Das Passagen-Werk. Walter Benjamin

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Название Das Passagen-Werk
Автор произведения Walter Benjamin
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788026829706



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Über zwei Millionen Meter Barège, über fünf Millionen Meter Grénadine und Popeline und über drei Millionen Meter sonstiger Stoffe, im Ganzen gegen elf Millionen Meter Manufacturwaaren. ›Die sämmtlichen französischen Eisenbahnern‹, bemerkte nun der ›Tintamarre‹, nachdem er die ›Chaussée d’Antin‹ als das ›erste Haus der Welt‹ und auch als das ›solideste,‹ seinen Leserinnen empfohlen, ›machen zusammengenommen noch keine zehntausend Kilometer aus, also nur zehn Millionen Meter. Dies eine Magazin könnte daher mit seinen Stoffen alle Schienenwege Frankreichs wie mit einem Zelt überspannen, ‚was namentlich im Sommer bei der Hitze sehr angenehm wäre.‘‹ Drei oder vier ähnliche Etablissements publiciren ähnliche Längenmaße, so daß man mit den Stoffen, Alles zusammengenommen, nicht allein Paris … sondern das ganze Seine-Departement unter ein großes Wetterdach setzen könnte, ›was wieder beim Regen sehr angenehm wäre.‹ Wie aber (diese Frage drängt sich Einem unwillkürlich auf) machen die Magazine es möglich, diese ungeheuern Waarenmassen unterzubringen und aufzuspeichern? Die Antwort ist sehr einfach und sehr logisch obenein: ein Etablissement ist nämlich immer größer als das andere.

      Man höre: ‚La Ville de Paris, le plus grand magasin de la capitale‘, – ‚Les Villes de France, le plus grand magasin de l’Empire‘, – ‚La ›Chaussée d’Antin‹, le plus grand magasin de l’Europe‘, – ‚Le coin de Rue, le plus grand magasin du monde‘. – ‚Du monde‘, also auf der ganzen Erde kein größeres; das sollte doch wohl die Grenze sein. O nein; ‚Les magasins du Louvre‘ fehlen noch, und diese führen den Titel ‚les plus grands magasins de l’Univers‘. Des Weltalls! den Sirius wahrscheinlich mit gerechnet, vielleicht gar die ›schwindenden Doppelsterne‹, von denen Alexander von Humboldt in seinem ›Kosmos‹ spricht.«

      Hier ist der Zusammenhang der werdenden kapitalistischen Handelsreklame mit Grandville mit Händen zu greifen.

      Lebende Bilder aus dem modernen Paris 4 Bde Köln 1863/66 II p 292-294 [G 2, 1]

      »Wohlan denn, Fürsten und Staaten berathet Euch, Reichthümer, Mittel und Kräfte zu vereinigen, um mit vereinter Kraft Vulkane die längst verloschen, [deren, jedoch mit Schnee gefüllten, Cratern noch Ströme entzündlichen Wasserstoffgases entsprühen] nach Art der Gasbeleuchtung zu entzünden hohe cylinderische Thürme müßten Europa’s heiße Quellen in hohe Lüfte leiten, von wo [indem sie als Lufterwärmer dienten] cascadenförmig sie sich herabstürzten und deren baldige Vermischung mit abkühlenden Gewässern sorgsamlichst verhindert werden. – Künstliche, im Halbkreise geordnete, die Sonnenstrahlen reflektirende Hohlspiegel, auf Höhen aufgestellt, würden Erstere für die Lufterwärmung günstigst multipliciren.« F. v. Brandenburg: Victoria! Eine neue Welt! / Freudevoller Ausruf in Bezug darauf, daß auf unserm Planeten, besonders auf der von uns bewohnten nördlichen Halbkugel eine totale Temperatur-Veränderung hinsichtlich der Vermehrung der atmosphärischen Wärme eingetreten ist. Zweite vermehrte Auflage Berlin 1835 〈p 4/5〉 □ Gas □

      Diese Phantasie eines Geisteskranken ergibt, unter dem Einfluß der neuen Erfindung, eine Gaslicht-Reklame im komisch-kosmischen Stile Grandvilles. Überhaupt ist der enge Anschluß der Reklame ans Kosmische zu analysieren. [G 2, 2]

      Ausstellungen. »Alle Zonen, ja, oft rückblickend, alle Zeiten. Von Landwirtschaft, Bergbau, von der Industrie, von den Maschinen, die man in Tätigkeit zeigte, bis zu den Rohmaterialien, bis zu verarbeiteten Stoffen, bis zu Kunst und Kunstgewerbe. Es liegt darin ein merkwürdiges Bedürfnis nach verfrühter Synthese, die dem 19. Jahrhundert auch auf anderen Gebieten eigen ist – Gesamtkunstwerk. Es wollte, neben zweifellos utilitären Gründen, die Vision des in neuer Bewegung befindlichen menschlichen Kosmos erstehen lassen.« Sigfried Giedion: Bauen in Frankreich 〈Leipzig, Berlin 1928〉 p 37 Es spricht sich in diesen »verfrühten Synthesen« aber auch der Versuch aus, den Raum des Daseins und der Entwicklung immer wieder zu schließen. Die »Klassenlüftung« zu hindern. [G 2, 3]

      Zu der nach statistischen Prinzipien angeordneten Ausstellung von 1867⁠〈:〉 »Faire la tour de ce palais, circulaire comme l’équateur, c’est littéralement tourner autour du monde, tous les peuples sont venus: ennemis vivent en paix coté à coté. Ainsi qu’à l’origine des choses sur l’orbe des eaux, l’Esprit divin plane sur cette orbe de fer.« L’exposition universelle de 1867 illustrée, Publication internationale autorisée par la commission impériale. Tome 2, pag. 322. (Giedion p 41) [G 2, 4]

      Zur Ausstellung von 1867. Über Offenbach. »Pendant dix ans, cette verve de l’auteur comique et cette inspiration enivrée du musicien rivalisèrent entre elles de fantaisie et de trouvailles, pour atteindre en 1867, pendant la durée de l’Exposition, leur summum d’hilarité, la dernière expression de leur folie. Le succès, déjà si grand, de ce théâtre, devint alors du délire, une chose dont nos pauvres petites victoires d’aujourd’hui ne peuvent pas donner une idée. Paris, cet été-là, eut une insolation.« Aus dem discours académique de Henri Lavedan 31 décembre 1899 Succession de Meilhac. [G 2 a, 1]

      Die Reklame emanzipiert sich im Jugendstil. Die Jugendstilplakate »sind groß, immer figürlich, farbig raffiniert aber nicht laut; sie zeigen Bälle, Nachtlokale, Kinoaufführungen, sind geschaffen für ein Leben, wo es überschäumte, und dem die sinnlichen Kurven des Jugendstils unvergleichlich dienten«. Frankfurter Zeitung gez. F. L. Über eine Plakatausstellung in Mannheim 1927 □ Traumbewußtsein □ [G 2 a, 2]

      Die erste londoner Ausstellung vereinigt die Industrien der Welt. Im Anschluß daran Gründung des South-Kensington-Museums. Zweite Ausstellung 1862 ebenfalls in London. Mit der münchner Ausstellung von 1875 wird die deutsche Renaissance Mode. [G 2 a, 3]

      Wiertz anläßlich einer Exposition universelle: »Ce qui frappe d’abord, ce n’est point ce que les hommes font aujourd’hui, mais ce qu’ils feront plus tard. / Le génie humain commence à se familiariser avec la puissance de la matière.« A. J. Wiertz: Œuvres littéraires Paris 1870 p 374 [G 2 a, 4]

      Talmeyr nennt die Affiche »l’art de Gomorrhe«⁠〈.〉 La cité du sang Paris 1901 p 286 □ Jugendstil □ [G 2 a, 5]

      Die Ausstellungen der Industrie als geheimes Konstruktionsschema der Museen – die Kunst: in die Vergangenheit projizierte Industrieerzeugnisse. [G 2 a, 6]

      Joseph Nash hat für den König von England eine Serie von Aquarellen gemalt, die den Kristallpalast darstellen, in dem – als eigens dafür errichteten Bauwerk die Londoner Industrieausstellung von 1851 stattfand. Die erste Weltausstellung und der erste Monumentalbau aus Glas und Eisen! Mit Verwunderung sieht man auf diesen Aquarellen, wie man den kolossalen Innenraum auf märchenhaft-orientalische Weise auszustatten bemüht war und neben den Warenlagern, die die Arkaden erfüllten⁠〈,〉 〈wie〉 bronzene Monumentalgruppen, Marmorstatuen und Springbrunnen sich durch die riesigen Hallen zogen. □ Eisen □ Interieur □ [G 2 a, 7]

      Der Entwurf zum Kristallpalast stammt von Joseph Paxton, dem Obergärtner des Herzogs von Davonshire, dem er in Chattworth ein conservatory (Treibhaus) von Glas und Eisen gebaut hatte. Sein Entwurf empfahl sich durch Feuersicherheit, Helligkeit, geschwinde Ausführungsmöglichkeit und Billigkeit und siegte über den des Komitees. Ein Preisausschreiben war ergebnislos verlaufen. [G 2 a, 8]

      »Oui, vive la bière de Vienne! Est-elle originaire de la patrie qu’elle se donne? En vérité, je n’en sais rien. Mais ce que je ne peux ignorer, c’est que l’établissement est élégant, confortable; ce n’est pas de la bière de Strasbourg … de Bavière … C’est la bière divine … claire comme la pensée d’un poète, légère comme une hirondelle, ferme et chargée d’alcool comme la plume d’un philosophe allemand. Elle se digère comme l’eau pure, elle rafraichit comme l’ambrosie.« Annonce für Fanta Bière de Vienne A côté du Nouvel Opéra Rue Halévy 4 Etrennes 1866 Almanach indicateur parisien Paris 1866 p 13 [G 2 a, 9]

      »Encore un nouveau mot, ›la réclame‹; – fera-t-il fortune?« Nadar: Quand j’étais photographe Paris 〈1900〉 p 309 [G 2 a, 10]

      Zwischen Februar-Revolution und Juni-Insurrektion: »Alle Mauern waren mit revolutionären Affichen bedeckt, welche Alfred Delvau einige Jahre später unter dem Titel ›Muraillées révolutionaires‹