Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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später mit Susanne verbunden. »Herr Dr. Lindau«, hörte er eine unsichere Stimme fragen.

      »Ja! Was kann ich für Sie tun?«

      Susanne zitterte nun so stark, daß ihr der Hörer beinahe aus der Hand gefallen wäre. Der Mut verließ sie, sie wollte schon den Hörer auf die Gabel zurücklegen, da sah sie aber seine gütigen Augen vor sich. Sie wußte, daß er der Mann war, der ihr und ihrem Kind das Leben gerettet hatte.

      »Herr Doktor, mein Kind!« Susanne rannen nun die Tränen über die Wangen. »Ich muß wissen, wie es meinem Kind geht. Lebt es?«

      Zuerst verstand Dr. Lindau nicht, dann klang Schluchzen an sein Ohr. Schlagartig begriff er. Erregt wandte er den Kopf nach der Oberschwester, auch Dr. Westphal war inzwischen herangekommen. So ruhig, wie es Ihm möglich war, sprach er dann in den Hörer: »Hören Sie mir zu! Sie wollten mich etwas fragen.«

      Susanne schluckte. »Ja! Ich werde Ihnen nicht sagen, wer ich bin. Sie haben mir sehr geholfen, mir und meinem Kind.« Ihre Stimme brach.

      Dr. Lindau wartete, schließlich fragte er: »Wie geht es Ihnen?«

      »Mir geht es gut. Es geht aber nicht um mich. Meinem Baby, wie geht es ihm?«

      »Gut!«

      »Wirklich? Lügen Sie mich auch nicht an?«

      »Kommen Sie her! Überzeugen Sie sich selbst davon!« Dr. Lindau sprach langsam. Es war ihm bewußt, daß die junge Mutter am anderen Ende der Leitung auflegen konnte, dann war der Kontakt zu ihr wieder unterbrochen.

      »Das geht nicht! Herr Doktor, Sie müssen mir glauben! Ich kann für das Kind nicht sorgen. Ich will, daß mein Kind wohlbehütet aufwächst. Bitte, sorgen Sie dafür.«

      Dr. Lindau hörte den stoßweise gehenden Atem der jungen Frau. Was sollte er tun? Er durfte sie auf keinen Fall erschrecken. »Sie müssen sich keine Sorgen machen. Im Moment ist für das Kind hier bestens gesorgt.«

      »Das ist schön!« Wieder drang ein trockenes Schluchzen durch die Leitung und dann die Frage: »Es ist ein Mädchen, nicht wahr?«

      »Ja, es ist ein Mädchen, ein entzückendes Mädchen…«

      »Dann wird man es liebhaben«, flüsterte Susanne. Der Chefarzt konnte es nicht sehen, aber jetzt lächelte sie unter Tränen.

      »Hallo! Hören Sie mich noch?« rief nun Dr. Lindau, aber er hörte nur noch ein Knacken in der Leitung. Die Unbekannte hatte aufgelegt.

      *

      »Sie hat aufgelegt!« Dr. Lindau sah auf den Hörer, den er noch immer in der Hand hielt. »Wie hätte ich es verhindern sollen?« Mit gerunzelter Stirn legte er den Hörer auf die Gabel. Er machte sich Vorwürfe.

      Die Oberschwester und die Frauenärztin sahen ihn an. Da zuckte der Chefarzt die Achseln. »Leider, ich weiß nicht mehr als vorher.«

      »Sie hat also keinen Namen genannt.« Dr. Westphal versenkte ihre Hände in den Manteltaschen. Kurz sah sie auf ihre Schuhspitzen, dann sah sie dem Chefarzt wieder ins Gesicht. »Wenn ich richtig verstanden habe, dann hat sie sich nach ihrem Kind erkundigt.«

      Der Chefarzt nickte.

      Die Miene der Ärztin erhellte sich. »Das ist doch ein gutes Zeichen! Sie denkt an ihr Kind.«

      »Sie ist verzweifelt. Ich würde ihr gern helfen.«

      Nun mischte sich die Oberschwester ein: »Chef, Sie sind zu gut! Diese Frau verschwindet einfach, denkt nicht an ihr Kind…«

      »Sie denkt an ihr Kind«, sagte Dr. Lindau mit Nachdruck.

      »Vielleicht gerade in diesem Augenblick, aber sonst…« Unwillig blähten sich ihre Nasenflügel. »Schleicht sich aus der Klinik! Wie es dem Neugeborenen geht, scheint sie nicht zu kümmern.«

      »Aber Schwester Erna!« Dr. Lindau legte ihr die Hand auf die Schulter. »Was ist los mit Ihnen? Meistens sind Sie die Fürsprecherin für Schwestern und Patienten.«

      »Dieses Mädchen hat uns schon genug Schwierigkeiten gemacht. Noch immer gibt es hier kein anderes Gesprächsthema als die unbekannte junge Mutter und ihr namenloses Kind. Was machen wir mit dem Mädchen, wenn es aus dem Brutkasten kommt?«

      Dr. Lindau fühlte den Blick der Ärztin, auch sie wartete auf seine Antwort.

      »Das Kind hat sich rasch erholt. Morgen können wir es aus dem Brutkasten nehmen. Es ist wirklich ein hübsches Mädchen.«

      »Was wird aus ihm?«

      Nun lächelte der Chefarzt. »Sie machen sich also auch Ihre Gedanken. Wir werden uns weiter um das Baby kümmern. Die junge Mutter hat mich darum gebeten.«

      »Du kannst das Kind doch nicht für immer in der Klinik behalten«, warf Anja Westphal ein.

      »Das wird nicht nötig sein. Die Mutter des Mädchens wird sich wieder melden.«

      »Wie können Sie nur so sicher sein?« Die Oberschwester schüttelte den Kopf. »Sie ist eine ledige Mutter, weiß nicht, wohin mit dem Kind.«

      »Das dürfte stimmen. Sie ist aber auch eine verzweifelte Mutter. Und fragen Sie mich nicht, woher ich das weiß.«

      »Diesmal wollte ich dich das fragen«, meinte die Ärztin.

      Der Chefarzt legte die Fingerspitzen seiner Hände gegeneinander. »Ihr werdet mir wohl auch etwas Menschenkenntnis zutrauen. Aber auch Sie, Schwester Erna, hätten erkannt, wie verzweifelt diese junge Frau ist. Sie konnte kaum sprechen.« Und dann gab er die wenigen Worte wieder, die Susanne gesagt hatte.

      »Das hilft uns auch nicht weiter«, stellte die Oberschwester lakonisch fest, aber ihre Miene war bereits milder.

      Wieder klingelte das Telefon, und ehe die Oberschwester danach greifen konnte, hatte der Chefarzt den Hörer abgenommen. »Das freut mich«, sagte er, »ich komme sofort.«

      »Hat sie es sich doch noch anders überlegt?« fragte die Frauenärztin und nahm die Hände aus den Manteltaschen.

      Für den Bruchteil einer Sekunde war Dr. Lindau irritiert. »Alles dreht sich doch nicht um diese unbekannte junge Mutter«, meinte er dann. »Meine Tochter hat angerufen. Der kleine Patrick ist über den Berg. Ein überglücklicher Vater wünscht mich zu sprechen.«

      »Wenigstens eine gute Nachricht.« Dr. Westphal strich sich eine Haarsträhne zurück. »Ich hätte nicht gedacht, daß sie es schaffen. Deine Tochter und dein Schwiegersohn haben einen enormen Einsatz gebracht…«

      »Schon gut, Anja«, wehrte der Chefarzt ab, aber in seinem Innern war er sehr stolz auf seine Tochter. Hatte es doch einmal so ausgesehen, als würde sie nicht in seine Fußstapfen treten. »Ich glaube, wir alle lieben unseren Beruf sehr und geben unser Bestes.« Sein Blick schloß nun auch die Oberschwester mit ein. Erna Lackner war wohl verheiratet, sie hatte aber keine Kinder und hatte noch nie gezögert, länger, als es ihre Arbeitszeit vorschrieb, in der Klinik zu bleiben.

      Er räusperte sich. »Die nächste halbe Stunde bin ich sicher noch auf der Kinderstation.«

      »Keine Sorge«, unterbrach Anja Westphal ihn. Sie hatte Nachtdienst und sie wußte genau, was der Chefarzt hatte sagen wollen. »Es wird eine ruhige Nacht werden.« Sie lächelte ihn an, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging davon.

      Dr. Lindau verabschiedete sich von der Oberschwester und ging sodann durch den gläsernen Durchgang hinüber in die Kinderstation. Dort traf er Ingo Frehner im Gespräch mit seiner Tochter an. Das Gesicht des Hoteliers war entspannt, er lächelte. Das Lächeln freute den Chefarzt sehr, denn die letzten Tage hatte er den Mann nie lächeln gesehen.

      »Patrick hat es geschafft, Herr Doktor! Er wird wieder ganz gesund werden. Von jetzt an geht es schnell, hat Ihre Tochter gesagt.« Mit ausgebreiteten Armen kam der Hotelier auf ihn zu. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll!« Seine Stimme zitterte.

      »Mir müssen Sie nicht danken. Ich habe nichts getan.« Lächelnd hielt Dr. Lindau still, während Ingo