Das Passagen-Werk. Walter Benjamin

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Название Das Passagen-Werk
Автор произведения Walter Benjamin
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788026829706



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aus welcher der Ausstellungsgedanke hervorging, entsprach die Ausführung. In acht Monaten war alles vollendet. ›Ein Wunder, das nun Geschichte ist.‹ Sehr merkwürdigerweise steht im Kern der Bewegung der Grundsatz, daß nicht der Staat, sondern lediglich die freie Thätigkeit der Bürger ein derartiges Werk hervorbringen müsse … Damals erboten sich zwei Privatleute, die Gebrüder Munday, sofort auf ihre eigene Gefahr einen Palast für eine Million Mark zu bauen. Man entschloß sich aber zu noch größerem Maßstabe und der dafür nöthige Garantiefond von vielen Millionen war in allerkürzester Zeit gezeichnet. Und für den großen neuen Gedanken fand sich die große neue Gestalt. Der Ingenieur Paxton erbaute den Kristallpalast. Wie etwas märchenhaft Unerhörtes klang die Kunde in alle Lande, daß man aus Glas und Eisen einen Palast bauen wolle, der achtzehn Morgen Landes bedecke. Paxton hatte nicht lange vorher eines der Treibhäuser in Kew, in welchem die Palmen übermächtig emporschossen, mit einem gewölbten Dache aus Glas und Eisen überdeckt und das gab ihm den Muth, an die neue Aufgabe heranzutreten. Als Stätte für die Ausstellung wählte man den stattlichsten Park von London, den Hyde-Park, der in der Mitte eine weit ausgedehnte, freie Wiese bot, die nur in ihrer kurzen Achse von einer Allee herrlicher Ulmen durchzogen war. Aus dem Kreise der Ängstlichen erscholl der Schreckruf, daß man einem Phantasiegespinnst zu Liebe diese Bäume nicht opfern dürfe. So werde ich die Bäume überwölben, war die Antwort Paxtons, und er entwarf das Querschiff, das in einer Wölbung von 112 Fuß Höhe … die ganze Baumreihe in sich aufnahm. Es ist im allerhöchsten Grade merkwürdig und bedeutungsvoll, daß diese Weltausstellung von London, welche erwachsen war aus den modernen Vorstellungen der Dampfkraft, der Elektrizität und der Photographie, erwachsen aus den modernen Vorstellungen des Freihandels, daß diese zugleich für den Umschwung der Kunstformen den großen entscheidenden Schlag innerhalb dieser ganzen Periode geführt hat. Einen Palast zu bauen aus Glas und Eisen, das war damals der Welt wie eine Art phantastischer Eingebung für einen Gelegenheitsbau erschienen. Wir erkennen jetzt, daß es der erste große Vorstoß ist auf dem Gebiete einer völlig neuen Formengebung … Der konstruktive Stil gegenüber dem historischen ist das Stichwort der modernen Bewegung geworden. Blicken wir zurück, wann dieser Gedanke zum ersten Male siegreich in die Welt hineinstrahlte: Es ist im Kristallpalast zu London im Jahre 1851. Man wollte es zuerst nicht glauben, daß es möglich sei, mit Glas und Eisen einen Palast kolossaler Abmessungen zu erbauen. In den Veröffentlichungen jener Tage finden wir als Merkwürdigstes die Verbindung der Eisenglieder, die uns jetzt etwas Alltägliches geworden sind, dargestellt. England durfte sich rühmen, in den vorhandenen Fabriken ohne Anspannung weiterer Kräfte dieser ganz neuen und unerhörten Aufgabe in der Zeit von acht Monaten gerecht zu werden. Triumphirend rief man aus, wie … noch im XVI. Jahrhundert ein kleines verglastes Fenster ein Luxusgegenstand gewesen sei, und wie man nun ein Gebäude, das 18 Morgen bedeckt, ganz aus Glas herzustellen vermöge. Ein Mann wie Lothar Bücher war sich klar, was diese neue Konstruktion bedeutet. Von ihm rührt das Wort: dieses Gebäude sei der ungeschmückte, von allem Schein befreite, architektonische Ausdruck der Tragkräfte in schlanken Eisengliedern. Über diese Bezeichnung, die … das Programm der Zukunft enthielt, weit hinaus ging der phantastische Reiz, den dieser Bau auf alle Gemüther ausübte. Die Erhaltung der prächtigen Baumreihen für das mittlere Transept gab hierbei das Schwergewicht. In diesen Raum hinein schob man alles Herrliche, was man in den reichen Gewächshäusern Englands an Pflanzenwerk auftreiben konnte. Die leichtgefiederten Palmen des Südens mischten sich in die Laubkronen der fünfhundertjährigen Ulmen und in diesen Zauberwald waren die Hauptwerke der bildenden Kunst, statuarische Werke, große Bronzen und Trophäen anderer Kunstwerke eingeordnet. In der Mitte desselben eine mächtige Fontäne aus Glaskristallen gebildet. Nach rechts und links gingen die Gallerien ab, in denen man von einem Volk zum andern wandelte und so erschien das Ganze als ein Wunderwerk, das die Phantasie noch mehr als den Verstand in Bewegung setzte. ›Es ist nüchterne Ökonomie der Sprache, wenn ich den Anblick des Raumes unvergleichlich feenhaft nenne. Es ist ein Stück Sommernachtstraum in der Mitternachtssonne.‹ (L. B.) Diese Empfindungen zitterten nach durch die ganze Welt. Ich selbst erinnere mich aus meinen Kinderjahren, wie die Kunde vom Kristallpalast zu uns nach Deutschland herüberdrang, wie die Bilder angeheftet waren an den Wänden bürgerlicher Zimmer in entlegenen Provinzialstädten. Was uns aus alten Märchen vorschwebte von der Prinzessin im gläsernen Sarg, von den Königinnen und Elfen, die in krystallenen Häusern wohnten, das alles schien uns verkörpert … und diese Empfindungen haben Jahrzehnte lang weiter bestanden. Von dem Palast nahm man den großen Transept und einen Theil der Ansätze nach Sydenham hinüber, wo das Gebäude heute noch steht, dort sah ich es im Jahre 1862 mit einem Schauer der Ehrfurcht und in reinstem Entzücken. Es hat vier Jahrzehnte, vieler Brände und Verunglimpfungen bedurft, um diesen Zauber zu zerstören, aber völlig ist er heute noch nicht geschwunden.« Julius Lessing: Das halbe Jahrhundert der Weltausstellungen Berlin 1900 p 6-10 [G 6; G 6 a, 1]

      Die Organisation der Newyorker Ausstellung von 1853 fiel Phileas Barnum zu. [G 6 a, 2]

      »Le Play comptait qu’il fallait autant d’années pour préparer une exposition qu’elle devait durer de mois … Il y a évidemment ici une disproportion choquante entre le temps d’élaboration et la durée de l’entreprise.« Maurice Pécard: Les expositions internationales au point de vue économique et social particulièrement en France Paris 1901 p 23 [G 6 a, 3]

      Eine Buchhändleraffiche erscheint in den »Murailles révolutionnaires de 1848« mit folgender erklärenden Bemerkung versehen: »Nous donnons cette affiche, comme nous en donnerons plus tard d’autres qui ne se rattachent ni aux élections ni aux événements politiques de cette époque: nous la donnons parce qu’elle dit pourquoi et comment certains industriels profitent de certaines occasions.« Aus der Affiche: »Lisez cet avis important contre les Filous. Monsieur Alexandre Pierre, voulant éviter les abus qui se font journellement par l’ignorance que l’on a de l’Argot et du Jargon des filous et hommes dangereux, s’est appliqué, pendant le triste séjour qu’il a été forcé de passer avec eux, comme victime du Gouvernement déchu; mis en liberté par notre noble République, il vient de faire paraître le fruit des tristes études qu’il a pu faire dans ses prisons. Il n’a pas craint de descendre dans les cours de ces horribles lieux, et même la Fosse aux Lions, afin … d’éviter, en dévoilant les principaux mots de leurs conversations, tous les malheurs et les abus qui peuvent advenir de les ignorer, et qui pourtant jusqu’à ce jour, n’avaient été intelligibles qu’entre eux … Se vend: Sur la voie publique et chez l’Auteur.« Les Murailles révolutionnaires de 1848 Paris 〈1852) I p 320 [G 7, 1]

      Wenn die Ware ein Fetisch war, so war Grandville dessen Zauberpriester. [G 7, 2]

      Second Empire⁠〈:〉 »Les candidats du gouvernement … purent imprimer leurs proclamations sur papier de couleur blanche, couleur exclusivement réservée aux publications officielles.« A Malet P Grillet: XIXe siècle Paris 1919 p 271 [G 7, 3]

      Im Jugendstil ist zum ersten Male die Einbeziehung des menschlichen Leibe⁠〈s〉 in die Reklame verwirklicht. □ Jugendstil □ [G 7, 4]

      Arbeiterdelegationen bei der Weltausstellung von 1867. Eine Hauptrolle bei den Verhandlungen spielt die Forderung der Abschaffung von Artikel 1781 des code civil, welcher lautet: »Le maître est cru sur son affirmation pour la quotité des gages, pour le paiement du salaire de l’année échue et pour les à-comptes donnés pour l’année courante.« (p 140) – »Les délégations ouvrières aux Expositions de Londres et de Paris en 1862 et en 1867 ont guidé le mouvement social du second Empire, nous pouvons même dire de la seconde moitié du dix-neuvième siècle … Leurs rapports ont été comparés aux cahiers des Etats généraux; ils ont été le signal d’une évolution sociale comme ceux de 89 avaient déterminé une révolution politique et économique.« (p 207) [Der Vergleich stammt von Michel Chevalier.] Forderung des zehnstündigen Arbeitstages, (p 121) – »Quatre cent mille billets gratuits furent distribués aux ouvriers de Paris et des départements. Une caserne, plus de 30.000 logements furent mis à la disposition des ouvriers visiteurs.« 〈p 84〉 Henry Fougère: Les délégations ouvrières aux expositions universelles Montluçon 1905 [G 7, 5]

      Versammlungen der Arbeiterdelegationen von 1867 in der »école du passage Raoul« Fougère p 85 [G 7 a, 1]

      »L’Exposition était fermée depuis longtemps