Tödliches Monogramm. Elisa Scheer

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Название Tödliches Monogramm
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562591



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Die zahlen dir doch keine Ablöse für mich!“

      „Nee, aber sie feuern dich. Eine Exnutte wollen die bestimmt nicht.“

      Bevor ich fragen konnte, was er denn davon hätte (er würde es ja doch nicht machen), hatte Olaf ihm kräftig eine geknallt. „Wenn du dich auch nur in der Nähe dieses Verlags sehen lässt, schlag ich dich krankenhausreif“, drohte er Thilo, der jammernd seine Nase hielt: „Du hast mir die Nase gebrochen! Ich zeig dich an! Du wanderst in den Knast!“

      „Dann sag ich, was du hier eben abgezogen hast!“ Olaf als Retter der Schwachen und Bedrängten – das taten sich ja ganz neue Seiten auf!

      „Machst du ja doch nicht. Au, Au... jemand muss den Notarzt holen!“

      „Steck den Kopf unter kaltes Wasser, das schadet dir sowieso nicht, du müffelst“, riet ich ihm herzlos. „Du brauchst keinen Notarzt, nur einen Tritt in den Arsch.“

      „Unterlassene Hilfeleistung“, zischte Thilo neben seiner schützenden Hand hervor. Olaf riss die Hand weg. „Du blutest ja nicht mal, du elender Hypochonder!“

      „Trotzdem, du kriegst Ärger. Was, wenn ich deinem Chef erzähle, was du eben gemacht hast?“

      „Dann bekomme ich wahrscheinlich Glückwünsche und eine Gehaltserhöhung“, vermutete Olaf gelassen. „Und was hättest du bitte davon, wenn Isi deinetwegen ihren Job verliert?“

      „Dann ist sie beim nächsten Mal nicht mehr so zickig, ganz einfach.“

      Ich war sprachlos. „Sag mal, das klingt ja nach echter Routine beim Erpressen! Du bist ja eine noch miesere Ratte als ich dachte! Dass dich noch keiner umgelegt hat?“ Zu meiner Verblüffung wurde er so bleich, dass ich schon dachte, Olaf hätte doch härter zugeschlagen als angenommen.

      „Was ist jetzt wieder?“, fragte Olaf ungeduldig. „Und fang nicht mit so einem Scheiß an, dass Isi dich bedroht hätte, das glaubt hier keiner! Du bist weiß wie die Wand, und der Kreislauf ist es nicht, so was hast du doch gar nicht.“

      Weiß wie die Wand war eher schmutzig beige, Thilo war heller als die Wand, eindeutig. Und Olaf war anscheinend echt sauer, er hatte seine manierierte Sprechweise ganz vergessen.

      „Ach, nichts“, murmelte Thilo und markierte wieder mit der Hand auf der Nase den Leidenden, dann sah er mich an: „Wenigstens Fünfzig?“

      „Keinen Cent.“

      „Aber wie soll ich sonst Olaf das Geld zurückgeben?“

      „Der prügelt das schon aus dir raus, da hab ich keine Angst“, fertigte ich ihn ab und verzog mich in meine Wohnung. Dieser miese kleine Erpresser! Eigentlich sollte ich ihn anzeigen, aber noch war das eine Bagatelle, leider. Mit so etwas ärgerten die Bullen sich bestimmt nicht gerne herum.

      Am liebsten hätte ich jetzt Sandra angerufen, aber bei ihr nahm niemand ab. Na, hoffentlich war sie mit Florian zusammen oder machte sonst etwas Schönes, ließ sich aber nicht von ihren Eltern nerven!

      Konnte ich diesen kleinen Scheißer eigentlich anzeigen? Eine nahe liegende Gedankenverbindung ließ mich Philipps Nummer wählen, und Philipp war auch tatsächlich da und anscheinend nicht mit einer seiner langbeinigen und hirnlosen Bräute beschäftigt.

      „Kannst du, sicher“, meinte er, nachdem ich empört herausgesprudelt hatte, wie sich Thilo wieder aufgeführt hatte. „Du kannst auch warten, bis er sich bei deinem Verlag – Glückwunsch, übrigens, das scheint ja wirklich mal ein richtiger Job zu sein, mach was draus! – in die Nesseln gesetzt hat und ihn dann wegen Verleumdung verklagen. Aber glaubst du, er macht das wirklich?“

      „Keine Ahnung. So pleite, wie er ist, greift er wohl zu jedem Mittel, außer zu dem, sich einen Job zu suchen. Diese Laus!“

      „Komischer Kerl. Ich hab ihn ja nur einmal gesehen, damals, als ich mit dir dieses Regal reingetragen habe, weißt du noch? Da hat er sich aufgeführt wie Graf Rotz, nie würde er sich was von Ikea reinstellen.“

      „Alberner Angeber, bei denen reicht´s doch nicht mal für ein paar Billys. Er hat am Anfang immer so getan, als wäre er weiß Gott wie reich, dabei hat er gar nichts. Zumindest nicht genug, um so lässig in den Tag hinein zu leben.“

      „Was macht er eigentlich? Ich meine, kein Job, kein gar nichts... Stütze? Studium? Reiche Eltern?“

      „Studium und reiche Eltern, denke ich. Aber was er studiert – äh. Keine Ahnung. Von irgendwas muss er leben, und ich hab ihn auch schon mal an der Uni gesehen... Vielleicht Jura, er weiß immer genau, wann sich andere strafbar machen, aber mir kann man da ja auch alles erzählen. Eben hat er jedenfalls mit Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung rumgekräht, dabei hat Olaf ihm doch bloß eine geknallt, und seine Nase hat nicht mal geblutet.“

      „Unterlassene Hilfeleistung bei dem scheint mir eher zu sein, wenn man ihn nicht so lange prügelt, bis er sich bessert“, knurrte Philipp. „Mach dir keine Sorgen, Isi. Lass ihn quatschen, und wenn es bei deinem Verlag wirklich irgendwelchen Stress geben sollte, vertrete ich dich. Du kannst ja schon mal vorbauen, erzähl denen, wo du wohnst und was du für gruselige Nachbarn hast.“

      Unbefriedigend.

      Als ich aber am nächsten Morgen Xenia beim friedlichen Entrümpeln der Hängeablagen von Thilo erzählte, der jeden zu erpressen versuchte, der nicht bei drei auf dem Baum war, lachte sie bloß. „Leute gibt´s! Wir wohnen immer noch im Bonifatiushof, da sind sicher auch ein paar solche Gestalten untergekrochen. Hast du ein Foto von ihm? Dann geben wir´s am Empfang ab, und wenn er wirklich kommt, setzt ihn der Sicherheitsdienst sanft, aber nachdrücklich vor die Tür.“

      „Nachdrücklich ist gut“, fand ich, „aber bitte so unsanft wie juristisch gerade eben noch vertretbar. Also, wenn er zufällig eine Treppe runterfallen sollte, täte mir das nur sehr begrenzt Leid.“

      Xenia kicherte. „Also, mach ein Foto von ihm, wenn er´s nicht merkt!“

      Das hatte ich vor – bei einem meiner früheren Jobs hatte ich eine etwas angejahrte Digitalkamera günstig abgestaubt, die aber noch recht ordentliche Fotos schoss. Und so merkte Thilo das wahrscheinlich nicht einmal - sonst würde er ja doch bloß wieder wegen Recht am Bild rumkrähen.

      Er würde natürlich gar nichts tun, Thilo war ein Schwätzer und sonst nichts.

      Wir schafften es, die ganze Ablage zu entrümpeln, während wir uns Geschichten über blöde Leute erzählten, die wir kannten. Mit der madigen WG toppte ich aber alles, was Xenia zu berichten hatte. Mittendrin kam ein absoluter Traumprinz herein, und ich starrte ihn verzaubert an, eine Handvoll Briefe in der Hand, während er mich anscheinend gar nicht bemerkte.

      „Xenia, hast du irgendwo ein Manuskript von einem Fridolin Bergemann? Es muss um eine abstruse Theorie zur Währungsreform 1948 gehen.“

      „Ich glaube, das war in der Kiste“, mischte ich mich ein und verstummt erschrocken. Ganz schön vorlaut! Der Wundermann sah mich an. „Ach, Sie sind die Neue? Ich heiße Alexander Falkenstein, guten Tag.“

      Ich ergriff benommen die Hand, die mir entgegengestreckt wurde, und drückte sie schwächlich. „Isabella Zentgraf“, murmelte ich verlegen und fühlte, wie ich rot wurde. „Und Sie haben das Manuskript gesehen?“

      „Ich – ich glaube schon“, stotterte ich und floh zu dem Stapel auf meinem Schreibtisch. „Was soll das überhaupt, Alexander?“, fragte Xenia. „Ihr stopft alles, was euch im Weg ist, in eine Kiste und schmuggelt sie hier herein, und nach fünf Jahren erwartet ihr, dass wir sofort wissen, wo der Krempel ist? Isi hat sich schon als sehr hilfreich erwiesen, aber hexen können wir auch nicht, wenn ihr so herumschlampt.“

      Und jetzt grinste er auch noch! Mit Grübchen!! Mir wackelten die Knie, als ich ihm das fette Konvolut reichte. „Das ist doch nicht wirklich noch von 99, oder? Ach, Xenia, du weißt doch, wir ertrinken in Material, wir müssen ab und zu was auslagern...“

      „Faule Ausreden!“, schnappte sie, „dann müsst ihr´s doch hier nicht regelrecht verstecken.