polizei mit. »Es ist ein Mädchen und es wird keinen Schaden davontragen.«

      *

      Angela Wunter war dabei, ihre Koffer zu packen, als das Läuten an der Haustür sie aufschreckte. Ihr erster Impuls war, nicht zu reagieren, doch als das Klingeln sich wiederholte, siegte ihre Neugierde. Sie trat ans Fenster und sah hinunter. In diesem Moment hob Andy Seger den Kopf. Er