Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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du stets nur Patricks Bestes wolltest. Ich werde schon dafür sorgen, daß Herr Frehner dies erfährt.« Seine Zähne bohrten sich in die Unterlippe, und dann plötzlich begann er zu strahlen. »Bis dahin wohnst du einfach bei uns. Wir haben unseren Hof ausgebaut. Hin und wieder hatten wir schon Feriengäste.«

      Angelas Mundwinkel sanken herab. Die Vorstellung, auf einem Bauernhof zu wohnen, war nicht sehr reizvoll. Hier gab es hinter dem Haus nicht nur einen Swimmingpool, sondern im Keller des Hauses auch eine Sauna, die sie jederzeit hatte benutzen können.

      Andy legte ihr den Arm um die Schultern. »Du bist natürlich mein Gast und du kannst bleiben, solange du willst.«

      »Und deine Eltern?« Angela wandte den Kopf und versuchte, in seinem Gesicht zu lesen.

      »Meine Eltern geht das nichts an. Du bist meine Freundin.« Er verschwieg, daß er vorhatte, das Zimmer und das Essen für Angela zu bezahlen. Er hatte bereits sein eigenes Geld. Von niemandem ließ er sich vorschreiben, was er damit tat.

      Angela überlegte nur kurz, dann entschied sie sich, Andys Einladung anzunehmen. Sie hatte sich Ingo noch nicht ganz aus dem Kopf geschlagen. Er brauchte jemanden für Patrick, und vielleicht sah er doch noch ein, daß sie die Richtige war.

      Andy war überglücklich, als er Angelas Gepäck zum Auto trug. Sicherheitshalber verstaute er einen Koffer und eine Tasche in seinem eigenen Wagen. Stolz, als habe er einen großen Sieg errungen, setzte er sich dann ans Steuer und wartete auf Angela, die versprochen hatte, hinter ihm herzufahren. Während der Fahrt ließ er kaum einen Blick vom Rückspiegel, und es war eigentlich ein Wunder, daß er ohne Unfall den elterlichen Hof erreichte.

      *

      Susanne Brühl fuhr nach München zurück. Sie hatte es gerade geschafft, den Bahnhof zu erreichen, und nun lehnte sie mit geschlossenen Augen in den Polstern.

      »Ist Ihnen nicht gut? Sie sehen sehr blaß aus.«

      Susanne öffnete die Augen und sah in das neugierige Gesicht einer älteren Frau, die ihr gegenübersaß. Sie versuchte zu lächeln. »Ich bin nur sehr müde. Ich habe in der Nacht kaum geschlafen.«

      »Das sieht man Ihnen an.« Mißbilligend verzog die Frau das Gesicht. »Wahrscheinlich die ganze Nacht in einer Disco verbracht! Ich begreife nicht, was ihr jungen Leute an dieser Musik findet! Ich frage das auch immer wieder meine Enkelin, dabei gibt es so schöne Möglichkeiten, einen Abend zu verbringen. Man kann ins Theater gehen oder ein gutes Buch lesen.« Die Frau redete und redete. Susanne schloß wieder die Augen. Sie spürte ein leichtes Ziehen im Unterleib. Sie legte die Hände darüber. Auch wenn die Schmerzen ärger werden würden, sie waren zu ertragen. Ihre Füße durften ihr nur nicht den Dienst verweigern. Der Boden schwankte so leicht unter ihren Füßen. Sie hatte sich immer wieder irgendwo festhalten müssen. Aber sie hatte es geschafft, den Park der Klinik zu verlassen.

      Offensichtlich hatte die Frau ihr eine Frage gestellt, denn nun schwieg sie erwartungsvoll.

      »Entschuldigen Sie, ich möchte schlafen.«

      Die Frau schnappte hörbar nach Luft vor Empörung. Susanne schämte sich, ihre Wangen brannten. Sie verbarg ihr Gesicht in der Ecke neben dem Fenster und beschloß, die Augen nicht mehr aufzumachen, was immer die Frau auch sagen würde. Doch die Frau schwieg. Im München verließ sie das Abteil, ohne Susanne noch eines Blickes zu würdigen.

      Susanne kämpfte gegen die Übelkeit an. Es kostete sie große Mühe, den Waggon zu verlassen. Sie hielt den Kopf hocherhoben, als sie zwischen den anderen Reisenden den Bahnhof verließ. Auf der Treppe stolperte sie. Sie wäre gefallen, hätte ein Mann sie nicht festgehalten. Im ersten Moment verschwamm alles vor ihren Augen, dann hatte sie sich wieder soweit gefaßt, daß sie sich bedanken konnte. Sie entzog dem Mann ihren Arm und ging weiter, bemüht, nicht zu schwanken.

      »Fräulein Brühl!« Entsetzt schlug die Hausmeisterin die Hände zusammen, als sie Susanne im Treppenhaus sah. Mit beiden Händen hielt Susanne sich am Geländer fest. Sie schaffte die Stufen bis zu ihrer kleinen Wohnung, in der sie das letzte Jahr gelebt hatte, einfach nicht mehr.

      »Können Sie mir bitte helfen«, flüsterte Susanne. »Ich glaube, ich muß mich hinlegen.«

      »In Ihrem Zustand sollten Sie vorsichtiger sein«, sagte die Hausmeisterin. Im Treppenhaus war es dunkel, und Susanne begriff, daß die Frau nicht erkannte, daß sie inzwischen entbunden hatte. Sie war jedoch zu müde, um darüber nachzudenken. Dankbar stützte sie sich auf den Arm der Hausmeisterin und ließ sich so in die Wohnung bringen, die sie eigentlich nicht wieder hatte betreten wollen

      Zwei Tage lag Susanne im Bett. Sie stand nur auf, um sich etwas zu essen zu machen. Am dritten Tag waren ihre Kräfte völlig zurückgekehrt. Sie war sich darüber im klaren, daß sie sich Arbeit suchen mußte. Der Traum, eine bekannte Sängerin zu werden, war ausgeträumt. Bevor sie Ralf kennengelernt hatte, hatte sie als Verkäuferin in einem Schallplattengeschäft gearbeitet. Sie kaufte einige Zeitungen, studierte Stellenangebote. Verkäuferinnen wurden nirgends gesucht, aber Kellnerinnen. Sie betrachtete sich im Spiegel, ihr Gesicht hatte wieder Farbe bekommen. Schließlich wagte sie es und sprach in zwei Restaurants vor. In einem dritten, einer Pizzeria, wurde sie eingestellt. Gleich am nächsten Vormittag sollte sie anfangen. Und dann saß sie in ihrer kleinen Wohnung vor dem Telefon und ihre Gedanken waren in der Klinik am See. Sie bereute ihr Handeln nicht. Sie war noch immer sicher, keine andere Wahl gehabt zu haben. Doch da war in ihr eine bisher nicht gekannte Sehnsucht. Wie ging es dem Kind? Wenn sie es schon nicht sehen konnte, dann mußte sie wenigstens wissen, ob es durchkommen würde. Vielleicht hatte man sie belogen. Manuela hatte sie ihr Kind nennen wollen, wenn es ein Mädchen würde. Ein Junge sollte Martin heißen.

      Susanne starrte auf das Telefon. Ihr Kind war in den Brutkasten gekommen, soweit konnte sie sich erinnern. Es war zu früh auf die Welt gekommen. Sie versuchte sich ihr Kind vorzustellen. Hatte es dunkle Haare oder blonde? Schließlich schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Sie hatte doch gehört, daß die meisten Kinder ohne Haare zur Welt kamen oder diese ihnen gleich nach der Geburt ausgingen.

      Ihr Kind! »Manuela«, flüsterte sie. Nie würde sie es in ihren Armen halten können. Wie sollte sie für das Kind sorgen? Sie hatte kein Geld, um dem Kind eine Ausstattung zu kaufen. Ein Kind brauchte so viel. Sie sah sich im Zimmer um, nicht einmal ein Bettchen hätte sie für es gehabt. Außerdem war es besser, wenn dieses Kind nie erfuhr, wer seine Eltern waren. Der Vater — ein kleiner Betrüger! Sie war inzwischen davon überzeugt, daß er nicht nur ihr das Geld aus der Tasche gezogen hatte. Und die Mutter? Die hatte noch viel zu lernen! Dr. Lindau würde sicher bessere Eltern für ihr Kind finden. Sie erinnerte sich an seine gütigen Augen. Bei ihm war ihre Tochter gut aufgehoben.

      Es ging bereits auf den Abend zu, als Susanne nicht mehr anders konnte. Sie nahm den Telefonhörer ab und wählte die Nummer von der Klinik am See. »Den Chefarzt, bitte«, sagte sie mit tonloser Stimmer, als am anderen Ende der Leitung der Hörer abgenommen worden war. »Ich möchte mit Dr. Lindau persönlich sprechen.«

      Der ehemalige Kastellan des Schlosses und jetzige Pförtner, der diesen Anruf entgegennahm, stutzte. »Ich weiß nicht, ob der Chef noch im Haus ist. Ich werde es jedoch versuchen. Wen kann ich melden?«

      »Bitte, das spielt doch keine Rolle!« Susannes Stimme zitterte. »Für mich ist es wichtig!«

      »Warten Sie einen Augenblick, ich werde es versuchen«, sagte der Pförtner. Die fremde Stimme, die da durch den Draht zu ihm gedrungen war, hatte ihn eigenartig berührt. Er wählte die Station und war wenig später mit der Oberschwester verbunden.

      »Ich habe hier eine Frau in der Leitung, die den Chefarzt sprechen will. Es scheint dringend zu sein.«

      »Es ist schon spät, der Chef ist gerade dabei zu gehen. Vielleicht kann ich der Frau helfen.« Den Hörer am Ohr drehte die Oberschwester sich um.

      »Das glaube ich nicht. Es hörte sich so an, als wollte sie nur den Chef sprechen.«

      Erna Lackner wollte schon ablehnen. Der Chef hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und sich bereits verabschiedet. Wozu sollte man ihn jetzt noch belästigen? Doch da sah sie ihn, wie er in Begleitung von Dr. Westphal