Austausch - Programm. Jürgen Ruhr

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Название Austausch - Programm
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750224544



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      „Dir auch einen schönen guten Morgen, Bernd“, entgegnete ich, ohne auf seine Anspielung einzugehen. Ich nahm mir vor, meine Mittagspause bei Curry-Erwin zu verbringen und von dort aus nach einem reichlichen Mahl direkt zu dem Autohaus zu fahren.

      „Zunächst noch einmal ‚Guten Morgen‘“, begann Bernd. „Ich muss mich für dieses plötzliche Meeting entschuldigen, doch es war unumgänglich, dass wir uns so kurzfristig hier treffen. Ich musste einige Planungen über den Haufen werfen, denn Oberstaatsanwalt Eberson rief mich heute Morgen überraschend an.“

      Ich lächelte zufrieden. Wenn Eberson ‚überraschend‘ anrief, dann war Not am Manne, wie man so schön sagte. Auf jeden Fall bedeutete es, dass auf die Gruppe Heisters wieder ein Spezialauftrag wartete. Und wen konnte Bernd besser damit betrauen, als Jonathan Lärpers? Und meinetwegen Christine - wir waren schließlich ein gutes Team. Den dämlichen Auftrag mit dem Autohaus müsste dann Birgit übernehmen. ‚Sorry‘, würde ich lächelnd zu ihr sagen, ‚aber Jonathan Lärpers muss sich jetzt mit wichtigeren Dingen beschäftigen. Und vergiss nicht: Um vierzehn Uhr hast du den Termin bei diesem Autohändler ...‘.

      „Jonathan, was gibt es da so dämlich zu grinsen?“, unterbrach Bernd sich bei seinen Ausführungen. „Du weißt doch noch nicht einmal, worum es geht.“ Dann winkte er ab und fuhr fort: „Auf jeden Fall bat mich der Oberstaatsanwalt um einen Gefallen und wie könnte ich ihm den abschlagen?“

      Bernd nahm eine Flasche Orangensaft und goss sich ein Glas voll. Ich sehnte mich nach einem Kaffee, nutzte aber die Gelegenheit nach einem Fläschchen mit interessantem, rotem Inhalt zu greifen. Ebenso wie Bernd goss ich mir den kühlen Saft in das Glas und nahm einen tiefen Schluck. Und spuckte das Zeug umgehend in das Glas zurück. Dann drehte ich die Flasche, las das Etikett und stellte fest, dass es sich um Tomatensaft handelte. Wollte Jenny mich vergiften? Ekelhafter, säuerlich schmeckender Tomatensaft!

      Bernd sah mich strafend an. „Deine Manieren waren aber auch schon einmal besser, Jonathan“, bemerkte er. Du solltest erst schauen, was du dir da einschenkst, bevor du so gierig trinkst!“

      Birgit, die ‚Bergzicke‘ kicherte leise.

      Bernd sollte doch eigentlich froh sein, dass ich die ekelhafte Brühe nicht über den ganzen Tisch gespuckt hatte!

      „Kann ich jetzt endlich fortfahren? Danke. Es handelt sich um ein Austauschprogramm der Polizei, das der Oberstaatsanwalt persönlich ins Leben gerufen hat. Dabei geht es darum, Polizisten aus aller Welt im Austausch mit unseren Beamten in partnerschaftlicher Weise die Arbeitsmethoden der jeweiligen Kollegen nahezubringen.“

      Ich verstand kein Wort. Was ging uns die Polizei und deren Austauschprogramm an? Schüleraustausch kannte ich, auch wenn ich selbst niemals an so etwas teilgenommen hatte.

      Bernd fuhr fort: „Konkret geht es darum, dass ein Kollege aus Kapstadt bei der Kriminalpolizei in Düsseldorf an den Ermittlungen teilnehmen und so Erfahrungen sammeln sollte. Im Gegenzug wäre ein Beamter von dort nach Kapstadt gereist. Leider haben sich aber durch Krankheit und plötzliche Einsätze Engpässe ergeben und auch das Ausweichen nach Köln war nicht möglich. Eberson will den feststehenden Termin aber nicht absagen und bittet uns für die Kollegen einzuspringen. Wir sollen uns des Polizisten aus Kapstadt annehmen und ihm sowohl die Detektivarbeit hier, als auch die Polizeiarbeit näherbringen.“

      Mein Herz machte einen Sprung, als ich daran dachte, nach Kapstadt zu reisen. Wo immer das auch liegen mochte. In bester Schülermanier hob ich die Hand: „Ich melde mich freiwillig“, verkündete ich und setzte mein gewinnendstes Lächeln auf.

      „Das ist sehr löblich, Jonathan“, entgegnete Bernd. „Auch wenn du das blöde Grinsen sein lassen solltest. Ich hatte sowieso schon an dich gedacht.“

      „Au fein“, gab ich zufrieden von mir und sah mich schon in einem gewissen Sonderurlaub. „Wo liegt denn dieses Kapstadt?“

      Birgit stöhnte vernehmlich und Bernd sagte nur: „Südafrika. Jonathan, was ist mit deinen Geographiekenntnissen los? Ich glaube, du solltest ein paar Nachhilfestunden nehmen.

      Ich kicherte und es hörte sich fast so an, wie Birgit eben noch: „Ich kenne Karstadt, reicht das nicht?“

      Keiner lachte.

      Bernd seufzte leise. „Gut, kommen wir zur Aufgabenverteilung und zum Ablauf. Birgit, du wirst einige Aufträge mehr übernehmen müssen. Aber momentan haben wir ja in Bezug auf die Detektei ohnehin nicht allzu viel zu tun.“ Birgit nickte und Bernd sah mich prüfend an. „Jonathan, auf dir wird die Hauptlast unserer Aufgabe liegen. Ich erwarte, dass du dich einwandfrei benimmst. Hier geht es um das Ansehen der deutschen Polizei und natürlich unseres Hauses. Der Oberstaatsanwalt Eberson wird später mit Sicherheit einen Bericht erhalten und ich möchte nicht, dass unsere Gruppe darin negativ erwähnt wird. Hast du das verstanden?“

      Ich sprang von meinem Stuhl auf und legte die Hand an die Stirn. „Qui, mon General“, brüllte ich und musste selbst über meine hervorragenden Französischkenntnisse lächeln. Welche Sprache wurde eigentlich in diesem Südafrika gesprochen? Ich würde mir einige Sätze einprägen müssen. Es machte immer einen guten Eindruck, in der Landessprache grüßen zu können. Oder beim Ober ein Bier auf Suaheli zu bestellen.

      „Jonathan, was soll der Scheiß?“, raunzte Bernd mich an. „Du benimmst dich wie ein Zehnjähriger. Und außerdem spricht man in Kapstadt kein Französisch, sondern hauptsächlich Englisch, Afrikaans oder isiXhosa. Aber du wirst kaum in die Verlegenheit kommen, deine Sprachkenntnisse zu bemühen, denn der Kollege aus Kapstadt spricht sehr gut Deutsch, wie mir Eberson versicherte. Also benimm dich nicht so kindisch, sonst lass ich Birgit die Aufgabe übernehmen.“

      „Nein, nein bloß nicht“, gab ich erschreckt von mir und rutschte auf meinen Stuhl zurück. Auch wenn die in Kapstadt keinen Spaß verstanden, so würde ich mich dort bestimmt gut amüsieren.

      Bernd blickte auf ein Blatt, das vor ihm lag und fuhr fort: „Du musst um fünfzehn Uhr am Flughafen Düsseldorf sein, Jonathan. Ich möchte, dass du mit dem Hundertsiebzehner aus unserem Fahrzeugpool dort hinfährst. Ein bisschen Repräsentieren schadet ja nicht.“

      Ich hob wieder die Hand, da mir einiges unklar war. Bernd nickte ergeben. „Also, du meinst doch den Mercedes C117“, stellte ich fest und Bernd nickte. „Mir ist nur nicht ganz klar, wo ich den Wagen parken soll. Wäre es nicht sinnvoller, wenn Christine mich zum Flughafen fährt?“

      Bernd sah mich fragend an: „Den Wagen parkst du im Parkhaus, wo sonst? Ich weiß ja nicht, was für Überlegungen in dir vorgehen, doch vielleicht lässt du mich einfach einmal ausreden und stellst dann erst deine Fragen.“

      Ich nickte. Jetzt durfte ich es mir auf keinen Fall mit Bernd verderben, sonst fuhr am Ende doch noch Birgit, die Bergzicke, nach Kapstadt.

      „So, jetzt bitte ohne Unterbrechungen, Jonathan: Du bist um fünfzehn Uhr am Flughafen in Düsseldorf. Fünfzehn Uhr zweiundzwanzig landet die Maschine aus Kapstadt. Der Mann, den du in Empfang nehmen wirst, heißt Kyle Maangj und ist Major der SAPS, des South African Police Service. In den nächsten drei Wochen wirst du dich intensiv um den Mann kümmern. Bind ihn in deine Ermittlungen mit ein, zeige ihm die hiesige Polizei und auch ein wenig die Umgegend. Du hast doch Beziehungen zur Kripo, Freunde dort, da dürfte dir das doch nicht schwerfallen. Das war übrigens auch ein Grund, warum ich dich für den Job ausgesucht habe ...“

      Beziehungen zur Polizei? Gut, ich war mit Kriminalkommissar Albert Pöting Junior vor einer langen Ewigkeit hier in Mönchengladbach zu Schule gegangen, doch Freunde waren wir nie geworden. Die Wahrheit war, dass ich Albert Junior nie ausstehen konnte und sich das bis heute nicht geändert hat. „Heißt das, ich fliege gar nicht nach Kapstadt?“

      „Sehr gut kombiniert, Jonathan“, gab Bernd nicht ohne ein Fünkchen Spott in der Stimme von sich. „Deine Aufgabe besteht darin, sich um Kyle Maangj intensiv zu kümmern. Jennifer wird dir später noch ein Informationsblatt mit den wichtigsten Daten, wie Ankunftszeit, Hotel und so weiter, geben.“

      Bernd machte eine kurze Pause und trank einen Schluck des goldgelben, eiskalten Orangensaftes.