Austausch - Programm. Jürgen Ruhr

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Название Austausch - Programm
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750224544



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nickte der Schwarze, aber es klang jetzt nicht mehr ganz so negativ. Ich war mir sicher, dass er in Kürze von der Qualität und Quantität des Essens überzeugt sein würde.

      „Jonathan, mein Freund“, rief Curry-Erwin erfreut aus, als wir durch die Tür in den Raum traten. Sogleich schlug uns der Duft von Pommes Frites und Bratwürstchen entgegen. Aber da war auch noch eine weitere Note, die ich nicht identifizieren konnte. Allerdings brachte Maangj es dann auf den Punkt.

      „Hier riecht es angebrannt“, bemerkte er mit angewidertem Gesichtsausdruck. „Außerdem stinkt es hier nach Schweiß.“

      Der Schweißgeruch kam von einer Gruppe Bauarbeiter, die sich um einen der runden Stehtische gruppierten und uns jetzt aus großen Augen ansahen. Normalerweise ignorierte ich solche Gerüche, doch jetzt, da Maangj es erwähnte, fiel es mir auch auf.

      Curry-Erwin kam mittlerweile, so wie er es bei meinem Anblick immer tat, um seinen Verkaufstresen herum, wischte sich die fettigen Finger an seiner noch fettigeren Schürze ab und nahm mich in den Arm. „Jonathan Lärpers, Spezialagent seiner Majestät“, scherzte er und drückte mich an seine Brust. „Wie schön, dich wieder einmal in meiner bescheidenen, aber freundlichen Gaststätte empfangen zu dürfen. Und wen hast du mir da mitgebracht? Warst du etwa wieder auf Reisen? Im Kongo vielleicht?“ Er hielt Maangj die Hand hin, an der ich noch Spuren von Mayonnaise bemerkte. Auch auf meiner Jacke in Bauch- und Brusthöhe konnte ich weiße, aber auch rote Flecken ausmachen.

      „Darf ich vorstellen?“, machte ich mich wieder bemerkbar. „Kyle Maangj aus Kapstadt. Und das ist mein guter Freund Curry-Erwin. Der Erfinder zahlreicher raffinierter Gerichte. Der Herr über Pommes und Mayo, der ...“

      „Ach Jonathan“, winkte mein Freund bescheiden ab. „Du sollst doch nicht immer so übertreiben. Was darf ich euch heute Gutes tun? Halt wartet, ich habe da soeben zufällig ein neues Menü kreiert. Stellt euch einfach dort an den Tisch und lasst euch überraschen. Was darf ich euch zu trinken bringen? Bier?“

      Mittlerweile hatte Maangj die Hand meines Freundes vorsichtig ergriffen und suchte jetzt nach einer Serviette oder Gelegenheit, sich die Mayonnaise wieder von den Fingern zu wischen. Ich reichte ihm unauffällig ein Papiertaschentuch, das er dankbar annahm. „Für mich Cola, ich muss noch fahren.“ Der Schwarze nickte nur und säuberte mit undefinierbarem Gesichtsausdruck seine Hand. „Also zwei Cola, Erwin“, orderte ich souverän.

      „Ist das nicht herrlich hier?“, fragte ich Maangj, als wir an unserem Tisch standen. Die Bauarbeiter beobachteten uns, beziehungsweise Maangj, ganz genau und tuschelten dabei leise. „Das ist Gladbacher Kultur in seiner reinsten Form. Und sie werden sich wundern, was für großartige Essenskreationen sie in diesem unscheinbaren Lokal serviert bekommen, Kyle. Lassen wir uns überraschen.“

      Der Neger nickte nur und schaute sich interessiert in dem Imbiss um. Ich wusste, dass es ihm hier gefiel, denn sein ausdrucksloses Gesicht zeigte keinerlei Abscheu.

      „Ich finde es so ... authentisch“, schwärmte ich. Jetzt, da ich wusste, dass er meiner Meinung war, brauchte ich meine Begeisterung nicht zu verstecken. „Das ist Mönchengladbacher Flair. Schauen sie nur dort oben die Preistafel. Wieviel Mühe Curry-Erwin sich bei der Gestaltung gegeben hat.“ Ich versuchte Maangjs Aufmerksamkeit auf das handgeschriebene ‚Lärpers-Spezial Teller‘ zu lenken, doch er beachtete die Buchstaben gar nicht. „Oh“, versuchte ich es schließlich mit einem Wink mit dem Zaunpfahl, „Erwin hat ja immer noch den nach mir benannten Lärpers-Spezial Teller im Angebot. Kyle, die Kreation aus Wurst, Soße, Mayonnaise und Senf ist eine Wucht. Das müssen sie unbedingt probieren.“

      Maangj nickte wieder nur, doch als einer der Bauarbeiter einen grandiosen Rülpser von sich gab, bemerkte er: „Sie haben wirklich einen besonderen Geschmack, Jonathan. Sie sollten einmal nach Kapstadt kommen, da ist auch alles so ... so ... authentisch. Der Geruch auf den Straßen, die vorherrschende Sauberkeit und vor allem die Menschen, die in der mittäglichen Hitze dem Ganzen ein besonderes Flair geben. Sie wären begeistert, Jonathan.“

      Ich spürte, wie aus dem Mann die Begeisterung für seine Stadt sprach und wünschte, mir könnte es mit Mönchengladbach und insbesondere Rheydt ähnlich gehen. Doch hier stanken die Straßen nach Urin und die Menschen nach Schweiß. Und an allen Ecken und Enden fanden sich Ansammlungen von Müll. Warum warf eigentlich niemand seinen Dreck in die überall herumstehenden Mülleimer?

      Curry-Erwin servierte uns die Getränke direkt mit dem Essen zusammen und ich musste mich wieder einmal wundern, wie schnell und effektiv er arbeitete. Wie bei vielen seiner Überraschungsessen deckte eine dicke Schicht Mayonnaise das Menü ab. Kleine, bunte Frittengabeln steckten bis auf eine winzige Ecke darin und verlangten einiges an Geschicklichkeit, sie herauszufischen. Mir gelang es nicht und bald klebte meine halbe Hand von dem fettigen Zeug. Aber das gehörte schließlich dazu. Wenn nur Curry-Erwin nicht immer die Servietten vergessen würde. Ich wischte mir am Rand des Pappschälchens die Finger so gut es ging ab und begab mich dann auf die Suche nach den kulinarischen Besonderheiten, die unter der weiß-gelben Schicht steckten.

      Wie ich wusste, mussten jetzt die Pommes Frites folgen, denn irgendwie ordnete Erwin alle seine Gerichte nach dieser Reihenfolge. Wurst, Pommes und dann ordentlich Mayonnaise, das war immer ein erfolgreiches Konzept. Doch diesmal schien er etwas geändert zu haben. Ich stieß auf einen harten Gegenstand und hackte mit dem Gäbelchen feste nach. Mayonnaise spritzte über den Tisch und ich musste grinsen, als Maangj nur um Millimeter verfehlt wurde. Bestimmt würde er seinen Enkeln noch von diesem Abenteuer erzählen.

      An meiner Gabel hing, fast wie ein Fisch an der Angel, ein dicker runder Klotz. Mit einem Finger der linken Hand strich ich die Mayonnaise fort und es kam eine schwarze Frikadelle zum Vorschein. Dieses Stück Fleisch musste auch der Grund für den anhaltenden Brandgeruch hier sein. Vorsichtig schnupperte ich daran, dann versuchte ich hineinzubeißen. Doch das Ding war steinhart und nur mit Mühe gelang es mir, ein Stückchen abzuknabbern. Der Geschmack war ungewöhnlich, ich würde sogar sagen: außergewöhnlich. Aber im Grunde nicht schlecht, wenn man dem Neuen gegenüber aufgeschlossen war.

      Plötzlich stand Curry-Erwin wieder neben uns. „Na, Jonathan, was sagst du? Ist das nicht wirklich etwas Besonderes? Ich nenne die Kreation ‚Schwarzer Frikaner‘.“ Er lachte und schlug mir auf die Schulter, so dass ich für einen Moment die Gewalt über mein Gäbelchen verlor. Der Schwarze Frikaner rollte über den Tisch und fiel polternd zu Boden. Curry-Erwin bückte sich blitzschnell, hob das verkohlte Stück Fleisch wieder auf und putzte es an seiner Schürze ab. Dann legte er die verbrannte Frikadelle wieder in mein Schälchen und meinte tadelnd: „Jonathan, Jonathan. Du musst aber schon besser auf dein Essen aufpassen!“ Und lächelnd fügte er hinzu: „Dann lass es dir noch schmecken!“

      Kyle sah auf seine Armbanduhr. „Ich glaube, es wird Zeit, dass wir ins Büro zurückkehren“, bemerkte er und ich hörte aus seiner Stimme ein gewisses Bedauern. „Es wäre mir peinlich, zu spät aus der Mittagspause zurückzukommen.“

      Das konnte ich verstehen, doch sein Essen stand noch unberührt auf dem Tisch. „Sie haben ja noch gar nichts gegessen, Kyle“, wies ich ihn auf die volle Pappschale hin.

      „Sie ja auch nicht, Jonathan“, erwiderte er und ich musste ihm Recht geben. Irgendwie war die Zeit wie im Flug vergangen.

      „Eine Sekunde“, bat ich ihn zu warten und suchte jetzt aus Zeitmangel mit den bloßen Fingern nach den Pommes Frites. Eine Kleinigkeit wollte ich wenigstens noch zu mir nehmen. Die Pommes lagen, leider durch die verbrannte Frikadelle plattgedrückt, in einer Lache aus Currysoße, die von weißen Mayonnaiseschlieren durchzogen wurde. Triumphierend steckte ich mir eine Handvoll des Breis in den Mund. Bei Curry-Erwin ging niemand hungrig nach Hause!

      „Und, Kyle?“, fragte ich, als wir auf dem Weg zurück zum Wagen waren. Curry-Erwin hatte mir zwei Papierservietten mitgegeben, damit ich mir die Finger abputzen konnte. „Jonathan“, bemerkte er, als er die Servietten über die Theke schob, „es tut mir leid, aber ich muss die beiden extra berechnen.“ Was er dann auch tat, aber so ist das Geschäftsleben halt.

      „Und, Kyle? Wie hat es ihnen gefallen? Sie müssen doch zugeben, dass das wirklich etwas Besonderes war.“ Auch wenn