Tödliches Monogramm. Elisa Scheer

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Название Tödliches Monogramm
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562591



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ich noch nie.“

      „Wieder Immobilien?“

      „Keine Ahnung, ich soll den Bürokram machen.“

      „Die mögen es, wenn man weiß, was sie machen“, suggerierte ich ihr, aber wahrscheinlich ohne Erfolg, denn in diesem Moment fiel ihr ein, dass sie sich ein Bad eingelassen hatte, und sie beendete das Gespräch eher hastig.

      Ich grinste still vor mich hin. Petra...! Alles mal wieder so was von typisch! Ob die Wanne schon übergelaufen oder bloß kalt geworden war?

      Nun musste ich aber doch die Geschäftsprobleme der Greiffschen Verlagsbuchhandlung weiter unter die Lupe nehmen und wenigstens einen Teil der ausgeliehenen Bücher durchsehen. Die Sache mit dem Prinzenpark-Mord war für mich gestorben, beschloss ich. Thilo war ja noch gesund und munter. Höchstens konnte ich ihn damit ein bisschen ärgern.

       IV

      Die Sache war gestorben, jawohl. Warum ich am nächsten Tag nicht nur wieder eine Zeitung kaufte, sondern sogar noch die vermutliche Mordstelle (oder war Fundort nicht gleich Tatort? Fernsehkrimis schulten eben doch nur bedingt) inspizierte, wusste ich auch nicht. Jedenfalls war die Stelle mit den üblichen gelben Bändern abgesperrt und vereinzelte Spaziergänger blieben immer wieder etwas scheu stehen und guckten. Ich machte es genauso, zerrissen zwischen ordinärer Neugierde (ja, okay, Sensationsgeilheit) und der Verlegenheit darüber, dass man sich zu eben dieser Sensationsgeilheit hinreißen ließ. Zu sehen war natürlich nichts. Entweder gab es nichts zu sehen, oder alle möglichen Spuren befanden sich unter dieser schwarzen Plane. Hatte es überhaupt Spuren gegeben? Die Zeitung hatte sich gehütet, etwas über die Todesursache zu schreiben, also hatte es wohl wenig Zweck, sich Ströme von Blut vorzustellen. Vielleicht war der arme Junge ja auch erwürgt worden oder erschlagen.

      Eine ältere Frau in Lodenmantel und Trachtenhut, einen silbergrauen Pudel an der Leine, starrte ganz unverhohlen auf die Plane. Ich rümpfte die Nase, setzte mich auf eine Bank ein wenig abseits und vertiefte mich in die Zeitung. Aha, jetzt wussten sie, wie das Opfer hieß: Tobias Bensdorf, vierundzwanzig, Student. Informatik. Und wie üblich keine Feinde, keine riskanten Aktivitäten, völlige Ahnungslosigkeit der Angehörigen.

      Ich blätterte weiter – neue Krise im Rathaus, gestiegene Müllbeseitigungskosten, das Stadttheater forderte höhere Zuschüsse, in Rothenwald war bei einer älteren Dame eingebrochen worden, die ganz alleine in einer Riesenscheune zu leben schien (selbst schuld), und die Firma Hamm hatte einen Industriepreis für gutes Design bekommen. Hamm - nie gehört. Wahrscheinlich produzierten sie irgendwelchen unnützen Wohnschnickschnack. Nein, halt, da stand es ja – Taschen und andere Lederwaren. Mit Abbildung. Tatsächlich, gar nicht hässlich. Das wäre was für Petra, dachte ich und grinste vor mich hin.

      Ein Mann ging vorbei und musterte mich strafend. Ich sah ihm arglos ins Gesicht, schließlich saß ich hier ja nur so – was, ein Mord? Musste ich verpasst haben. Sehr glaubhaft, mit diesem Revolverblatt in der Hand!

      Kein schlechter Typ, überlegte ich und sah dem kräftigen Rücken nach, der Missbilligung auszustrahlen schien. Nicht mehr wirklich jung, aber das schadete gar nichts – mir gefiel es, wenn sich ehemals dunkles Haar langsam mit Grau durchzog. Gar so kurz geschoren hätten die Haare vielleicht nicht sein müssen, und mit Brillenträgern hatte ich es auch nicht so, seitdem Maxi damals in der elften mich mit seiner blöden Hornbrille beim Küssen dauernd gekratzt hatte.

      Gute Lederjacke, darunter Jeans. Lange Beine und keine peinlichen Schuhe, sondern Lederstiefel. Ich hatte mal einen ansonsten gut aussehenden Kerl gesehen, der Moonboots getragen hatte – gestorben. Sofort gestorben. Eine naheliegende Gedankenverbindung ließ mich meine eigenen, leider schon etwas abwetzten Penny Loafers studieren, und als ich wieder aufsah, war der Kurzgeschorene weg. Egal, ich hatte ohnehin noch anderes zu tun, als Passanten zu begaffen. Und die Mordstelle – wenn sie es denn war – gab auch nichts her. Was hatte ich eigentlich erwartet?

      Als ich nach Hause kam, stand die Tür der WG offen, und die Maden zankten sich lautstark. Irgendwer hatte mal wieder irgendwas nicht gemacht...

      „Von euch macht doch nie einer irgendwas“, kommentierte ich, als ich meinen Schlüssel aus der Tasche fischte, „warum regt ihr euch also überhaupt noch auf? Oder ist euch das Bier oder Gott behüte das Gras ausgegangen?“

      „Tu nicht so, als wären wir dauernd bekifft!“, schnauzte Hubi mich an. Ich lachte. „Nö – nicht immer, aber immer öfter, was?“

      Außerdem roch es aus der Wohnung ziemlich streng – eine unglückliche Mischung aus alten Socken, ungespültem Geschirr, lange nicht weggetragenen Abfällen und in Grasrauch gebeizten Textilien.

      „Lüftet doch mal, oder habt ihr Angst vor frischer Luft?“, fragte ich also.

      Olaf lächelte langsam und spielte einer seiner langen dunklen Locken. „Nicht jeder ist so ein Frischluftfanatiker wie du... obwohl dir die zarte Röte sehr gut steht...“

      „Lass den Quatsch, es ist eben noch etwas kühl draußen. Wer hat denn jetzt was angestellt?“

      „Thilo, der Schnarchsack“, ereiferte sich Hubi. „Hat das Telefon schon wieder nicht bezahlt, und jetzt ist es abgestellt.“

      Thilo würde gut zu Petra passen, überlegte ich. „Reichen euch eure Handys denn nicht?“

      „Olaf kann einen Job kriegen, und wenn die ihn hier anrufen wollen und ihn nicht erreichen, ist der Job weg.“

      Ich verdrehte die Augen. „Mir ist ja klar, warum euch keine will, aber so ohne Frauen kommt ihr echt nicht durch den Alltag, was? Olaf, ruf da an und gib denen deine Handynummer. Und dann lad deinen Akku auf und merk dir, wo du das Handy hingelegt hast. Und dann prügelt ihr den guten Thilo mal so richtig durch. Nein, nein, danke, der Rat war kostenlos. Schönen Tag noch!“

      Ich knallte meine Tür zu, bevor Thilo sich auf mich stürzen konnte. Lebensunfähige Kerle!

      Was konnte das wohl für ein Job sein? Geklaute Zigaretten verticken? Koksbeutel schlucken und damit irgendwo hinfliegen? Luxusschlitten in den Ostblock fahren, von wo sie nie zurückkämen? Olaf mit seinem etwas schmierigen Charme war genauso ein Kleinganove wie Thilo, da war ich mir sicher – und mit einem notgedrungen abgebrochenen Geschichtsstudium war keine legale Karriere zu machen. Ein Archiv aufräumen? Das wäre ja Arbeit! Und schlecht bezahlt obendrein, ich hatte mal für einen Prof. gejobbt, bei den Romanisten: Bücher aus der Bibliothek holen, Bücher zurücktragen, kopieren, sortieren, verstaubte Akten sichten, beschriften und dann doch in den Schredder stopfen... vier Euro netto die Stunde und saublöde Arbeitszeiten. Das konnte ich mir bei Olaf nicht vorstellen. Vielleicht wollte er Pornos drehen? Hübsch war er ja, auf seine etwas ölige Art. Aber irgendwie hatte ich trotz seiner fiesen Komplimente immer das Gefühl, dass er eigentlich schwul war. Gut, von mir aus auch Gay-Pornos. Sollte er doch heftig verdienen und sich dann endlich mal eine Putzfrau gönnen, ich hatte den Madenmief immer noch in der Nase. Durch die Wand hörte ich tatsächlich ein Handy klingeln, aufgeregtes Sprechen (verstehen konnte man nichts, so windig war die Bude auch wieder nicht) und dann das Zuknallen der Wohnungstür. Olaf auf dem Weg in eine gesicherte Existenz... haha. Hubi fuhr ja wenigstens Bier aus (und klaute ab und an ein Tragerl, vermutete ich) und Thilo sah aus wie einer, der Hehlerware vertrieb. Apropos Hehler – Raubdrucker waren momentan wichtiger! Ich vertiefte mich ungern wieder in Greiffs jammervollen Briefwechsel und die Geschäftsunterlagen aus den härtesten Jahren und kam tatsächlich ein gutes Stück voran, so gut, dass ich sofort wieder eine Pause einlegen musste, um zu überlegen, bei wem ich mich im Rigorosum prüfen lassen wollte. Und was ich nachher machen sollte.

      Dumm, dass ich gar keinen einschlägigen Job hatte, ein Verlag oder so was sollte es ja eigentlich schon sein, nicht nur Ablagekrempel bei Weinzierl und EventMachine. Sandra war ja wirklich Betriebswirtin, also war sie bei Morberg auch gut aufgehoben. Apropos... ob sie sich von ihrem Blues wieder erholt hatte? Diese teuflischen Eltern! Das mussten jetzt schon bald zehn Jahre sein, dass sie nichts taten, als um Adrian zu trauern und ihre Töchter zu vernachlässigen!

      Jetzt konnte ich sie aber noch nicht anrufen, sie war sicher noch