Tödliches Monogramm. Elisa Scheer

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Название Tödliches Monogramm
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562591



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auch diesen Artikel aus – das mit dem jungen Mann stand dort auch schon. Jung, ziemlich groß und schmal, rotblond. Klang irgendwie vertraut: Wen kannte ich, der so aussah? Ich ging meinen Bekanntenkreis durch, kam aber nicht drauf. Edgar war außerdem eben noch ziemlich fit gewesen, und niemand würde ihn beschreiben, ohne diesen riesigen Adamsapfel zu erwähnen. Und die Mordsnase.

      Philipp (um Gottes Willen, wohin verirrten sich meine Gedanken?) war ebenfalls groß und schlank, aber seine Haare waren so dunkel wie meine, und er trieb sich nicht in öffentlichen Parks herum – bestenfalls fuhr er durch.

      Trotzdem, ich wählte schnell seine Nummer, und als ein verschlafenes Grunzen ertönte, legte ich schnell wieder auf. Verflixt, schon zehn vor zwölf? Das hätte ich besser gelassen. Dafür klingelte jetzt mein Telefon. „Was sollte das eben?“, fragte Philipp verschlafen, aber unverkennbar zornig.

      „Woher weißt du, dass ich das war?“, fragte ich verblüfft.

      „Rufnummernanzeige, du Huhn! Warum rufst du mitten in der Nacht an und legst dann wieder auf?“

      Peinlich.

      „Sorry – äh...“, ich beschloss, lieber die Wahrheit zu sagen, meine Lügengeschichten hatten noch nie Abnehmer gefunden, und zu anstrengend war mir das jetzt auch. „Ich hatte nur plötzlich Angst – der Tote im Prinzenpark, sie haben ihn doch immer noch nicht identifiziert... und irgendwie kommt mir die Beschreibung doch bekannt vor. Ich wollte nur sicher sein, dass du heil und gesund im Bett liegst.“

      Philipp lachte spöttisch. „Weil ich so rotblond bin, ja? Ja, ich hab das auch gelesen, man weiß ja nie, ob es nicht einen unserer halbseideneren Mandanten erwischt hat. Aber mir geht´s gut. Vielleicht einer deiner Exfreunde?“

      „Alex ist kein bisschen groß und schmal“, widersprach ich.

      „Und dieser – wie hieß er doch gleich? – dieser Herbert?“ Jetzt schien er endgültig wach zu sein.

      „Norbert“, korrigierte ich. „Kahl geschoren.“

      „Das kann sich in den letzten drei Jahren ja auch mal geändert haben.“

      „Nö, den hab ich letzte Woche von weitem in der Uni gesehen. Immer noch Billardkugel. Wenn er so denkt, wie er aussieht, kann ich froh sein, dass ich ihn los bin.“

      „Das gilt ja wohl für alle deine Verflossenen, oder? Schräge Truppe.“

      „Genau wie deine Exmiezen“, konterte ich wütend. „Teilen die sich eigentlich eine Gehirnzelle?“

      „Für meine Zwecke waren sie immer hinreichend“, antwortete er amüsiert. „Vorzeigbar und willig.“

      „Dumm fickt gut, was?“ Blöder Hund, und mit so was war man nun verwandt!

      „Keine Sorge, sollte ich mal ans Heiraten denken, such ich mir schon eine Gescheitere. Die Tussis amüsieren mich eben.“

      „Du bist wie Papa“, behauptete ärgerlich, und das traf ihn nun wirklich: „Nimm das sofort zurück! Ich hab noch nie eine angeschnauzt, weil sie angeblich doof ist! Ich mache keinen Terror!“

      „Ja, schon gut.“ Seine Erzählungen über die klugen Aussprüche seiner momentanen Bettgefährtinnen hatten mich schließlich auch schon erfreut – obwohl ich manchmal den Verdacht hatte, dass er einiges selbst erfunden hatte, so bescheuert konnte ein erwachsener Mensch nicht sein.

      Das half mir jetzt aber auch nicht weiter, denn die Beschreibung erinnerte mich keinesfalls an einen meiner Verflossenen. So viele waren das außerdem auch wieder nicht gewesen, und das sagte ich Philipp auch. Er gähnte. „Schön für dich. Freu dich an deiner Tugendhaftigkeit und geh endlich ins Bett. Alleine natürlich.“

      „Affe!“ Ich knallte den Hörer auf die Gabel. Rotblond, groß und schlank. Verflixt, wahrscheinlich hatte ich mir das nur eingebildet, so sahen ja viele aus. Und wahrscheinlich befasste ich mich bloß damit, um der Greiffschen Verlagsbuchhandlung und ihren Raubdruckerproblemen aus dem Weg zu gehen – keine Chance, ich wollte doch endlich an diesem Unileben raus!

      Entschlossen machte ich mich wieder an die Arbeit, aber um Mitternacht hatte ich auch nicht meine beste Zeit, so dass ich bald entnervt wieder aufgab.

      Als ich am nächsten Abend – deutlich früher – von der Uni, der Quellenjagd und den Archivarbeiten bei dem Wirtschaftsprüfer nach Hause kam, unzufrieden, weil ich es nachgerade satt hatte, nach Stunden bezahlt zu werden, hatte ich wieder eine Zeitung in der Tasche. Hatte ich schon jemals drei Tage nacheinander Zeitung gelesen, anstatt mir die Nachrichten im Radio oder Fernsehen reinzuziehen?

      Ich sank sofort auf meinen Stuhl und begann zu blättern. Da, da stand was. Keine Ermittlungsfortschritte, keine Hinweise auf einen Serientäter (mit höhnischen Kommentaren des entsprechenden Journalisten, schließlich bestritt die Polizei so etwas ja immer, auch wenn es für jeden denkenden Menschen offensichtlich war... Tatsächlich?), aber interessante Details, die im Interesse des Ermittlungsfortschritts nicht veröffentlicht werden sollten. Welcher Ermittlungsfortschritt? Handelte es sich um einen Ritualmord? Der Verfasser spekulierte munter drauflos, schien mir.

      Und identifiziert hatten sie den armen Jungen auch noch nicht. Groß, schlank, rotblond, blaue Augen, regelmäßige Züge, zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre alt, gesund... Himmel, vermisste den denn keiner? Das schien doch kein Junkie zu sein, der den Kontakt zu seiner Familie schon vor Jahren abgebrochen hatte! Der musste doch Kollegen haben, Kommilitonen, Freunde – den Eltern musste es noch nicht aufgefallen sein, dass er verschwunden war, überlegte ich.

      Wie lange würde es dauern, bis meinen Eltern so etwas auffiele? Wochen, wahrscheinlich. Papa würde die Achseln zucken, wenn ich verschwunden war. Und Mama würde sich nicht trauen, ohne Papas Genehmigung die Polizei zu verständigen. Philipp würde schließlich sagen Spinnt ihr? Natürlich melden wir Isi als vermisst, das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Zu diesem Zeitpunkt hätten Edgar und Dr. Weinzierl, der Wirtschaftsprüfer, sich aber schon längst gewundert. Und Sandra natürlich. Petra nicht, die würde höchstens denken, dass ich verreist sei und sie es nur vergessen habe.

      Ich konnte also auch schon ziemlich verwest sein, bevor nach mir gesucht würde. Unerfreuliche Vorstellung! Schützte einen eine feste Beziehung vor so etwas? Und was, wenn der treusorgende Ehemann auf Geschäftsreise war?

      Warum war so ein hübsches Kerlchen aber so alleine, dass ihn keiner vermisste? Konnte man davon ausgehen, dass er alleine gewohnt hatte und nicht etwa in einer WG, wenn es so lange dauerte, bis einer nach ihm suchte?

      Himmel, WG! Jetzt wusste ich, an wen mich die Beschreibung erinnerte! Thilo sah genauso aus – was, wenn das Thilo war, und Olaf und Hubi mal wieder träge herumhingen, anstatt etwas zu unternehmen?

      Ich rannte nach nebenan und klingelte Sturm. Hubi riss die Tür auf und knurrte. „Was ist jetzt wieder? Wir haben weder die Musik zu laut noch qualmen wir was Illegales. Was willst du jetzt wieder?“

      Äh, ja. Wie sagte ich das jetzt am besten? „Ist Thilo da?“

      „Nö.“

      Sehr verdächtig! „Und, wo ist er?“

      „Weiß ich doch nicht. Stehst du jetzt auf den? Vergiss es, der mag junges Gemüse, und so frisch bist du auch nicht mehr.“

      Hubis spezieller Charme weckte wie immer in mir den Wunsch, ihm eins überzubraten, vorzugsweise mit einem Pflasterstein. Hinter ihm tauchte Olaf auf, wie üblich halbnackt und mit dem ebenfalls üblichen trägen Lächeln. „Welch Glanz an unserer Tür! Was können wir für dich tun, schöne Frau?“

      „Schmierlappen“, blaffte ich. „Ich will bloß wissen, wo Thilo ist!“

      „Thilo?“ Er zog ein enttäuschtes Gesicht. „Wieso Thilo? Ich dachte immer, meine Reize zögen dich vor unsere Tür?“

      „Lass das Geschleime. Wo ist Thilo?“

      „Was hat er denn jetzt wieder angestellt, unser Möchtegern-Capone?“

      „Sie steht bloß auf ihn“,