Austausch - Programm. Jürgen Ruhr

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Название Austausch - Programm
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750224544



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dem Empfangstresen im Krav Maga Studio stand. Sie war die gute Fee des Hauses und kümmerte sich um die Belange der Kunden. Und natürlich um unsere.

      „Hallo Jenny“, grüßte ich zurück und schob gleich die Frage nach, die mir auf der Seele brannte: „Wieso gab es heute beim Meeting keine Brötchen und keinen Kaffee? Nur dieses schlabbrige Obst und dann sogar Tomatensäfte!“

      „Wenn du einmal in den Spiegel oder auf die Waage schaust, dann weißt du warum“, entgegnete sie. „Wir haben beschlossen, alle etwas gesünder zu leben. Obst, Fruchtsäfte, Tee und so weiter. Du wirst sehen, in einigen Wochen fühlst du dich wie ein neuer Mensch.“

      „Na, wer’s glaubt“, brummte ich. „Wer ist denn wir? Mich hat niemand gefragt.“

      Jennifer lachte und warf die blonden Haare zurück. „Du wärst sowieso überstimmt worden.“ Dann reichte sie mir die Schlüssel für den Mercedes C117. „Ich nehme an, dass du deswegen hier bist.“

      „Und natürlich wegen dir“, schmeichelte ich. Leider war es mir noch nicht gelungen, die blonde Schönheit einmal zu einem Date mit mir zu überreden.

      Jenny hob drohend den Zeigefinger, lächelte dabei aber. „Du kannst den Wagen so lange fahren, wie Kyle Maangj unser Gast ist. Wir wollen ihm ja nicht zumuten, mit deiner gelben Postkutsche herumfahren zu müssen.“

      Der Wagen stand an seinem gewohnten Platz und befand sich in einwandfreien Zustand. Wie alle Fahrzeuge hier. Bernd beschäftigte eigens einen Mechaniker, der sich um nichts anderes als die Autos kümmerte. Allerdings hatte ich den Mann bisher noch nicht zu Gesicht bekommen. Der Motor sprang sofort an und kurze Zeit später parkte ich ihn sorgfältig vor dem Haus, in dem meine Kollegin und ich wohnten. Christine hatte mir damals die Wohnung über der ihren vermittelt und dafür war ich ihr immer noch dankbar.

      „Da bist du ja, Jonathan“, grüßte sie und führte mich direkt in die Küche. Auf dem Tisch standen zwei Gedecke und es roch verdächtig nach Essen. „Das ist lieb von dir, dass du mit mir isst. Das Essen ist auch schon fertig. Weißt du, ich hatte für mehrere Tage vorgekocht und durch die plötzliche Reise nach Kapstadt müsste ich das schöne Essen sonst wegwerfen.“

      „Kein Chez Duedo?“, entfuhr es mir.

      „Chez Duedo? Wie kommst du denn darauf? Ich glaube nicht, dass wir das zeitlich schaffen dürften. Ich muss doch auch noch packen. Reich mir doch mal bitte deinen Teller.“

      Kein Chez Duedo und auch kein Curry-Erwin. Wenn Christine jetzt nicht ein riesiges Steak mit Pommes Frites herbeizauberte, dann würde für mich eine Welt zusammenbrechen. „Was gibt es denn?“, fragte ich vorsichtig.

      „Reis mit Pilzen. Lässt sich prima in der Mikrowelle aufwärmen.“ Sie schaufelte derweil dampfenden Reis aus einer Schüssel auf meinen Teller.

      „Pilze aufwärmen? Meinst du, das wäre gesund?“ Irgendwie schwebte mir vor, dass Pilze nicht mehrere Male erhitzt werden sollten. Ich überlegte, wie ich mich diesem ‚Mahl‘ entziehen könnte. Weder mochte ich Reis, noch Pilze besonders gern. Und aufgewärmte Pilze schon gar nicht.

      „Keine Sorge“, beruhigte sie mich. „Die Pilze sind frisch aus der Dose. Nicht aufgewärmt.“

      Ich beobachtete, wie sie geschnittene Pilze auf meinen Reis schüttete. Dann füllte Chrissi ihren Teller und stellte alles auf den Tisch. „Guten Appetit“, meinte sie lächelnd und schaufelte sich das Zeug in den Mund.

      Ich kostete vorsichtig. Der Reis schmeckte nach nichts. Das ganze Essen war nicht ein bisschen gewürzt. „Die Pilze sind ja kalt“, übte ich vorsichtig Kritik. Worauf hatte ich mich da eingelassen? Zunächst keine leckeren Brötchen beim Meeting, dann weder Curry-Erwin, noch das Chez Duedo und nun dieser pappige Reis mit kalten Pilzen. Plötzlich sehnte ich mich nach einer doppelten Currywurst mit Pommes Frites und ordentlich Mayonnaise darauf.

      „Natürlich sind die Pilze kalt“, hörte ich Chrissi mit vollem Mund sagen, „sie kommen ja auch direkt aus der Dose. Ich finde, so ist ihr Geschmack noch intensiver, als wenn man sie aufwärmt. Schmeckt’s?“

      „Hervorragend“, log ich und stopfte mir eine Gabel Reis mit kalten Pilzen in den Mund. Es kostete mich ein wenig Überwindung das Zeug zu kauen, ohne dabei würgen zu müssen. Am liebsten hätte ich alles wieder auf den Teller zurückgespuckt.

      Inzwischen hatte Christine aufgegessen und stellte ihren Teller in die Spüle. Sie warf einen Blick auf mich und meinte: „Du solltest nicht so trödeln beim Essen. Die Zeit wird knapp. Ich gehe jetzt meine Sachen packen. Kannst du kurz abspülen, wenn du fertig bist?“

      Ich nickte nur, denn mit vollem Mund soll man ja nicht sprechen. Kaum war sie aus dem Raum, spuckte ich die Pampe zurück auf den Teller. Dann sah ich mich suchend um. In den kleinen Küchenmülleimer konnte ich den Reis mit den Pilzen nicht geben, das würde sie merken. Leise öffnete ich das Küchenfenster und schüttete das Essen hinaus.

      Als Christine zurück in die Küche kam, trocknete ich gerade den letzten Teller ab. „Du hast ja doch alles aufgegessen“, stellte sie fest. „Das war wirklich lecker, nicht wahr? Und hat kaum Kalorien. Wenn du möchtest, kann ich dir einige meiner Diätrezepte geben. Du wirst dich wundern, wie lecker das alles schmeckt.“

      „Ja gerne“, gab ich vor mich zu freuen. Nach ihrem Aufenthalt in Kapstadt hätte sie dieses Angebot ohnehin wieder vergessen. Und wenn nicht, dann würden ihre ‚Rezepte‘ halt die Altpapiersammlung bereichern.

      Nach einem letzten Rundgang durch die Räume nickte Christine zufrieden. „Alles in Ordnung. Kannst du während meiner Abwesenheit hin und wieder einen Blick in die Wohnung werfen und meine Post reinholen?“

      „Selbstverständlich.“ Sie bräuchte sich auch keine Sorgen zu machen, dass ich mich an ihrem Reis bedienen würde. Aber das sagte ich ihr natürlich nicht.

      Chrissi drückte mir ihren Koffer in die Hand, nahm selbst eine Reisetasche und meinte: „Na dann los. Wo hast du geparkt?“

      „Vor dem Haus, ein Stück weiter unten.“ Ob ich heute Abend Gelegenheit hätte, mich nach den Strapazen des Tages im Chez Duedo zu belohnen?

      In dem Moment als wir auf den Gehweg traten und zum Wagen gehen wollten, sprach uns eine alte Frau an. Mit ihrem Krückstock zeigte sie auf das Blumenbeet vor dem Haus und krähte: „Jetzt schauen sie sich das einmal an. Da hat doch irgend so ein Schwein mitten in die Blumen gekotzt. Mein Gott, mein Gott, die Zeiten werden immer schlimmer.“

      Ich zog Christine rasch weiter, bevor sie mit ihrem Blick dem Krückstock folgen konnte. Das Blumenbeet lag direkt unter ihrem Küchenfenster.

      In Düsseldorf fuhr ich den Wagen souverän in das Parkhaus am Flughafen. „Hast du alles dabei?“, fragte ich Christine.

      „Das hättest du mich in Mönchengladbach fragen sollen“, entgegnete sie und lächelte. „Aber keine Sorge, Jennifer hat alle Unterlagen für mich zusammengestellt und einen gültigen Reisepass habe ich ebenfalls.“

      Den hatten wir alle, denn Bernd legte Wert darauf, dass wir ständig einen gültigen Reisepass besaßen. Immerhin war nie vorherzusehen, wann wir einmal ins Ausland reisen mussten. So wie jetzt Christine - und nicht ich.

      Wir stiegen aus dem Auto und ich holte ihr Gepäck aus dem Kofferraum. „Dann bleibt mir nur noch, dir einen guten Flug zu wünschen. Melde dich, wenn du angekommen bist.“

      Chrissi nickte: „Das sowieso. Bernd möchte, dass ich ihm täglich Bericht erstatte. Wenigstens gibt es zwischen Südafrika und Europa keine Zeitunterschiede, so kann ich ihn abends nach Dienstschluss problemlos anrufen.“

      Mittlerweile überquerten wir die Straße zum Terminal und ich reichte Christine ihren Rollkoffer, den ich bis jetzt hinter mir hergezogen hatte. „Hier trennen sich unsere Wege“, seufzte ich bei dem Gedanken daran, dass doch lieber ich es wäre, der jetzt zur Ebene eins, der Abflugebene, gehen würde. Mir allerdings blieb die Ebene null vorbehalten.

      „Ein wenig Wehmut, Jonathan?“, interpretierte Chrissi mein Seufzen falsch. „In ein paar