Tödliches Monogramm. Elisa Scheer

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Название Tödliches Monogramm
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562591



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war Petra schon, sehr zierlich, immer sehr gepflegt gekleidet und sehr gekonnt hergerichtet (wo sie ihr Auto geparkt hatte, vergaß sie öfter, Nachtcreme aufzutragen nie, die Namen ihrer Chefs konnte sie sich nicht merken, die Läden, wo es Schuh-Schnäppchen gab, schon), blauäugig und goldblond und eigentlich ein lieber Mensch, aber eben ein Luxusgeschöpf. Sie brauchte wirklich einen Ernährer! „Ist der noch zu haben?“, fragte ich also sicherheitshalber nach, denn ein Ehekrüppel nützte ihr ja nichts.

      „Ich glaub schon, Ring hatte er keinen an. Er ist noch gar nicht so alt, vielleicht vierzig“, gab sie brav Auskunft. „So ein Anwalt eben, aber ganz nett. Bloß blöd, dass er Ferdinand heißt, ich muss immer aufpassen, dass ich nicht lache. Am liebsten würde ich ihn einfach Schatzi nennen, aber ich glaube, da steht er nicht drauf.“

      „Das tun die wenigsten Männer. Vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Und, hat er schon Annäherungsversuche gemacht?“

      „Naja...“, sich kicherte ein bisschen geziert, „so halb. Ein bisschen geknutscht haben wir hinterher, in seinem Wagen... ich sag dir, ein Riesenschlitten, der muss wirklich toll verdienen. Und gut küssen tut er auch. Am Freitag sehen wir uns wieder. Also, alles prima!“

      „Bloß einen Job brauchst du noch“, vermieste ich ihr prompt die Freude.

      „Ach, ich hab noch ein paar Sachen, wo ich mich vorstellen kann. Und mit der Bank hab ich gesprochen, ich hab eine neue Karte und einen größeren Dispo.“ Herrgott, wie wollte sie den denn jemals zurückzahlen? Aber was redete ich mir hier den Mund fransig! Ich schluckte meine besorgten Einwände herunter und schloss mit mir im Stillen eine Wette ab, wann sie wegen ihrer Finanzen jammern würde.

      „Und wann stellst du dich das nächste Mal vor?“ Ich war mir sicher, dass sie Petra bei W&L nicht genommen hätten. Sie wäre hundertprozentig durch den Pechmarietest gefallen, es sei denn, eine verzweifelt dreinschauende Sekretärin hätte um eine Typberatung gebeten.

      „Ach, am Dienstag, glaube ich. Muss mal nachsehen, ich hab´s mir irgendwo aufgeschrieben, auf so einen Zettel...“ Nichts Neues unter der Sonne. Wahrscheinlich war das überhaupt schon letzten Dienstag gewesen. Oder zu einer anderen Uhrzeit, in einer anderen Firma oder für einen ganz anderen Job. Andererseits konnte es nur ein Sachbearbeiterjob sein, denn etwas anderes konnte Petra gar nicht: Sie hatte nach fünf Semestern ihr Studium geschmissen, notgedrungen, da die Fragen der Verwaltung nach einer Zwischenprüfung immer drängender wurden und sie die nötigen Scheine nicht gemacht hatte. Klausuren verpasst, das Falsche gelernt, Pflichtveranstaltungen nicht belegt... Schuhverkäuferin sollte sie werden, da wäre sie wirklich mit Liebe bei der Sache. Wir hatten ihr das sogar mal vorgeschlagen und sie tief gekränkt: Sie hätte doch immerhin Abitur! Ja, weil wir sie durchgeschleppt hatten.

      Außerdem (und das war als Argument nicht von der Hand zu weisen) kannte sie sich bloß bei Damenschuhen aus, und wie sollte sie dort tolle Männer kennen lernen? „Und wenn du´s mal bei Leather´s probierst?“, fragte ich, durch diese Gedankenverbindung gesteuert.

      „Leather´s?“, fragte sie zurück.

      „Du weißt doch, dieser tolle Laden mit den Aktentaschen und Handtaschen und Krawatten und Accessoires. Tolle Waren, tolle Männer, da gönnen die sich bei jeder Beförderung was Neues. Und vielleicht brauchen die auch mal jemanden fürs Büro. Ich meine, da wärst du ja wirklich mit Liebe bei der Sache, Lieferscheine von Gucci und Prada würdest du doch begeistert ablegen, oder?“

      „Hm.“ Am anderen Ende ratterten die Rädchen in Petras hübschem Kopf. Sie hatte wirklich ein Köpfchen, das sie sich besser nicht zerbrechen sollte!

      „Ich kann ja mal fragen. Suchen die überhaupt jemanden?“ Das wusste ich auch nicht, aber sie sollte es mal versuchen, fand ich. Den Macker vom La Vie konnte sie ja behalten, so lange es dauerte.

      Sollte ich jetzt von meinem neuen Job erzählen oder würde Petra dann wieder finden, ich sollte nicht so rumstreben? Wahrscheinlich. Und dass mein Konto ausgeglichen war (na, meistens wenigstens), war wahrscheinlich auch spießig. Prägung. Unspießiges Verhalten hätte wohl noch mehr Schimpfkanonaden meines Vaters ausgelöst – obwohl Wohlverhalten ja auch nie etwas genützt hatte. „Hörst du mir überhaupt noch zu?“

      „Ja, klar“, log ich hastig.

      „Dann findest du auch, ich sollte das machen?“

      „Unbedingt“, behauptete ich und Petra lachte. „Toll, dann mach ich das. Tschüss!“ Ich betrachtete das Telefon und überlegte, wozu ich ihr jetzt geraten hatte. Irgendwas Schwachsinniges, vermutlich. Ob sie sich merken konnte, dass ich die Idee gut gefunden hatte? Leider wohl ja, so was vergaß sie nicht halb so schnell wie Pflichten und Termine.

      Die Musik heulte auf und hämmerte dann fleißig durch die Wand. Ich schrie: „Arschlöcher!“ und verzog mich mit meiner Arbeit ins Schlafzimmer. Immer, wenn ich die Lust verlor, was mit schöner Regelmäßigkeit vorkam, ging ich wieder ins Wohnzimmer und brüllte Beschimpfungen gegen die Wand, wohl wissend, dass das keine der Maden hören konnte. Sehr befreiend!

      Ich brauchte so schnell wie möglich einen Ganztagesjob bei W&L, ein einigermaßen anständiges Gehalt und eine Wohnung weit, weit weg. Dieser Gedanke trieb mich auch immer wieder ins Schlafzimmer zurück: Was ich jetzt schaffte, konnte mich nicht mehr von meiner Verlagskarriere abhalten.

      Bis zum Abend hatte ich meinem epochemachenden Meisterwerk immerhin sieben neue (und, wie ich selbst fand, ziemlich wissenschaftlich fundiert wirkende) Seiten hinzugefügt, zwei echte Businesshemden im Schrank gefunden und sie gewaschen, einen Blazer ausgebürstet, Wäsche sortiert, abgelaufene Lebensmittel zur Tonne getragen und überhaupt ungemein gestrebt. Ich kam mir sehr tugendhaft vor, als ich gegen halb acht Sandra anrief, um von meinem neuen bürgerlichen Leben zu berichten.

      Sandra hatte aber leider gar keine Zeit, Florian wollte vorbeikommen, sie hatte versprochen, ihm Allgäuer Schnitzel zu machen und kämpfte jetzt mit der Tücke des Objekts.

      Enttäuscht wünschte ich ihr viel Glück und beschloss, spazieren zu gehen. Vielleicht inspirierten mich ja die Schaufenster, was meine Klamotten betraf.

      Noch vor dem Haus hörte man die Bässe wummern, obwohl die Maden gar kein Fenster offen hatten. Wollten wohl nicht, dass ihr schöner Mief abzog. Missvergnügt äugte ich an der schmutzig sandfarbenen Fassade hoch und stiefelte dann die Straße entlang in Richtung Düsseldorfer Straße, wo die Läden waren.

      Drogeriemarkt... Duschgel mit Limonenduft, das hörte sich eigentlich gut an. Ein zarter, aber eindeutiger Duft nach Zitronen... das machte bestimmt einen guten Eindruck. Morgen, nach meinem ersten Arbeitstag. Hoppla, da konnte ich ja morgens immer noch in die Klassikvorlesung gehen! Und dann Geld verdienen... schöne Vorstellung. Hinterher das Duschgel – oh, da gab´s auch eine passende Bodylotion dazu, beides in zartem Gelbgrün... passte genau zu meinem zufällig genauso gelbgrünen Gesichtswaschzeug... und ein Deo dazu. Das ganze Bad in weiß und gelbgrün, wenn das nicht frisch und sauber wirkte! Die rosa Handtücher passten dann natürlich nicht mehr. Und eine blassgelbe Zahnbürste, das verstand sich von selbst. Und das Bad natürlich zuerst gründlich putzen und dann neu dekorieren... Aber erst wieder drei Seiten schreiben!

      Der Drogeriemarkt war schon mal vorgemerkt. So überflüssig war das alles auch gar nicht, beruhigte ich mich im Weitergehen, Duschgel und Bodylotion waren tatsächlich so gut wie leer. Ach ja, und ein schönes Zitronenshampoo, auch wenn es bei dunkelbraunem Haar farblich nichts brachte.

      Der Jeansladen hatte hauptsächlich überflüssigen Kram im Fenster, grob gestrickte, enge und kurze Pullis, die aussahen, als würden sie sich schon beim ersten Tragen irgendwo auflösen, Jeans mit abstrusen Nähten und Cargohosen, von denen mir keiner einreden konnte, dass sie nicht dicke Oberschenkel machten. Das sah doch idiotisch aus, wenn man seine Habseligkeiten in die Seitentaschen stopfte! Nicht mit mir. Aber dahinten lag ein Blazer, der ganz nett aussah: dunkelbrauner Tweed mit Hornknöpfen, und gar nicht mal so teuer, neunundfünfzig Euro, wenn ich das Schildchen richtig entziffert hatte.

      Morgen sollte ich vielleicht wirklich mal hier vorbeischauen. Und diese T-Shirts sahen auch nicht übel aus... Nein,