Tödliches Monogramm. Elisa Scheer

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Название Tödliches Monogramm
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562591



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hatte ich noch, und sonst brauchte ich nichts.

      Reinigung, Optiker, Tierfutter, Möbel. Oh, Möbel! Im Fenster war ein wirklich schickes Arbeitszimmer aufgebaut, die Möbel aus poliertem Stahl und Kirschbaumholz. Schön warmer Ton, es sah richtig gemütlich aus. In so einem Zimmer konnte man nächtelang forschen!

      Ich seufzte neidisch, aber dann fiel mir ein, dass mich auch das schönste Arbeitszimmer nicht vor der Madenmusik und meiner eigenen Unlust schützte: Ich würde nirgendwo nächtelang forschen, ich würde immer nach Gründen suchen, von diesem Traumschreibtisch aufzustehen. Wahrscheinlich brauchte ich die Arbeit in einem Büro, wo auch jemand meine Arbeitsleistung bewunderte; zu Hause musste ich mich für meine Ausweichtaktiken ja auch nicht weiter genieren. Trotzdem, ich sollte zu Hause weiter aufräumen, beschloss ich und ging weiter, nicht ohne eine makellos schöne Küche (Edelstahlfronten ohne einen einzigen fettigen Fingerabdruck!) zu bewundern. Und abspülen.

      Jetzt kamen ohnehin nur noch doofe Läden, eine Fahrschule, ein wahnsinnig stylish aufgemachter Blumenladen mit dem wahnsinnig originellen Namen La Fleur und noch ein Optiker, dieses Mal von der bekannten Billigkette.

      Wonach entschied es sich eigentlich, ob jemand, der voll unangebrachtem Optimismus ein Ladenlokal mietete, sich für einen englischen oder einen französischen Namen entschied? Hing das von der Art der feil gebotenen Waren ab? Oder vom angestrebten Image? Von der Gegend? Von den Sprachkenntnissen des Inhabers? Englische Parfümerien fielen mir keine ein, aber dafür auch keine Technikangebote mit französischen Namen. Wahrscheinlich hing es davon ab, ob man die Globalisierung und die vernetzte Welt oder das klassische Savoir Vivre ansprechen wollte... Ich war eigentlich ziemlich gut, dass ich über solche sprachtheoretischen Phänomene nachdachte, fand ich. Eben doch mit Leib und Seele Wissenschaftlerin! Schließlich hätte ich ja auch überlegen können, was ich heute Abend noch essen wollte. Oder was ich im Haushalt noch machen musste... okay, hatte ich auch, ein kleiner Putzteufel schlummerte eben auch in mir.

      Kalt war es – unter Ende Mai stellte man sich eigentlich etwas Schöneres vor! Ab und zu gaben die Wolkenfetzen vor dem noch nicht ganz nachtdunklen Himmel einen blassen, fast vollen Mond frei, der schon begann, eigenartige Schatten auf das feuchte Pflaster zu malen. Immerhin sahen die frisch belaubten Bäume in diesem penetrant gelben Laternenlicht sehr unwirklich und sehr eindrucksvoll aus. Dass man so etwas nicht fotografieren konnte!

      Ein Mann kam mir entgegen, der mich vage an jemanden erinnerte, aber ich kam zunächst nicht darauf, an wen. Kurzgeschorene Haare, dunkel, Parka, Jeans, Brille mit Wassertröpfchen darauf, zusammengezogene Augenbrauen... Ich gab verlegen einen vage grüßenden Laut von mir, denn bestimmt war das ein Kunde von EventMachine oder von Weinzierl, und solche Leute waren ja immer stinkbeleidigt, wenn man sie nicht auf Anhieb wieder erkannte. Blödsinn, tadelte ich mich an der nächsten Ecke, diese Kunden würden mich doch auch nie auf der Straße erkennen. Und wenn, wüssten sie auch nicht, wo sie mich hintun sollten. Das war doch wie Zahnarzt ohne Kittel oder Kassiererin im Anorak!

      Und damit war ich auch schon wieder zu Hause, wo ich mich gleich auf mein gelinde unordentliches Badezimmer stürzte, um alles für das Arrangement der Symphonie in gelbgrün vorzubereiten. Dabei fand ich mindestens zehn lose, aber noch tadellos eingeschweißte Tampons (auch nicht schlecht, wieder Geld gespart), das doofe Deospray, das zwar gut duftete, aber so schwach wirkte, dass man ab Mittag eindeutig schweißelte, mehrere leere Klopapierrollen, die hinter das Klo gefallen waren, einige uralte Klamottenkataloge, die ich auf dem Klo zu lesen pflegte (unfeine Gewohnheit, aber so brav wollte ich nun auch wieder nicht sein, dass ich beim Morgengeschäft fromm vor mich hinschaute wie ein kackender Schäferhund) und drei Shampooflaschen, in denen sich nur noch Reste befanden. Drei verschiedene, natürlich.

      Ich sammelte die Tampons ein, warf die Klopapierrollen weg, versprühte das Deo zur Hälfte im Bad und zur anderen Hälfte auf den Schlafzimmergardinen, warf die leere Spraydose ebenfalls weg, arrangierte die Kataloge etwas unauffälliger, wischte diese Mischung aus Hautöl, ausgekämmten Haaren, Zahnpastaspritzern und Waschlotion von der Ablage und vom Spiegel, saugte und wischte den Boden, steckte den Badeteppich zusammen mit einem Schwung Handtücher in die Waschmaschine im Keller und polierte die Kacheln.

      Gar nicht schlecht, fand ich dann und machte mich über die Küche her, wo ich mich aber darauf beschränkte, herumstehenden Krempel, wie selten gebrauchte Gewürze, Teedosen, Schüsselchen und Teebecher in einen Oberschrank zu stellen und die nun leere, aber verfleckte und klebrige Arbeitsplatte auf Hochglanz zu polieren, bis das Marmorimitat, das mein Vermieter anscheinend ganz toll gefunden hatte, wie neu schimmerte – und der Edelstahl von Herd und Spüle auch. Toll. Wie im Küchenprospekt! Fast, in Küchenprospekten hingen keine Handtücher am Haken, mit denen ich mal eine schlecht gespülte Steakpfanne ausgewischt hatte. Bäh!

      So, jetzt war´s aber wirklich perfekt. Solange man nicht auf den Boden guckte, hieß das. Na gut, bis die Maschine fertig war, konnte ich auch den Küchenboden noch wischen. Mal so richtig mit Kraft.

      Das Grau des Plastikbodens wirkte gleich etwas heller als vorher. War es der neue Job oder das abschreckende Beispiel der Maden in ihrer Stinkbude, was mich so arbeitswütig werden ließ? Oder der Wunsch, mich von der schusseligen Petra abzuheben?

      Auf jeden Fall reichte es jetzt, beschloss ich, als ich die Handtücher und den Badeteppich (wieder strahlend weiß!) zum Trocknen aufgehängt hatte.

      Leider stank es im Schlafzimmer jetzt ziemlich penetrant nach diesem Deo, wahrscheinlich musste ich gründlicher lüften oder die Vorhänge waschen. Heute nicht mehr! Und die Mappe mit den Zeitungsausschnitten zum Prinzenparkmord konnte ich auch mal verräumen, da ging ja nichts voran. Jedenfalls hatte ich nicht gehört, dass die Polizei irgendwas erreicht hatte, einen Verdächtigen verhaftet, nennenswerte Spuren entdeckt oder sonst etwas geboten hätte. Ich ignorierte das fortdauernde Gewummer von nebenan, hängte mir ein wunderbar geschäftsmäßiges Outfit an die Schranktür und ging ins Bett.

       VII

      Die Vorlesung war gar nicht so schlecht gewesen, fand ich am nächsten Vormittag, als ich, eine trockene Semmel kauend, mein Fahrrad von einem der Bäume hinter der Uni loskettete. Ziemlich brauchbare Fakten und zwei Tipps, die ich für meine Arbeit nutzen konnte und schon nachgeschlagen hatte. War ich nicht gut?

      Jetzt auf zum Drogeriemarkt und dann zur Arbeit – um halb zwei sollte ich bei W&L sein! Ich schwang mich aufs Fahrrad und musste schon an der nächsten Ecke scharf bremsen, weil ich beinahe einen Mann angefahren hätte. Hoppla, den Kerl, der mich jetzt so giftig anfunkelte, kannte ich doch? War das nicht der Typ, den ich gestern so freundlich gegrüßt hatte, weil ich nicht wusste, wie ich ihn einordnen sollte? Heute im Anzug, sehr elegant. Und mit Aktentasche. Gutes Gesicht übrigens, aber miesepetrig.

      „Sorry“, fauchte ich, „aber Sie hatten Rot!“

      „Sie könnten auch gucken, wo Sie hinstrampeln“, schnauzte er zurück, sah mich mit einem merkwürdig durchdringenden Blick an und ging weiter. Ich sah ihm nach, wie er einige Leute grüßte, die ihm entgegenkamen und die ihn richtig schleimig anlächelten. Örtlicher Chef oder so? Vielleicht vom Jeansladen an der Ecke? Musste so einer dann nicht seine eigenen Jeans tragen? Und zu möglichen Kunden netter sein? Immerhin hatte ich im Horizont auch schon mal was gekauft – aber in letzter Zeit nicht mehr, das Zeug hatte wirklich eine mäßige Qualität.

      „Willst du hier übernachten oder was?“, raunzte jemand von hinten, und ich stieg wieder aufs Fahrrad. Man traf jemanden ja immer dreimal, hieß es. Dann würde ich diesen Kerl ab jetzt nie wieder sehen.

      Auch gut, der schien ja arg finster drauf zu sein. Aber ein wirklich gutes Gesicht: lange, schmale Nase, energisches Kinn, hübscher Mund. Ein bisschen faltig vielleicht. Jung war der nicht mehr, er wurde ja auch schon ziemlich grau. Typisch für die dumme Isi, ärgerte ich mich beim Weiterradeln, verguckt sich in einen, den sie a) nicht kennt, der b) zu alt ist und der c) sie nicht leiden kann. Aber der Typ hatte mir irgendwie schon gefallen.

      Wer gut Deutsch kann, sagt nicht irgendwie. Was hatte mir an dem Mann eigentlich so ins Auge gestochen – das Gesicht? Die langen Beine? Solche gab´s doch wie Sand am Meer,