Tödliches Monogramm. Elisa Scheer

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Название Tödliches Monogramm
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562591



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      „Gute Idee“, fand Xenia. „Und wann wir es wieder zurückgeschickt haben. Aber das geht nur, wenn wir das Zeug auch zu sehen kriegen!“

      „Wir werden in uns gehen und uns bessern“, gelobte Falkenstein und grinste wieder frech. Ich schluckte mühsam den Sabber herunter und versuchte, cool dreinzuschauen. „Vergiss es“, sagte Xenia, als sich die Tür wieder geschlossen hatte. „Der ist nichts für dich.“

      „Was? Ich verstehe nicht...“, log ich.

      „Ach, komm. Jede schmilzt dahin, wenn Alexander auftaucht, aber der ist schon vergeben.“

      „Sind solche Männer doch immer“, murrte ich, den roten Kopf in einer Ablageschublade. „Und er ganz besonders. Aber schon so was von verheiratet – der sieht nichts außer seiner Andrea und seinen Kindern.“ Natürlich. Nicht mal die Sorte Meine Frau versteht mich nicht! Die tollen Männer hatten immer die anderen. Der sah wenigstens nicht so aus, als würde er seiner Frau täglich erzählen, wie bescheuert sie war, und die Kinder anbrüllen.

      „Wie viele Kinder hat er denn?“

      „Dreieinhalb. Das vierte müsste jeden Tag kommen. Die anderen bringt er manchmal mit, die sind nett. Sechs und Vier, und ganz vernünftig.“

      „Sechs und vier? Und das dritte?“

      „Sechs sind Zwillinge. Gib mal die Briefe her, die gehören auch noch in den Ordner hier. Und danach darfst du diese Liste anlegen, vielleicht kommt hier jetzt endlich mal Zug rein. Ablage und Sekretärin, und dann diese schlampigen Kerle – Scherer ist ja auch nicht besser. Der wäre übrigens noch solo...“

      „Der mit der Brille?“ Da fiel es mir schon leichter, lässig zu wirken.

      „Nö, lass stecken.“

      „Und den Schneckenberger hätten wir auch noch. Der kommt bestimmt auch noch vorbei und sucht was.“

      „Ekliger Name“, fand ich.

      Xenia grinste und klappte den letzten Ordner zu, dann schaute sie mir über die Schulter, während ich eine Tabelle anlegte und allgemein zugänglich speicherte, aber so, dass nur wir beide daran arbeiten durften.

      „Alexander, Scherer und Schneckenberger bringen bloß wieder alles durcheinander. Große Jungs, aber eben bloß Jungs. Machen nur Unsinn!“

      „Kriegst du eigentlich einen Jungen oder ein Mädchen?“, fragte ich neugierig. „Einen Jungen, den Fotos nach. Magnus ist schon ganz aus dem Häuschen. Über den Namen streiten wir uns noch. Magnus will Julian, ich fände ja Anatol ganz gut. Anatol Kasparek, klingt doch toll, oder?“

      „Hm“, machte ich, um Takt bemüht, „dann wollen wir ihm mal nette Klassenkameraden wünschen.“

      „Ach, du! Genau das hat Magnus auch gesagt. Julian ist mir zu spätantik, immer diese römischen Namen...“

      „Gaius?“

      „Schon gut!“

      „Cornelius ist eigentlich ganz nett... im strengen Sinne kein Vorname, aber mir würde er gefallen.“

      „Cornelius ist gut, ja. Und Magnus, Claudius und Julius tragen auch Familien- oder Beinamen, darüber hat mich mein Schwiegervater schon aufgeklärt. Fällt dir noch was ein?“

      „Tiberius – nein, idiotisch... Titus! Titus ist eigentlich ganz nett, finde ich. Und so hat schließlich auch ein Kaiser geheißen, ein guter obendrein, so häufig waren die ja auch nicht.“

      „Ach herrje, eine Historikerin. Schon wieder!“

      „Nein, nur Leistungskurs und Leseratte. Ich mach Germanistik, Komparatistik und Französisch. Hab ich gemacht, fürs Rigorosum nehme ich bloß noch NdL, Mediävistik und Komparatistik. Französisch nervt irgendwann, finde ich.“

      „Mensch! Kannst du übersetzen?“

      „Klar“, antwortete ich erstaunt. „Endlos viele blöde Kurse. Ach, du meinst, einen Roman? Naja, hab ich noch nie probiert, aber warum nicht?“

      „Das sag ich Scherer, dem ist jemand abgesprungen. Oder hast du was gegen Extrakohle?“

      „Nie! Bloß, ob ich so viel Extrazeit habe... na, wird schon gehen. Übrigens, der Regency-Roman hat was, das ist die komplette Verarsche dieses Kitsch-Mainstreams. Total lustig. Ein bisschen wie Georgette Heyer, aber viel abgedrehter. Ich denke, das sollte sich noch jemand anschauen.“

      „Du schreibst ein Erstgutachten, und wir packen es Alexander auf den Tisch. Rache für die ominöse Kiste!“ Mein zweiter Arbeitstag, und ich war zur Lektorin und Übersetzerin avanciert – ohne Vorkenntnisse! Schade nur, dass die schönsten Männer immer so unerreichbar waren.

       Juni 2004

       I

      Das Glück schien mir weiterhin hold zu sein – bei W&L wurde mein Urteil schon nach der ersten Arbeitswoche geschätzt; Xenia und ich brachten die Ablage so richtig in Ordnung und tüftelten gemeinsam einige arbeitssparende Verfahren aus. Außerdem nötigten wir den Schlampern das Versprechen ab, nichts mehr bei uns zu verstecken, sondern uns sämtliche eingehende Manuskripte und sonstige Post offen hinzulegen, sofern sie sie nicht selbst zu erledigen gedachten.

      „Und erledigen bedeutet nicht, das Zeug einfach unter einen Stapel zu stopfen und es dann zu ignorieren!“, fügte Xenia erbittert hinzu.

      Ich bastelte zu Hause, wenn ich nicht gerade weiter etwas stockend an meiner Arbeit schrieb, an dieser Übersetzung aus dem Französischen und entdeckte zu meiner Verblüffung, dass mir die Sache direkt Spaß machte, sie allerdings recht schundig bezahlt wurde. Dazwischen las ich Manuskripte, damit sie schnell weitergeleitet werden konnten, telefonierte mit Petra, die immer noch ihren Doch-nicht-Chef anbetete, obwohl er sich natürlich als verheiratet entpuppt hatte, schrie einmal täglich die Maden an, weil sie Krach machten und/oder das Treppenhaus verstänkerten, und pusselte in meiner Wohnung herum, die mittlerweile richtig gepflegt wirkte.

      So konnte es weiter gehen, fand ich. Damit, dass Falkenstein ein begeisterter Familienvater war, hatte ich mich abgefunden, auch wenn er nicht nur schön, sondern auch furchtbar nett war. Irgendwo gab es so was auch für mich, da war ich sicher. Und soo dringend war die Frage schließlich auch noch nicht. Meine ersten Einkünfte nutzte ich, um mein Konto ins Plus zu bringen; außerdem verkaufte ich alle Bücher, die ich nicht mehr mochte, in der Lesefabrik und brachte das doofe Goldarmband von meiner Großmutter väterlicherseits (der alten Hexe, die Papa zu dem Widerling gemacht hatte, der er jetzt war) zu einer Ankaufstelle. Immerhin, zweihundertfünfundzwanzig Euro! In meinem finanziellen Überschwang richtete ich mir gleich ein kleines Depot ein. Vielleicht wurde ich eines Tages noch reich, wenn ein neuer Börsenboom kam?

      Den Prinzenpark-Mord hatte ich weitgehend vergessen, und mir schien, die Polizei und die Presse auch, jedenfalls hörte man nichts mehr davon, dabei war es jetzt ziemlich genau einen Monat her.

      Thilo hatte sich bei W&L nicht blicken lassen, genau wie Philipp es prophezeit hatte, er schlich abwechselnd gedrückt herum oder war in Hochstimmung, weil seine Sorgen angeblich bald ein Ende haben sollten. Olafs fünfzig Euro hatte er allerdings immer noch nicht zurückgezahlt, und immer, wenn ich nach Hause kam und die Madentür zufällig offen stand, hörte ich, wie die beiden sich stritten, untermalt von Hubis gereiztem Brummen. Hubi wollte wahrscheinlich in Ruhe fernsehen nach einem harten Tag mit Biertragerln und nicht hören, wie Olaf Thilo zu erziehen versuchte.

      Ein Esel schimpft den anderen Langohr, dachte ich mir dabei regelmäßig und hielt mir den schleimigen Olaf, das Hemd über der weißen Brust bis zur Taille offen, die dunklen Haare zu lang, das Lächeln ölig, vor Augen: War er denn besser, er mit seinem obskuren und garantiert halb kriminellen neuen Job? In einem Verlag war er jedenfalls nicht tätig!

      Wenn ich nicht aufpasste, wurde ich noch zur totalen Pharisäerin.

      Heute war es drüben erstaunlich still, die Tür war zu, und im Treppenhaus stank es