Austausch - Programm. Jürgen Ruhr

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Название Austausch - Programm
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750224544



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Herr Maangj.“ Mehr fiel mir dazu nicht ein.

      „Nennen sie mich Kyle“, lächelte er. Inzwischen strömten wieder Menschen an uns vorbei, die wohl gerade ihrem Flugzeug entstiegen waren. Die landeten hier ja im Minutentakt.

      „Kyle, ja. Ich heiße Jonathan.“

      „Ich weiß. Ein schöner Vorname. Wussten sie, dass es einen Film mit dem Titel ‚Die Möwe Jonathan‘ gibt? Oder wie es im Original heißt: Jonathan Livingston Seagull.“

      Ich stöhnte. Dies war das allerletzte Thema über das ich sprechen wollte. Warum musste ausgerechnet ein schwarzer Neger aus Kapstadt, Südafrika, am Flughafen Düsseldorf in der Ankunftshalle darauf herumkauen? „Gehen wir zu...“ Zum Wagen, wollte ich sagen, doch Maangj unterbrach mich, indem er tief einatmete und mit lauter Tenorstimme sang:

      „Skybird - Make your sail - And every heart will know - Of the tale. Songbird - Make you tune - For none may sing it - Just as you do. Look at the way I glide - Caught on the win...“

      „Wunderbar“, unterbrach ich seine Gesangsdarbietung. Um uns herum hatte sie eine kleine Menschentraube gebildet und einige Leute applaudierten. Die ganze Sache war oberpeinlich. Da stand Jonathan Lärpers, der Personenschützer und Privatdetektiv mit einem Neger, der - zugegebenermaßen mit guter Gesangsstimme - irgend so ein dämliches Lied zum Besten gab.

      „Aber wir sollten jetzt endlich zum Wagen gehen. Es liegt ja auch noch die Fahrt nach Mönchengladbach vor uns.“

      Der Schwarze nahm seinen Rollkoffer und unter dem Applaus der gaffenden Menschen strebten wir dem Ausgang zu.

      „Ich liebe den Film“, ritt Kyle Maangj weiter auf dem Thema herum. „Das war übrigens das Stück ‚Sky Bird‘ aus dem Film. Wissen sie, wer das gesungen hat, beziehungsweise die Musik schrieb?“

      Ich schüttelte den Kopf. In mir keimte Panik auf, wenn ich daran dachte, die nächsten drei Wochen mit diesem singenden Polizisten durch Mönchengladbach ziehen zu müssen. Gab es denn nicht irgendeine Möglichkeit, den Auftrag auf Birgit abzuwälzen? Ich könnte vielleicht krank werden oder ...“

      „Neil Diamond“, hörte ich ihn sagen. „Ich liebe seine Musik.“

      „Da sind wir ja schon zu zweit“, gab ich besseren Wissens von mir. Ich hatte keine Ahnung, bei wem es sich um diesen Neil Diamond handelte, nahm mir aber vor, im Internet einmal nach dem Namen zu suchen.

      „Das kann ich verstehen“, nickte der Neger. „Bei dem Vornamen sind sie ja auch dazu prädestiniert. Vielleicht können wir uns den Film einmal gemeinsam anschauen.“

      Ich stellte mir vor, wie es wäre, mit ihm nach Feierabend bei mir in der Wohnung auf dem Sofa zu sitzen, Chips zu knabbern und ‚Die Möwe Jonathan‘ ansehen zu müssen. Eine Gänsehaut lief mir den Rücken herunter und ich war sicher, mich morgen bei Bernd krank zu melden. Zum Glück waren wir inzwischen bei dem Mercedes angekommen.

      „Einen schönen Wagen haben sie“, bemerkte er mit Kennerblick auf den Hundertsiebzehner.

      „Das ist nicht meiner, der gehört dem Unternehmen Heisters.“ Ich wollte Maangj jetzt nicht erklären, dass ich einen postgelben Kia Venga fuhr. Rasch verstaute ich seinen Koffer im Wagen und ließ ihn auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. „Ich bringe sie jetzt direkt zum Hotel“, erklärte ich. „Nach über fünfzehn Stunden Flug sind sie doch bestimmt froh, sich ausruhen zu können.“ Auch die Flugdauer war eine der Informationen, die Jennifer auf dem Blatt erfasst hatte.

      Maangj winkte ab: „Kein Problem. Ich habe im Flugzeug geschlafen und fühle mich topfit. Fahren sie mich, wohin immer sie wollen, Jonathan.“

      „Jon“, bemerkte ich. „Meine Freunde nennen mich Jon.“ Leider nannte mich niemand wirklich so und ständig musste ich mir dieses dämliche ‚Jonathan‘ anhören. Vielleicht hatte der Schwarze ein Einsehen.

      „Alles klar, Jonathan“, gab er von sich und ich wusste, dass auch er mich nicht ‚Jon‘ rufen würde.

      Während der Fahrt quetschte Maangj mich über Mönchengladbach, Bernd Heisters und die Arbeit der Polizei aus. Ganz nebenbei erzählte er mir von seinem Studium der Kriminologie in Hamburg, wo er auch seinen Master of Arts gemacht hatte und einst Internationale Kriminologie studierte. Direkt nach dem Studium war er dann ein paar Jahre in den Vereinigten Staaten gewesen, bevor es ihn nach Kapstadt zurück und zur dortigen Polizei gezogen hatte. Maangj erzählte mir stolz, dass er vor kurzem zum Major des South African Police Service befördert worden war. Für das Austauschprogramm hatte man ihn ausgewählt, da er sehr gut deutsch sprechen konnte.

      „Ja“, nickte ich. „Ich habe auch studiert. In Regensburg.“

      „Das ist doch wunderbar“, freute sich der Schwarze. „Auch Kriminologie? Aber zur Polizei sind sie nicht gegangen?“

      „Ich habe Philosophie studiert.“ Als er mich von der Seite ansah, fügte ich schnell hinzu: „Aber ich fühlte mich immer schon zu der Kriminologie hingezogen. Das ist meine Berufung.“ Er würde ihm aber jetzt nicht davon erzählen, dass mich mein Vater quasi in die Selbständigkeit als Privatdetektiv gezwungen und ich mit meinem kleinen Unternehmen eine furiose Bruchlandung hingelegt hatte. Nur Bernd war es damals zu verdanken gewesen, dass ich aus der ganzen Sache doch noch heil herauskam.

      Schließlich hielt ich vor dem Hotel in der Nähe des Schlosses Wickrath. Jennifer hatte wie immer alles perfekt organisiert. Die Kosten trug die Staatsanwaltschaft und von Bernd ausgelegte Beträge würden später erstattet. Ich reichte Maangj seinen Koffer. „Soll ich noch mit hineinkommen?“

      Der Neger lachte und wieder blitzten seine Zähne auf. „Danke, aber das werde ich schon alleine schaffen. Wie geht es dann weiter?“

      Ich fragte mich, was er meinte. „Sie gehen die Treppe zu ihrem Zimmer hoch?“, versuchte ich zu erklären. „Oder sie nehmen den Aufzug, wenn es einen gibt.“

      Wieder lachte er: „Nein, das meine ich nicht. Wie geht es morgen weiter? Soll ich zu ihrem Büro kommen oder wie haben sie das geplant?“

      Ich hatte nichts geplant und meinetwegen konnte er den ganzen Tag auf seinem Hotelzimmer verbringen, doch eine entsprechende Bemerkung verkniff ich mir. Ein Blick auf das Infoblatt bestätigte meine Befürchtungen. „Ich hole sie morgen früh um acht Uhr hier ab. Wir fahren dann zum Büro und zum Krav Maga Studio und ich werde ihnen erst einmal alles zeigen. Am Nachmittag habe ich einen Termin, den wir gemeinsam wahrnehmen können. Wir sprechen morgen über den Fall, es geht dabei darum, dass auf dem Hof eines Autohauses des Öfteren nachts Autos in Brand gesteckt werden. Aber wie gesagt: Die näheren Details erfahren sie morgen.“

      „Das hört sich interessant an“, strahlte Maangj. „Dann bis morgen früh, ich werde pünktlich sein.“

      IV.

      Kurz nach acht Uhr morgens fuhr ich vor dem Hotel vor. Maangj wartete schon neben dem Eingang auf mich. Diesmal trug er einen dunkelblauen Anzug, wieder mit passender Krawatte. Seine schwarzen Haare waren sehr kurz geschnitten und ein wenig erinnerte er mich an Barack Obama, allerdings in einer dunkleren Version.

      „Guten Morgen, Jonathan“, grüßte er und glitt auf den Beifahrersitz. „Sie haben ein sehr gutes Hotel ausgesucht mit einem hervorragenden Restaurant. Ich liebe gutes Essen.“

      „Das war Jennifer. Sie werden sie später noch kennenlernen. Aber ihnen auch einen guten Morgen.“ Während ich den Wagen in das Gewerbegebiet Güdderath lenkte, kam mir eine hervorragende Idee. Wenn Maangj so sehr gutes Essen liebte, dann könnte ich ihn doch zu Curry-Erwin einladen. Wie sehr würde mein Freund staunen, wenn ich seinen Imbiss mit einem Schwarzen betrat. Das wäre doch sicherlich eine Sensation! Und so ganz nebenbei könnte der Südafrikaner einmal die hervorragende Mönchengladbacher Küche kennenlernen. Und vielleicht den ‚Lärpers Spezial‘ Teller.

      Ich parkte den Wagen direkt vor dem Eingang der Detektei. „Das hier ist das Gebäude, in dem sich unsere Detektei Argus befindet“, erklärte ich in bester Fremdenführermanier.