Tödliches Monogramm. Elisa Scheer

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Название Tödliches Monogramm
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562591



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die nichts mehr taugten, verdrehte Nähte, dämliche Aufschriften, hässliche Farben, mehr breit als lang. Bestenfalls zum Schuheputzen zu verwenden, aber da genügte mir mein Schnellglanzschwamm.

      Schließlich verlor ich die Lust; ein flüchtiges Herumwühlen verriet mir, dass keine besondere Beute mehr zu erwarten stand. Und außerdem wackelten mal wieder die Wände, weil die Maden Weißgottwas feierten. Anscheinend hatte Olaf seinen obskuren Job tatsächlich ergattert.

      Und schon wieder diese Scheißmusik! Im Wohnzimmer war es geradezu unerträglich, die Bässe hämmerten auf eine Art, die einem Herzrhythmusstörungen bescheren konnte, und das dumpfe Gegröle im Hintergrund klang irgendwie nach Rammstein und die mochte ich schon gar nicht. Na, außer Steh auf, wenn du am Boden bist, das hatte was – sofern man das Gebrüll verstand. Aber irgendwie kamen die mir braun vor, und deshalb durfte man sie ja anstandshalber gar nicht mögen. Egal, das, was da jetzt lief, konnte man auch nicht mögen, das war einfach schlecht. Diese Maden! Kein Geld, kein Job, kein Hirn, kein Aussehen – und kein Musikgeschmack... eigentlich konnten sie sich genauso gut gleich erschießen.

      Ich wütete eine Zeitlang vor mich hin, saugte Staub, um das Gegröle mit Gejaule zu übertönen, hämmerte an die Wand, holte die Wäsche wieder nach oben (hach, diese edle Stille im Keller, fast klösterlich!), hängte sie fluchend im Schlafzimmer auf, obwohl die Sachen alle wieder recht schön geworden waren, hämmerte an die Wand, spülte laut klappernd Geschirr, hämmerte an die Wand, drehte Irish Folk bis zum Anschlag auf und wieder runter, weil die Bässe wirklich das Haus vibrieren ließen und griff schließlich wutentbrannt zum Schlüssel.

      Dieses Mal öffnete Olaf, nachdem ich mindestens zehn Minuten lang den Finger auf die Klingel gepresst hatte. Heute gefiel er sich in bestickter Baumwolle, bis zu Taille offen. Ich starrte uninteressiert auf seine weißliche Brust und schaute ihm dann so zornig wie möglich ins Gesicht. „Könnt ihr den Scheiß nicht mal halblaut hören? Das ganze Haus wackelt!“

      „Hallo, Isi. Du bist ja richtig spießig geworden! Ist jetzt Ruhezeit oder was? Irgendwie niedlich...“ Er fasste mir mit einem Finger unters Kinn, und ich schlug seine Hand routiniert weg. „Lass den Quatsch. Das Zeug ist einfach scheußlich, und vielleicht möchten andere Leute auch mal was anderes hören.“

      „Aber nicht dein Guinness-Gefiedel, das ist so was von unterirdisch. Süße, dein Musikgeschmack ist einfach zum Weinen.“

      „Hör mal, Süßer“, begann ich drohend, aber da wurde Olaf von Thilo beiseite gedrängt, der sofort nörgelte: „Isi, jetzt lass uns doch mal in Ruhe! Das ist kaum Zimmerlautstärke, was willst du eigentlich?“

      Das Flurfenster klirrte bestätigend von der Resonanz. „Ja, wie du sagst“, pöbelte ich. „Ich war ja ziemlich froh, dass dir nichts passiert ist, aber so wie ihr euch aufführt, würde ich euch allen dreien keine Träne nachweinen.“

      „Was hätte mir denn passiert sein sollen?“, fragte Thilo mäßig interessiert. „Mensch, Olaf hat einen Job! Da soll man nicht feiern, oder was?“

      „Was denn für einen?“, fragte ich, nun doch abgelenkt. Ob er die Pornorollen zugeben würde? Olaf lächelte diabolisch – oder was er wohl für diabolisch hielt. „Bisschen dealen“, säuselte er dann.

      „Na toll“, reagierte ich kaum verwundert.

      „Was?“, rief Thilo, „Mir hast du gesagt, du hilfst alten Damen über die Straße!“

      „Blond und über achtzehn, was?“, giftete ich. Olaf grinste noch breiter. „Und Hubi glaubt, ich sei unter die Hacker gegangen. Schließlich wollte ich doch eure Erwartungen nicht enttäuschen. Aber Thilo, du bist wirklich am leichtesten reinzulegen.“

      „Und was machst du jetzt wirklich?“, bohrte ich weiter.

      „Geht euch gar nichts an. Gut bezahlt, das ist die Hauptsache.“

      „Wahrscheinlich Zuhälter“, grummelte ich und erntete ein strahlendes Lächeln. „Ja, wahrscheinlich. Was war das vorhin? Thilo hätte was passiert sein sollen? Bist du deshalb vor ein paar Tagen so aufgelöst hiergewesen?“

      Ich nickte, etwas verlegen. „War aber nichts – bloß, die Beschreibung von der Prinzenpark-Leiche, und dann war der Junge auch noch nicht identifiziert, und es hörte sich an wie Thilo...“

      Thilo wurde bleich. „Welche Prinzenpark-Leiche?“

      „Na, hast du das nicht gelesen?“, fragte ich verblüfft, als läse ich den MorgenExpress regelmäßig von vorne bis hinten. „Ein junger Mann, maximal fünfundzwanzig, schlank, rotblond...“

      „Solche gibt´s doch viele“, wandte Thilo ein, aber er hatte einen angespannten Zug um die Lippen. Geradezu verkniffen. „Eben“, fand Olaf. „So spannend war das nun auch wieder nicht, sonst hätte ich´s dir gezeigt.“

      „Und wie ist der umgebracht worden?“, fragte Thilo weiter.

      Ich zuckte die Achseln. „Stand nicht dabei. Ich bin mal zufällig am Tatort – wenn´s der Tatort war und nicht bloß der Fundort – vorbeigekommen. Da, wo nach der Biegung diese pseudojapanische Holzbrücke kommt.“

      „Weiß schon“, nickte Thilo.

      Olaf lachte etwas hämisch. „Zufällig... und wie sie sich auskennt, unsere Hobbydetektivin! Tatort und Fundort... liest du zufällig auch manchmal Krimis?“

      „Na und?“, fauchte ich ihn an. „Was liest du denn so? Hermetische Lyrik?“

      „Aber gewiss doch“, antwortete er glatt. „Und humanistische Schuldramen, aber natürlich nur im Original. Nein, Quatsch, nur Anweisungen, wie man einen Joint dreht. Und Erlebnisberichte aus dem Rotlichtmilieu, um an Karrieretipps zu kommen. Das denkst du doch?“

      „Wenn du denkst, dass ich über dich nachdenke“, schnappte ich, „hast du dich geschnitten. Dafür ist mir die Zeit zu schade, vielen Dank.“

      Trotzdem staunte ich – woher wusste der denn was über humanistische Schuldramen? Aus einem historischen Proseminar? Den hatten sie an der Uni doch gefeuert! Thilo starrte vor sich hin. „Andere Sorgen habt ihr nicht? Weiß man jetzt, wer das Opfer ist?“

      „Ein Tobias Irgendwas“, antwortete ich. „Student, glaube ich. Vierundzwanzig oder so. Wieso, vermisst du einen Bekannten?“

      „Quatsch“, fuhr er mich an. „Aber die Beschreibung klingt tatsächlich ähnlich.“

      „Als nächstes wirst du dasitzen und sagen Garantiert war ich in Wirklichkeit gemeint, ich brauche Polizeischutz“, spottete Olaf und nahm ihn am Ellbogen. „Komm jetzt, du brauchst ein Bier, dann vergisst du den Blödsinn gleich wieder. Du spinnst ja schon genauso wie Isi, aber was bei ihr charmant wirkt, wirkt bei dir bloß albern.“

      Ich verpasste ihm einen Tritt ans Schienbein. „Du frauenfeindlicher Sack! Bei Frauen ist Dummheit wohl sexy, oder was? Dabei weiß jeder, dass Männer die Doofen sind. Und früher sterben und nichts geregelt kriegen.“

      „Wozu auch?“, fragte Olaf freundlich und schloss die Tür bis auf einen Spalt. „Dafür gibt´s ja schließlich euch, wozu sollten wir euch sonst halten?“ Die Tür fiel ins Schloss, bevor ich ihn noch mal treten konnte – und die Musik war auch nicht leiser geworden. Blöder Hund! Aber Thilo war tatsächlich erschrocken, glaubte ich. Ob er jetzt tatsächlich glaubte, er sei gemeint gewesen? Dann musste er richtige Feinde haben, nicht nur so Leute wie mich, die ihn für einen lästigen Kleinganoven hielten und ihn bei Gelegenheit ein bisschen ärgerten.

      Damit hatte ich den Prinzenpark-Mord hinsichtlich seines Unterhaltungswerts aber wirklich bis zum Letzten ausgeschlachtet, also konnte ich ihn langsam ad acta legen. Na, vielleicht gucken, ob noch was nachkam. Aber nicht mehr darüber nachdenken!

       V

      Ende Mai beschloss ich im Vollgefühl meiner Tugend, wieder einmal meine Eltern zu besuchen und sogar Papa dabei nicht aus dem Weg zu gehen. Schließlich hatte ich das Referat gehalten (und war direkt