Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740912307



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Zuerst zwar ein wenig stockend, dann aber flüssig erzählte sie von ihren Beschwerden. »Die Schmerzen im Unterleib kommen immer wieder«, klagte sie. »Dann habe ich auch Fieber dabei.«

      »Kommen die Schmerzen kolikartig?« fragte Frau Dr. Westphal.

      »Ja«, bestätigte die Patientin. Etwas verschämt fügte sie hinzu: »Dann ist da noch dieser merkwürdige Ausfluß.«

      »Na, dann wollen wir mal nachsehen«, meinte die Ärztin. »Machen Sie sich bitte frei.«

      Als erstes nahm sie eine kurze Tastuntersuchung vor. Die Patientin reagierte äußerst schmerzempfindlich bei einem leichten Druck im linken Eierstockbereich.

      »Sie sind verheiratet, Frau Ehlers?« wollte die Medizinerin wissen.

      »Nein… das heißt, gewissermaßen«, erwiderte die Patientin errötend. Mit leiser Stimme erklärte sie der Ärztin, daß sie mit einem Mann zusammenlebte.

      »Haben Sie Schmerzen, wenn Sie mit ihm zusammen sind?«

      Irmgard Ehlers nickte nur. Sie behielt für sich, daß Norbert ein äußerst vitaler Mann war, der in der Liebe sehr fordernd war und viel von ihr erwartete und auch verlangte. Eine Zeitlang hatte sie auch Freude daran gehabt und hatte seine oft wilden Zärtlichkeiten genossen. Doch das hatte sich seit einigen Wochen geändert – seit sie nämlich diese Schmerzen im Unterleib spürte. Daraus waren natürlich Komplikationen und Spannungen zwischen ihr und Norbert Wichner entstanden. Oft genug hatte sie sein wildes Begehren dämpfen müssen, weil ihr körperliches Befinden einfach mit seiner Leidenschaft nicht mithalten konnte. Mehr noch – nicht nur einmal hatte es sie wirklich Überwindung gekostet, seinen Wünschen nachzugeben. Dabei liebte sie ihn doch und wünschte sich nichts sehnlicher, als daß er sich endlich von seiner Frau scheiden ließ, damit sie seine legitim angetraute Frau werden konnte.

      Die Ärztin setzte die gynäkologische Untersuchung fort. Sie machte einen zytologischen Abstrich und kontrollierte dann noch die Temperatur der Patientin. »Sie können sich wieder ankleiden, Frau Ehlers«, sagte sie dann und machte sich einige Notizen.

      »Was ist nun los mit mir, Frau Doktor?« wollte die Kunstmalerin wissen. »Ist es schlimm?«

      »Schlimm ist es noch nicht, aber es kann schlimm werden, wenn wir nicht etwas unternehmen«, erklärte die Ärztin. »Alles deutet darauf hin, daß Sie an einer Salpingitis, zu deutsch – an einer Entzündung der Eierstöcke und der Eileiter, leiden. Ich würde vorschlagen, daß Sie ein paar Tage bei uns bleiben. Ich möchte noch eine Kolposkopie bei Ihnen vornehmen, auch eine Blutuntersuchung.«

      »Was ist das – eine Kolposkopie?« fragte Irmgard Ehlers etwas ängstlich.

      Die Ärztin lächelte. »Davor brauchen Sie keine Angst zu haben«, erwiderte sie. »Das ist eine Lupenuntersuchung zum Feststellen von Krebsanzeichen.«

      Die junge Frau erschrak. »Glauben Sie…, daß…, daß… ich…?«

      »Nicht doch, Frau Ehlers.« Frau Dr. Westphal wurde ernst. »Es gibt keine Hinweise darauf«, erklärte sie. »Aber ich möchte sicher sein. Das ist doch in Ihrem eigenen Interesse. Oder?«

      »Ja, natürlich«, flüsterte die Patientin.

      »Gut, dann sind wir uns einig«, meinte die Frauenärztin. »Wollen Sie erst nochmals nach Hause oder bleiben Sie gleich hier?« fragte sie.

      »Wie lange muß ich in der Klinik bleiben, Frau Doktor?«

      »Nur einige Tage…«

      Irmgard Ehlers überlegte. Norbert kam erst in drei Tagen von seiner Tour als Fernlastfahrer aus dem Süden zurück. Sie hatte ihm vorgestern, als er abgefahren war, von ihrem Vorhaben, zum Arzt zu gehen, nichts gesagt. Er brauchte es auch nicht unbedingt zu wissen. So gesehen, war es natürlich ganz gut, daß er nicht hier war. Doch bei seiner Rückkehr von der Tour wollte sie auf jeden Fall zu Hause sein. Das gab sie der Ärztin auch zu verstehen.

      »Wenn es sich wirklich nur um eine Entzündung handelt, dann können Sie in drei Tagen wieder nach Hause«, gab die zurück. »Die Behandlung der Entzündung mit Antibiotika erfordert nicht unbedingt einen längeren Aufenthalt in der Klinik. Aber wie ich schon sagte – einige Untersuchungen möchte ich schon noch vornehmen.«

      »Dann fahre ich jetzt rasch nach Hause, Frau Doktor«, entschied sich Irmgard Ehlers. »In einer Stunde bin ich wieder hier.«

      »In Ordnung«, sagte die Ärztin. »Melden Sie sich dann bei Schwester Marianne, das ist die Stationsschwester. Ich gebe ihr gleich Bescheid.« Verabschiedend reichte sie der jungen Frau die Hand. »Bis später also…«

      Ein wenig bedrückt verließ Irmgard Ehlers wenig später die Klinik am See. Sie mußte an die Andeutung der Ärztin hinsichtlich der eventuellen Krebsgefahr denken. Das beunruhigte sie.

      *

      Dr. Lindau blickte erstaunt auf, als er den Zuruf des Anästhesisten vernahm. »Was ist?« klang es dumpf unter seinem Mundschutz hervor.

      »Puls flattert«, kam die Antwort von Dr. Reichel, der am Kopfende des OP-Tisches die Monitoren für Kreislauf- und Herztätigkeit kontrollierte.

      »Wir sind gleich soweit«, rief Dr. Hoff, der zusammen mit dem Chefarzt die Kaiserschnittgeburt durchführte.

      »Geben Sie ein Stärkungsmittel – rasch!« befahl Dr. Lindau dem Narkosearzt. »Wir brauchen noch fünf bis sechs Minuten.«

      Dr. Reichel reagierte sofort, während sich Dr. Lindau wieder über den geöffneten Unterleib der Patientin beugte.

      In diesem Augenblick betrat eine Schwester den OP und flüsterte der neben dem Chefarzt stehenden OP-Schwester Sylvia etwas ins Ohr und entfernte sich wieder.

      Dr. Lindau warf einen kurzen fragenden Blick auf Schwester Sylvia. »Ist etwas?« fragte er.

      »Sie werden am Telefon verlangt, Herr Chefarzt«, gab Schwester Sylvia leise zurück. »Aus Indien, wie ich eben hörte.«

      »Waaas?« Dr. Lindau fuhr in die Höhe. Bruchteile von Sekunden stand er wie erstarrt und war unfähig, einen Finger zu rühren. Indien… Astrid… hämmerte es hinter seiner Stirn.

      »Herr Chefarzt!« rief Dr. Hoff mahnend. »Schnell, klemmen Sie ab!«

      Dr. Lindau zuckte zusammen. Verdammt, durchfuhr es ihn, gerade jetzt in den letzten entscheidenden Minuten muß Astrid anrufen. Es kostete ihn eine enorme Anstrengung, die Gedanken an seine Tochter und an den von ihm schon lange erhofften Anruf von Astrid beiseite zu schieben und sich auf den Eingriff zu konzentrieren. »Entschuldigen Sie«, murmelte er und unterstützte den Gynäkologen und Chirurgen Dr. Hoff bei den letzten Handgriffen. Sekunden später war es geschafft.

      Dr. Lindau riß sich den Mundschutz herunter. »Werden Sie allein fertig?« fragte er hastig an Dr. Hoff gewandt. »Ich werde aus Indien angerufen…«

      »Von Ihrer Tochter sicher«, entgegnete Dr. Hoff. »In Ordnung, Herr Chefarzt – gehen Sie schon! Ich schaffe das hier allein. Das Baby untersuche ich sofort, nachdem ich vernäht habe.«

      »Danke, Herr Kollege.« Dr. Lindau verschwand eiligst aus dem OP. Hastig entledigte er sich der OP-Kleidung und machte, daß er hinunter in sein Büro kam.

      »Aus Indien, Herr Doktor«, empfing Marga Stäuber ganz aufgeregt ihren Chef. Sie hatte den Hörer noch am Ohr. »Hallo… hallo«, rief sie in die Sprechmuschel.

      Dr. Lindau riß ihr den Hörer aus der Hand und preßte ihn an sein Ohr. »Hallo… hier ist Dr. Lindau… Astrid, bist du es?«

      In der Leitung war ein Brausen zu hören. Dann kam eine Stimme. Einige unverständliche und kaum hörbare Worte klangen an Dr. Lindaus Ohr.

      »Hallo, hallo«, rief er wieder.

      Doch plötzlich knatterte es in der Leitung, es knackte und dann war Stille. Die Leitung war tot. Nur ein leises Rauschen war zu hören.

      »Verdammt, was ist da nur los?« entfuhr es Dr. Lindau unwillig. Er schüttelte den Hörer.