Austausch - Programm. Jürgen Ruhr

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Название Austausch - Programm
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750224544



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und ist meistens zur Stelle, wenn es brenzlig wird. Da sie aber oft mit ihrem Mann, einem Neurochirurgen durch die Welt reist und auch noch als freiberufliche Übersetzerin arbeitet, bleibt uns leider nicht so oft das Vergnügen, die kleine, quirlige Monika bei uns zu haben.

      Aber wie wir alle, ist Monika auch so eine Art Adrenalinjunkie. Wir lieben das Abenteuer und die Gefahr. Keiner von uns wollte einem ‚bürgerlichen‘ Beruf mehr nachgehen. So wie Sam, der als bestes Beispiel dafür dienen konnte. Mit vollem Namen Samuel L. Terbarrus hatte er an der Uni Köln promoviert und seinen Doktor der Naturwissenschaften in Molekularer Medizin gemacht. Der kleine Asiate könnte ein hervorragend ruhiges Leben als hochbezahlter Wissenschaftler führen, aber stattdessen stand er jetzt mit der Stoppuhr neben der Kletterwand, an der Birgit gerade wieder langsam herabstieg. Sam war mir ein guter und verlässlicher Freund geworden, ebenso wie Bernd.

      Eigentlich sind wir ja alle gute Freunde, eine große Familie, die ha...

      „Jonathan“, vernahm ich jetzt Bernds Stimme hinter mir. „Du musst schneller werden! Kann es sein, dass du etwas Fett angesetzt hast? Ich glaube, ich sollte dir mehr Training verordnen. Dozer, du musst ihn beim Krav Maga Training mehr fordern.“

      Der nickte und grinste mich an: „Das kriegen wir schon wieder hin. Also, Jonathan. Du solltest noch mindestens zwanzig Sekunden schneller werden.“

      Ich stöhnte. Diese Quälerei hier ging schon den ganzen Vormittag so und noch war kein Ende abzusehen. Bernd hatte ja Recht, das musste ich im Stillen zugeben. Der Sport war in letzter Zeit ein wenig zu kurz gekommen, was aber daran lag, dass ich wegen der vielen Aufträge einfach nicht mehr dazu kam, genügend zu trainieren. Und mich morgens in aller Frühe aus dem Bett zu quälen, so wie es Christine tat, die in dem Mietshaus in Wickrath eine Etage unter mir wohnte, und um das Schloss dort herum zu joggen, war auch nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung.

      „Du solltest mal wieder mit Christine joggen gehen“, vernahm ich jetzt Bernds Stimme. Konnte der Mann eigentlich Gedankenlesen?

      „Drei - zwo - eins - los“, kommandierte Dozer und ich hechtete wie ein Verrückter los. In Windeseile ergriff ich die bunten Klettersteine. Voller Schwung und Elan überwand ich Meter für Meter, meine Bewegungen erfolgten fließend und mit einer gewissen künstlerischen Eleganz. Und dann war ich endlich oben. Schweiß floss mir über das Gesicht, meine Hände waren klebrig und meine Knie schmerzten. Doch ich war mir sicher, dass ich es geschafft hatte! Ein Blick nach unten schien meine Gedanken zu bestätigen. Dozer hielt gerade Bernd grinsend die Stoppuhr hin und der nickte ernst. Ja, Freunde, auch wenn Jonathan Lärpers einige Kilo zu viel auf die Waage brachte, hier stand der neue Bezwinger der Kletterwand vor euch!

      Langsam stieg ich wieder herab und dachte daran, dass meine Zeit vermutlich sogar besser war, als die von Birgit Zickler. Ein Blick zeigte mir, dass sie an ihrer Wand schon wieder auf dem Weg nach oben kletterte. Ein unermüdliches Auf und Ab. Vielleicht sollte ich sie demnächst ‚Bergzicke‘ nennen. Bei dem Gedanken daran musste ich lachen und immer noch fröhlich lächelnd stand ich schließlich Bernd und Dozer gegenüber. Ich musste ein Keuchen unterdrücken, doch es war auch extrem warm in dieser dämlichen Kletterhalle!

      „Was grinst du denn so blöd?“, empfing mich mein Freund und deutete mit dem Kopf auf die Stoppuhr. „Dazu gibt es nun wirklich keinen Grund! Ich hatte doch gesagt, du musst schneller werden, Jonathan, nicht langsamer. Du warst diesmal fünfzehn Sekunden langsamer, als bei deinem letzten Versuch. Ab morgen gehst du mit Chrissi joggen. Keine Widerworte“, fügte er hinzu, als ich protestieren wollte, „das ist ein Befehl.“

      Nun, Bernd konnte mir ja eigentlich keine Befehle geben, wir waren ja schließlich nicht beim Militär. Auch wenn unsere Einsätze durchaus mit militärischer Exaktheit durchgeführt wurden. „Vielleicht stimmt etwas nicht mit der Stoppuhr“, gab ich vorsichtig zu bedenken, doch Dozer winkte nur ab.

      Bernd reichte mir das Sicherungsseil und legte sich den Klettergurt um. „Wehe, du lässt das Seil los“, warnte er mich, doch ich wusste, dass Bernd keine Sicherung brauchte. Niemand von uns brauchte so etwas, doch die Vorschriften der Kletterhalle waren in diesem Punkt eindeutig. Ich nickte nur.

      Mein Freund gab Dozer ein Zeichen und kurz darauf erklomm er auch schon die Wand. Mir kam es so vor, als wäre er langsamer als ich, doch als Bernd endlich wieder neben uns stand, lächelte Dozer ihn an: „Neue Bestzeit, Chef. Und ganze vierzig Sekunden besser als Jonathan.“

      Entweder war diese dämliche Stoppuhr wirklich defekt oder Dozer wollte sich bei Bernd nur einschleimen.

      II.

      Gott-sei-Dank endete der Klettertag auch irgendwann und Bernd lud uns zu Säften und Obst in das kleine Bistro der Kletterhalle ein. Mit wäre ein ordentliches Steak in meinem Lieblingsrestaurant, dem ‚Chez Duedo‘ zwar lieber gewesen, doch nach meiner Kletterleistung hielt ich besser den Mund. Ich musste ja nicht noch mehr negativ auffallen.

      „Das sollten wir bald einmal wiederholen“, gab Brigit, die ‚Bergziege‘, Zickler von sich.

      „Was, hier im Bistro essen und trinken?“, scherzte ich und sah mich Beifall heischend um. Doch niemand lachte.

      „Eure Ergebnisse sind durchaus zufriedenstellend“, fasste Bernd zusammen und blickte auf die Zahlen, die in Tabellenform auf einem Blatt standen. „Lediglich Jonathan muss etwas mehr an sich tun. Christine, wenn du nichts dagegen hast, wird Jonathan dich morgens bei deinem Joggingtraining begleiten. Vielleicht kannst du ja auch mit ihm etwas öfter zu Dozer ins Dojo gehen. Jonathan scheint mir ein wenig eingerostet zu sein.“

      Christine nickte und zeigte ein Lächeln, das mir äußerst boshaft vorkam. Es war kein Geheimnis, dass wir beiden beim Kampfsporttraining nicht sonderlich zurückhaltend miteinander umgingen, doch merkwürdigerweise war immer ich es, der mit zahlreichen blauen Flecken die Trainingshalle verließ.

      Aber insgesamt wurde es noch ein schöner Nachmittag, auch wenn ich öfter zum Nachbartisch herüberschielte, an dem ein junges Pärchen riesige Hamburger mit Pommes verdrückte. Vielleicht konnte ich ja nachher noch zu Curry-Erwin gehen und dort, in meinem Lieblingsimbiss, etwas zu mir nehmen.

      Aber wieder schien Bernd meine Gedanken zu lesen oder er hatte meine Blicke gesehen, denn er bemerkte jetzt zu mir: „Und ab heute Diät, Jonathan. Keine ungesunde Currywurst in dieser komischen Frittenbude, keine Hamburger und keine Pommes Frites. Ernähr dich vernünftig. Zumindest, bis du wieder einigermaßen fit bist“, fügte er dann hinzu.

      „Das ist keine komische Frittenbude“, protestierte ich. „Und Curry-Erwin ist mein Freund.“

      „Eine Schmuddelbude ist das“, ließ sich die Bergzicke vernehmen. Dass die aber auch überall ihren Senf dazu geben musste!

      Und jetzt keuchte ich schon die zweite Runde um das Schloss Wickrath hinter Christine her, deren Füße federleicht über die Wege flogen. Meine dagegen waren schwer wie Blei und der Schweiß lief mir die Stirn herunter und in die Augen. „Was ist, Jonathan?“ Christine lief jetzt rückwärts und tänzelte fast wie eines dieser Turnierpferde. „Schon müde?“

      „Wie viel noch?“, fragte ich und mein Atem kam stoßweise.

      „Wie viele Runden? Also ich laufe immer mindestens fünf. Doch bei deiner Geschwindigkeit werden wir das kaum schaffen, da wir sonst zu spät ins Büro kommen. Komm, streng dich an! Wenigstens eine noch.“

      Im Büro - Bernd hatte vor Jahren das Gebäude eines Unternehmens gekauft, das in Konkurs gegangen war und wir nutzen es nun als Stützpunkt unserer Detektei - wartete ein Stapel von Aufträgen auf mich. Durch den Feiertag war einiges liegengeblieben und ich sortierte ein paar der Aufträge aus, die für mich als Fachkraft uninteressant waren. Schnell trug ich die Unterlagen in Birgits Büro und legte sie ihr dort auf den Schreibtisch. Sollte sie sich doch entlaufenen Hunden oder untreuen Ehemännern herumärgern. Für einen Jonathan Lärpers gab es auf jeden Fall weniger profane Einsätze.

      Doch leider waren die Dinge, die für mich übrigblieben nicht weniger langweilig. Ein Nachbarschaftsstreit, bei dem im Garten des einen Kontrahenten