Название | Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman |
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Автор произведения | Britta Winckler |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Klinik am See Staffel |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740939724 |
»Nun hören Sie doch schon auf! Wir haben nur unseren Beruf ausgeübt.« Astrid war herangekommen. In ihrem Gesicht konnte der Chefarzt noch Spuren der durchwachten Nächte entdecken, aber ihre Augen strahlten glücklich.
»Patrick lebt, weil er in Ihre Klinik gebracht worden ist.« Ingo sagte es voller Überzeugung. »Ich habe inzwischen mit einigen anderen Ärzten gesprochen — Wundstarrkrampf ist in den meisten Fällen tödlich.«
Astrids Gesicht wurde ernst. »Wir haben Ihnen dies nicht verschwiegen, Herr Frehner.«
»Aber Sie haben das Unmögliche möglich gemacht! Ich möchte mich irgendwie erkenntlich zeigen. Ich möchte Sie, Ihren Mann, die ganze Mannschaft der Kinderstation einladen. Wir feiern ein riesiges Fest.«
»Gern!« Astrid lächelte wieder, dagegen hatte sie nichts einzuwenden. »In drei Wochen wird Patrick mitfeiern können.«
Astrid fing den fragenden Blick ihres Vaters auf. Sie nickte. »Jetzt geht es sicher sehr schnell aufwärts. Patricks kleiner Körper hat zwar die letzten Reserven aufgebraucht – wie du weißt, wurde er vollständig intravenös ernährt — aber die Muskelkrämpfe sind vorbei, das Fieber ist gesunken. Er schläft sich nun gesund und dann wird er essen wie ein Wolf.«
»In drei Wochen also wird gefeiert. Ich lasse mir etwas Besonderes einfallen«, versprach Ingo. Plötzlich wurde sein Gesicht ernst. »Ich möchte auf alle Fälle die junge Frau einladen, die ebenfalls vom jungen Seger in die Klinik gebracht wurde. Sie hat Patricks Zustand zuerst bemerkt.« Er sah den Chefarzt an. »Ich habe inzwischen noch einmal mit Andy gesprochen. Diese Frau — durch sie wurde Andy aufmerksam. Sonst hätte man Patricks Zustand noch später bemerkt.« Er preßte die Lippen aufeinander. Ihm war jetzt klar, daß Andy Seger bis über beide Ohren in Angela verliebt war, und trotzdem hatte er gehandelt.
Minutenlang herrschte zwischen den drei Menschen Schweigen. Astrid sowie ihr Vater waren sich darüber im klaren, daß der kleine Patrick nicht richtig betreut worden war.
»Wie ich von Andy erfuhr, war die junge Frau hochschwanger. Bei dieser Frau möchte ich mich erkenntlich zeigen. Bei ihr möchte ich mich bedanken.«
»Das ist im Moment nicht möglich«, sagte Dr. Lindau.
Der Hotelier verstand dies falsch. »Es muß natürlich nicht in diesem Augenblick sein. Wie ich hörte, hat man auch um ihr Leben kämpfen müssen.«
»Das ist richtig!« Dr. Lindau überlegte. »Diese junge Mutter könnte wirklich Hilfe brauchen. Sie scheint große Probleme zu haben. Leider weiß ich nicht, wo diese liegen. Haben Sie noch etwas Zeit? Dann lade ich Sie diesmal zum Essen ein.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, wehrte Ingo sich. »Sie und Ihre Tochter, Sie sind selbstverständlich meine Gäste.«
»Nicht so voreilig! Ich habe da nämlich eine Idee. Vielleicht könnten Sie wirklich helfen. Ich werde Ihnen von dieser jungen Mutter erzählen. Sie hat mir heute telefonisch ihr Kind anvertraut.«
»Sie hat angerufen?« fragte Astrid erstaunt. »Kennst du jetzt ihren Namen?«
»Leider nein, aber laßt uns in die Kantine gehen. Ich habe Feierabend, und bei einem Glas Bier erzählt es sich leichter.« Jetzt hatte Dr. Lindau wieder die verzweifelte Stimme im Ohr. Er konnte nur hoffen, daß die Frau sich noch einmal melden würde und daß man ihr dann helfen konnte.
*
Angela Wunter langweilte sich. Sie hatte sich ihren Aufenthalt auf diesem Hof wirklich anders vorgestellt. Andy bekam sie tagsüber kaum zu Gesicht. Sein Vater machte ihr das Leben auch nicht gerade leicht. Deutlich gab er ihr zu verstehen, daß sie auf seinem Hof nicht willkommen war. Wo Andy nur blieb? Ärgerlich verließ sie ihr Zimmer, um sich auf die Suche nach dem Bauernsohn zu machen.
Sie trat gerade aus der Haustür, als er mit seinem Auto vorgefahren kam. »Du bist weg gewesen und ich sitze hier und warte auf dich. Wir wollten doch nach Bad Tölz fahren.«
»Entschuldige!« Andy war unsicher. Er sah an ihr vorbei. »Jetzt bin ich hier. Wir können gleich fahren.«
»Wo bist du gewesen?« fuhr Angela ihn an. »Über eine Stunde warte ich schon.«
»Tut mir leid! Ich habe mich beeilt.«
Angela gab sich mit dieser Entschuldigung nicht zufrieden. »Ich dachte, du mußt arbeiten?«
»Das hätte ich auch sollen.« Andy hielt den Kopf noch immer gesenkt. »Papa wird sauer sein.«
»Warum hast du es dann nicht getan?« fragte Angela schnippisch.
Andy machte eine abwehrende Bewegung, er sah in diesem Moment nicht besonders glücklich aus. »Papa hat sowieso ständig etwas an mir auszusetzen.«
»Er mag mich nicht! Gib es nur zu!« Schmollend schob Angela ihre Unterlippe nach vorn. »Er ist nicht gerade nett zu mir. Ich habe bereits überlegt abzureisen.« Unter halbgesenkten Lidern sah sie ihn jetzt verführerisch an. Sie wartete und sie wurde enttäuscht. Andy bat sie nicht zu bleiben. Sein Kopf sank noch tiefer. Wie ein kleiner Junge begann er mit der Schuhspitze im Sand zu scharren.
»Ich weiß! Ich habe mich deswegen heftig mit meinem Vater gestritten. Papa meint, daß es besser ist, wenn du abreist.«
»Und du? Du hast mich eingeladen! Hast du vergessen, daß ich abreisen wollte?«
»Nein! Ich habe Papa auch gesagt, daß ich dich überredet habe, in Auefelden zu bleiben.« Andy war nun sehr verlegen und hochrot im Gesicht.
»Ist das alles? Du bist ein Feigling, Andy! Aber ich habe begriffen, daß ich hier unerwünscht bin. Ich werde abreisen.« Sie drehte sich um.
»Nein, nein… So war es nicht gemeint.« Andy machte drei große Schritte, dann packte er sie am Arm. »Ich weiß nur wirklich nicht…« Er zögerte kurz, dann platzte er heraus: »Papa hat mit Herrn Frehner gesprochen.«
»Aha! Mir scheint offensichtlich niemand mehr zu glauben!« Heftig entzog Angela ihm den Arm.
»Du mußt Herrn Frehner auch verstehen, er war völlig verzweifelt. Zuerst hat er seine Frau verloren, und dann sah es so aus, als würde er auch Patrick verlieren.« Andy wurde eifriger. »Jetzt wird aber alles wieder gut. Herr Frehner weiß doch, wie lebhaft sein Sohn ist. Er kann dir nicht weiterhin die Schuld geben. Jetzt kann man sicher auch wieder vernünftig mit ihm sprechen.«
»Wie meinst du das?«
»Patrick wird wieder ganz gesund. Ich komme gerade aus der Klinik. Ich durfte Patrick besuchen, nur für ein paar Minuten, aber er hat mich erkannt und angelächelt.«
»Du bist in der Klinik gewesen? Und ich warte hier auf dich!« Angela dachte stets nur an sich, und so gewann der Ärger wieder die Oberhand.
Verwirrt sah Andy sie an. Ja, hatte sie denn nicht begriffen? Patrick würde nicht sterben! »Ich mußte einfach in die Klinik. Ich mußte wissen, wie es Patrick geht. Hast du dir denn keine Sorgen gemacht?«
»Natürlich! Ich wäre auch bei Patrick geblieben. Du weißt doch, daß Herr Frehner mir nahegelegt hat zu gehen.«
»Ich mußte jedenfalls hin!« beteuerte Andy erneut. »Ich werde dafür morgen länger arbeiten. Weißt du… wir sind natürlich nicht schuld, und trotzdem… Natürlich hätten wir nichts verhindern können, aber ich war froh, daß der Kleine weggelaufen war. Ich wollte mit dir allein sein.« Er sah sie bei diesen Worten nicht an.
»Andy, dagegen muß ich mich verwahren!« Angela streckte sich. »Ich habe meine Aufsichtspflicht nicht vernachlässigt. Ich habe Patrick nicht aus den Augen gelassen.« Er hob den Blick und sah sie an, da schränkte sie ein: »Wenn, dann wirklich nur für ein paar Minuten. Aber das hätte nichts geändert. Patrick war bereits infiziert.«
»Ich weiß!« Andys Arme sanken hinab, dann fuhr er sich mit beiden Händen durch das Haar und lächelte unsicher. »Wir brauchen uns auch keine Gedanken mehr zu machen. Patrick wird wieder völlig gesund. Du magst Patrick doch?«
»Natürlich!